Klimaziele der Bahn Wasserstoff-Züge statt Diesel-Loks?
Gerade im Verkehrssektor muss CO2 eingespart werden - die Deutsche Bahn sieht großes Potenzial in Wasserstoff-Zügen. Allerdings ist dafür eine eigene Infrastruktur nötig. Und die Entwicklung der Züge steht noch am Anfang.
Eigentlich hatte Albrecht Neumann eine Erfolgsgeschichte präsentieren wollen: den Mireo H - den Wasserstoff-Zug der Siemens Eisenbahnsparte Siemens Mobility. Doch jetzt steht der auf dem Areal des Testgeländes von Siemens in Wegberg in Nordrhein-Westfalen und will nicht mehr. Siemens Manager Neumann versucht, gelassen zu bleiben: "Dafür testen wir ja, damit solche Dinge hier passieren und nicht später im Passagierbetrieb."
Tatsächlich aber ist das jetzt ein Problem: der Mireo-H sollte den deutschen Eisenbahn-Hersteller Siemens wieder nach vorne bringen, nachdem Wettbewerber wie Alstom bereits seit einiger Zeit mit Wasserstoff-Zügen am Markt sind. Doch pünktlich zur Vorführung für ausgewählte Journalistinnen und Journalisten streikt die Brennstoffzelle. "Wahrscheinlich ein Software-Fehler", mutmaßt Neumann. Erst mit einer Stunde Verzögerung und einem leistungsmäßig abgespeckten Zug kann die Vorführung weitergehen.
Technik-Probleme bremsen Entwicklung
Immerhin hat Siemens solche Probleme mit seinen Wettbewerbern gemein. Der französische Eisenbahn-Konzern Alstom hatte bereits im vergangenen Jahr in Deutschland einen großen Erfolg gelandet: 27 Züge mit Wasserstoff-Antrieb sollten ab 2022 für den Rhein-Main-Verkehrsverbund auf der Taunusbahn fahren. Doch immer neue technische Schwierigkeiten brachten das Projekt ins Stocken - und Wasserstoff als Antrieb in Verruf.
Züge mit Wasserstoff-Antrieb gelten als eine Möglichkeit, den CO2-Ausstoß im Verkehr zu senken. Sie können überall dort eingesetzt werden, wo bislang veraltete Diesel-Loks ihren Dienst tun. Das sind vor allem die Bahnstrecken, an denen keine Oberleitungen liegen. Derzeit knapp ein Drittel der etwa 33.000 Bahnkilometer in Deutschland. Vor allem im Personennahverkehr werden mehr als ein Viertel aller Fahrten mit Diesel-Loks gemacht.
Es sind die schwer zugänglichen Nebenstrecken, bei denen die Elektrifizierung fehlt. Alle diese mit Oberleitungen auszustatten, dauert zu lange und ist auch nicht wirtschaftlich. Wenn dort die Diesel-Lok eingespart werden soll, dann geht dies nur mit batteriebetriebenen Zügen oder eben einem Wasserstoff-Zug wie dem Mireo H.
Batterie - und Wasserstoff-Züge
"Batterie-Züge und Wasserstoff-Züge sind eigentlich vom Prinzip her identisch", erklärt Siemens-Manager Neumann. "Der große Unterschied ist die Reichweite: Mit einem batteriebetriebenen Zug kommt man je nach Größe und Passagierzahl zwischen 50 und 100 Kilometer weit. Mit Wasserstoff sind es aber 800 Kilometer."
Batterie-Züge eignen sich vor allem für kurze, ebene Strecken. Wasserstoff-Züge können lange Strecken, auch mit Steigung etwa im Gebirge, überwinden.
Deutsche Bahn setzt auf "grünen" Wasserstoff
Erst seit 2019 haben sich die großen Zughersteller und auch die Bahn auf das einstige Nischenprojekt Wasserstoff konzentriert. Das größte Problem: die Infrastruktur. Noch gibt es keine zuverlässige Wasserstoff-Versorgung, die tatsächlich CO2-neutral ist. Mehr als 90 Prozent des in Deutschland verbrauchten Wasserstoffs ist sogenannter "grauer" Wasserstoff, der durch die Verarbeitung von fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Erdöl oder Kohle entsteht. Auch die Wasserstoff-Züge der Taunus Bahn von Alstom fahren derzeit mit diesem nicht klimaneutral hergestellten Wasserstoff, wie Siemens Mobility Eisenbahn Chef Neumann gerne betont.
Die Deutsche Bahn will für ihre Wasserstoff-Züge eigene Wasserstoff-Tankstellen bauen, bei denen durch Elektrolyse der Wasserstoff gewonnen wird - der sogenannte "grüne" Wasserstoff. Hier wird Wasser mit Hilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. "Der dafür eingesetzte Strom wird aus regenerativen Energien kommen," betont Marc-Andre Sahba, der bei der Bahn für die Wasserstoff-Strategie zuständig ist. Am Ende aber ist die Deutsche Bahn auch darauf angewiesen, dass genügend Strom aus Erneuerbaren Energien verfügbar ist, um die benötigten Mengen Wasserstoff klimaneutral herzustellen.
Der Bedarf steigt
Wasserstoff gilt vielen als das Wundermittel, um die Wirtschaft CO2-neutral zu machen. Doch die große Frage ist: Woher nehmen? Denn schon jetzt wird von schätzungsweise einer Million Tonnen Wasserstoff, die in Deutschland jährlich genutzt werden, nur der geringste Teil durch Elektrolyse gewonnen - nur etwa sieben Prozent. Die Bundesregierung möchte bis 2030 den Anteil auf etwa 50 Prozent steigern. Es wird also importiert werden müssen.
Es gibt zwar viele Planspiele, wie gerade aus nordafrikanischen und arabischen Ländern Wasserstoff zu uns gelangen könnte, aber da ist vieles noch im frühen Planungsstadium. Gleichzeitig gehen alle Akteure davon aus, dass der Bedarf an Wasserstoff sprungartig ansteigen wird. Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass er sich in Deutschland bis 2050 verdoppeln wird, Industrie-Vertreter wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hingegen gehen von einem dreimal so hohen Bedarf aus.
Mobile Wasserstofftankstellen
Die Technik an sich ist nicht das Problem: Brennstoffzellen, die Wasserstoff in elektrische Energie umwandeln, sind keine neue Technik. Und auch den flüchtigen und hochbrennbaren Stoff selbst unter Kontrolle zu halten, ist ebenfalls kein Problem mehr.
Die Bahn zeigt sehr stolz ihre neuen, mobilen Wasserstofftankstellen, die es möglich machen, einen Wasserstoff-Zug so schnell wie eine Diesel-Lok zu befüllen: "Wir brauchen auch genau diese Schnellbetankung", betont Bahn-Manager Sahba. Im Betrieb müssten sich die Fahrpläne wie im Dieselverkehr einhalten lassen. Das sei auch ein Kriterium, ob die Besteller des Nahverkehrs sich am Ende für Wasserstoff-Züge entscheiden oder nicht.
Auch eine Frage des politischen Willens
Denn ob sich Wasserstoff als Antrieb bei Zügen durchsetzen kann, sei vor allem eine Frage des politischen Willens, so Sahba. In Deutschland entscheiden die Nahverkehrsunternehmen wie Deutsche Bahn oder andere nur bedingt über die eingesetzten Zug-Arten. Jede Nahverkehrsstrecke wird von den Bundesländern ausgeschrieben - mit sehr genauen Vorgaben. Darin steht dann auch, ob Wasserstoff oder Batterie oder eben Diesel-Loks eingesetzt werden sollen.
Eine Frage des Preises sollte es nicht sein. Wasserstoff-Züge seien zwar derzeit die teuerste Alternative, verrät Neumann vom Hersteller Siemens Mobility - sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb. Das ändere sich aber, wenn man sie langfristig mit den Diesel-Loks vergleiche, die sie ersetzen sollen. Durch die CO2-Bepreisung sei schon jetzt klar, dass Diesel auf Dauer der teuerste Antrieb von allen sein werde.