Ausstand der GDL Nach dem Streik ist vor dem Streik
Vier Tage lang wurde bei der Bahn gestreikt. Eine Einigung im Streit über mehr Lohn und Arbeitszeitverkürzung bleibt außer Sichtweite. Lokführergewerkschaft GDL und Bahn scheinen sich unversöhnlich gegenüberzustehen.
Seit 18 Uhr rollen die Züge wieder - zumindest teilweise. Denn nach mehreren Tagen wird es nach Einschätzung der Deutschen Bahn noch mindestens bis Samstagfrüh dauern, bis die meisten Züge im Land wieder nach Fahrplan laufen - oder zumindest nicht wegen des Streiks ausfallen oder zu spät kommen. Und während das Land sich noch von dieser Streikrunde erholt, droht bereits der nächste Ausstand.
Denn pünktlich mit dem Streikende stellte sich GDL Chef Claus Weselsky in Berlin vor die Kameras und kündigte an: "Nach Abschluss dieser Streikmaßnahme lassen wir dem Unternehmen ein Stück weit Zeit, um zur Besinnung zu kommen. Tun sie das nicht, wird die nächste Arbeitsniederlegung folgen. Sie wird bestimmt länger und sie wird den Kunden noch härter treffen." Dabei kann Weselsky den Streik schon jetzt als vollen Erfolg für seine Gewerkschaft verbuchen.
Zugausfälle im Personen und Güterverkehr
Seit Dienstagabend hatte die GDL zunächst den Güterverkehr und ab Mittwoch den Personenverkehr sowohl der Deutschen Bahn als auch einiger Privatbahnen bestreikt. Ein Streik, den die GDL bereits vor den Weihnachtsfeiertagen vorbereitet und per Urabstimmung beschlossen hatte.
Laut Deutscher Bahn fuhren ein Großteil der von ihr betriebenen Züge während des Streikes nicht, etwa 80 Prozent des Zugverkehrs fiel aus. Über einen Ersatzfahrplan waren Bahnreisen vereinzelt dennoch möglich, wenn auch unter großen Einschränkungen und zeitlichen Verzögerungen.
Bahn: "Absolute Zumutung"
Bahnsprecherin Anja Bröker nannte den Streik eine "absolute Zumutung" für die Fahrgäste der Bahn und die Cargo-Kunden. Im Güterverkehr waren es bis 1.500 Güterzüge, die pro Tag ausgefallen sind. "DB Cargo hat es geschafft, alle versorgungsrelevanten Züge ans Ziel zu bekommen", so Bröker. Ganz offenbar hatten die meisten Kunden ihre Fahrten entweder auf Lkw verlagern oder zeitlich verschieben können, auch deshalb blieb im Güterbereich das große Chaos aus.
Es war die dritte und - mit etwas über drei Tagen - die längste Arbeitsniederlegung durch die GDL innerhalb dieser Tarifauseinandersetzung. Und wenn man die bisherigen Äußerungen der Konfliktparteien sieht, müssen sich Passagiere und Güterverkehrskunden auf weitere Streikrunden gefasst machen.
Bahn und GDL - unversöhnlich und zerstritten
"Es liegt auch an der GDL, endlich wieder zu verhandeln", heißt es vonseiten der Bahn. Doch die GDL weigerte sich bislang, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Das bisherige Angebot der Deutschen Bahn sei "die Tinte und das Papier nicht wert" mit dem es geschrieben wurde, so Weselsky in Magdeburg vor GDL-Mitgliedern. Seine zentrale Forderung: eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter auf 35 Stunden die Woche - bei vollem Lohnausgleich. Nicht sofort, sondern schrittweise bis 2028. Die Bahn hat das für "unrealistisch" und "nicht verhandelbar".
Was auch in dieser Streikrunde deutlich wurde: die Unversöhnlichkeit, mit der Vertreter der GDL und der Bahn übereinander sprechen. GDL-Chef Weselsky spricht von Arbeitsverweigerung, die der für Personalfragen zuständige Vorstand Martin Seiler betreiben würde, da er ja keine Angebote vorlege. Gerne spricht er von Seiler auch als "Hampelmann". Überhaupt spricht Weselsky immer wieder von den "Nieten in Nadelstreifen" und den "Schauspielern aus dem Turm". Es sei das Management, das mit seiner Weigerung auf die GDL Forderungen einzugehen, die Streiks verschuldet habe.
Die Bahn ist im Gegenzug auch nicht zimperlich. Sie versuchte, den Streik per Gerichtsentscheid den Streik verbieten zu lassen und weist immer wieder darauf hin, dass der Streik "unverhältnismäßig" und "ungerechtfertigt" sei. Heute ließ sie eine Sprecherin den Streik noch einmal als "unnötig" bezeichnen.
Erfolg bei Transdev
Dabei hat die GDL mit ihrem Streik tatsächlich einen Erfolg errungen, zwar nicht bei der Deutschen Bahn, sondern beim kleineren Konkurrenten Transdev, der sechs regionale Eisenbahnunternehmen mit mehreren Nahverkehrsverbindungen in Deutschland betreibt. Die Transdev will mit der GDL über einen Weg zur Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich verhandeln. Die GDL brach den Streik gegen die Transdev mit Meldung dieses Erfolgs am Freitag ab.
"Wir müssen mit Transdev noch eine Reihe von Punkten verhandeln und wir haben den Abschluss noch nicht", sagte GDL-Chef Weselsky, der der Transdev seinen Respekt aussprach. "Aber es ist das mutige Signal der Arbeitgeber: 'Wir haben verstanden und wir suchen und finden jetzt den Kompromiss.' Das nenne ich ehrenhaftes Verhalten." Unausgesprochen und dennoch eindeutig blieb, für wie ehrenhaft er die Verhandlungsführung der Deutschen Bahn hält.
Ein weiterer Erfolg des Streiks: die GDL positioniert sich weiter als gefährlicher Konkurrent gegen die ungleich größere Eisenbahnergewerkschaft EVG. Mit der EVG konkurriert GDL in mehr als 300 Betrieben der Deutschen Bahn um die Vertretungshoheit bei Tarifverhandlungen. Denn laut Tarifeinheitsgesetz gilt nur der Tarifvertrag der jeweils größeren Gewerkschaft. Wer also mehr Mitglieder in einem Betrieb organisiert, der gewinnt. Und die GDL verzeichnet mit jedem Streik steigende Mitgliederzahlen. Derzeit sind es über 40.000.
Weitere Streiks wahrscheinlich
Deutsche Bahn und GDL kündigten zum Ende des Streiks an, offen für Verhandlungen zu sein. Allerdings war von einem verbesserten Angebot bislang noch nichts zu hören - und genau darauf wartet die GDL. Auch mit dem Wissen, dass sie einen Streik durchaus länger fahren kann. 2015 gab es den bislang längsten GDL-Streik, mit 127 Stunden - oder einfacher: fünf Tagen und sieben Stunden.
2021 hatten Lokführer und Zugpersonal auch schon mal fünf Tage am Stück gestreikt. Beide Mal allerdings hatte es zuvor bereits einige Verhandlungs- und Streikrunden gegeben. Dieses Mal hat die GDL viel schneller eskaliert. Und Claus Weselsky macht auch zum Ende dieses Streiks weiter Druck: "Das, was wir bisher getan haben, davor müssen wir uns nicht schämen. Das, was wir noch tun werden, verantworten die Manager im Turm."