Proteste der Stahlarbeiter Krach bei Thyssenkrupp
Tausende Beschäftigte von Thyssenkrupp Steel haben heute in Duisburg protestiert. Gewerkschafter kritisieren, wie das Management beim Deal mit dem neuen Miteigentümer vorgegangen ist. Die Unruhe ist groß.
"Eine Kampfansage", "kein guter Stil" und "kein guter Start" - so kommentierten Vertreter der IG Metall und des Betriebsrates bei Thyssenkrupp am Freitag die Nachricht vom neuen Investor bei der Stahltochter des Konzerns.
Der heißt Daniel Kretinsky und soll mit seiner Holding EPCG zunächst 20 Prozent von Thyssenkrupp Steel übernehmen. Der Anteil soll mittelfristig dann auf 50 Prozent anwachsen. Über die Konditionen des Geschäfts, dass Thyssenkrupp-Konzernchef Miguel Lopez am Freitag vorstellte, gab es keine Informationen.
Belegschaftsversammlung abgesagt
Eigentlich hätten heute mehrere tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stahlsparte von Thyssenkrupp ins Duisburger Fußballstadion kommen sollen, um dort mehr Informationen über den Umbau ihres Betriebes zu erfahren.
Der Termin wurde abgesagt - weil die Gewerkschaft sauer ist. Sauer auf den Gesamtkonzern Thyssenkrupp und seinen Vorstandschef Miguel Lopez. Offenbar hat sie die Nachricht vom Einstieg des Investors kalt erwischt. Die Nachricht habe eingeschlagen wie eine Bombe, heißt es bei der IG Metall.
"Mitbestimmung untergraben"
Bei Bekanntgabe des Geschäfts hatte Konzernchef Lopez noch betont, wie wichtig es ihm sei, dass die Arbeitnehmerseite eingebunden sei - und musste sich danach von den Gewerkschaften anhören, er untergrabe die "lange Tradition der Mitbestimmung" durch die Art, wie der Deal mit Kretinsky eingefädelt worden sei.
"So was kennen wir hier nicht, dass man die Mitbestimmung einfach so ignoriert", sagen Betriebsratsvertreter. Statt einer Belegschaftsversammlung zur Information beraumte die Arbeitnehmerseite eine Großkundgebung vor der Thyssenkrupp-Zentrale an.
Die Gewerkschaft wollte ein Zeichen setzen, dass der Umbau des Konzerns und vor allem der Stahlsparte nur mit ihr gehen kann. Und fordert vom neuen Investor via Zeitungsinterview Garantien: "Keine Kündigungen, keine Standortschließungen, Einhaltung von Tarifverträgen und Vereinbarungen", sagt Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall. Kerner ist auch stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Thyssenkrupp AG.
Schon lange ist bekannt, dass der Gesamtkonzern Thyssenkrupp einen Abnehmer für die Stahlsparte sucht. Der Umbau hin zu klimafreundlicher Produktion mit Wasserstoff als Energieträger ist sehr kapitalintensiv, gleichzeitig sinkt die Nachfrage nach dem eher teuren deutschen Stahl.
Hoher Kapitalbedarf - auch auf längere Sicht
Thyssenkrupp hat für den Bau eines ersten auf Wasserstoff-Technik basierenden Hochofens zwar zwei Milliarden Euro vom Land und dem Bund zugesagt bekommen, doch der Kapitalbedarf wird auch in Zukunft hoch bleiben - denn noch ist völlig unklar, zu welchen Kosten und woher das Unternehmen den Wasserstoff beziehen wird.
Denn klimafreundlich oder "grün" ist Wasserstoff nur, wenn er mit Hilfe von Erneuerbaren Energien gewonnen werden kann. Konzernchef Lopez braucht deswegen dringend jemanden, der frisches Geld mitbringt sowie Zugang zu günstiger Energie. Kretinsky und seine Holding EPCG waren zwar bislang nicht im Stahl aktiv - sie verdienen ihr Geld aber vor allem beim Handel mit Strom. Strom, der bisher vor allem aus fossilen Energieträgern stammt, zum Beispiel Braunkohle.
Rausholen, was noch da ist?
Ob der tschechische Milliardär eine echte Hilfe für den Umbau von Thyssenkrupp Steel zu einem klimaneutralen Unternehmen sein kann, daran gibt es nicht nur deswegen Zweifel. Energie-Experte Felix Christian Matthes vom Freiburger Öko Institut sieht in Kretinsky einen typischen Vertreter sogenannter "tail end"-Investoren: "Die gehen in niedergehende Branchen, holen raus, was noch da ist und überlassen die entstehenden Kosten dem Staat."
Besonders attraktiv seien Unternehmen mit hohen Rückstellungen. Kretinsky habe mit seinem Engagement im ostdeutschen Braunkohlerevier ein sehr ähnliches Verhalten an den Tag gelegt. "Er investiert in Kohlekraftwerke und lässt sich deren Stilllegung teuer bezahlen," sagt Matthes und warnt: "Die Alarmglocken müssten schrillen, sobald verschachtelte Firmenkonstrukte aufgesetzt werden, über die dann Finanzmittel abfließen könnten." Das sei der Weg, den Kretinsky zum Beispiel beim Energieversorger LEAG beschritten habe.
Gewerkschafter wollen deutliches Zeichen setzen
Dennoch wollen die Gewerkschaften ihren Protest nicht als Protest an Kretinsky und seiner Holding verstanden wissen. "Wenn jemand Geld investieren will, dann schauen wir uns das gerne an," heißt es dazu im Betriebsrat. Ein Zeichen setzen wollen die Gewerkschafter aber schon - sie wollen zeigen, dass beim Umbau von Thyssenkrupp und vor allem beim Verkauf der Stahlsparte die Arbeitnehmer ein Wörtchen mitzusprechen haben.
Unterstützung bekommen sie dabei auch aus der Politik. Auf der Kundgebung mit Tausenden Stahlarbeitern traten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas auf. Die SPD-Landtagsfraktion verlegte ihre ganze Sitzung auf die Demonstration.