Deutsches Start-up arbeitet an Serienmodell Mit dem Wasserstoff-Flieger in den Urlaub
Fliegen gilt als Klimakiller, dennoch steigt die Zahl der Flüge weltweit. Ein Stuttgarter Start-up will den internationalen Luftverkehr revolutionieren und bis 2029 ein klimaneutrales Wasserstoff-Flugzeug auf den Markt bringen.
Das Flugzeug, mit dem Josef Kallo der Welt zeigen will, dass Wasserstoff im Luftverkehr funktioniert, sieht aus, als wären zwei Segelflugzeuge aneinander montiert. Diese Doppelrumpfkonstruktion verbindet zwei Cockpits mit insgesamt vier Sitzplätzen. In der Mitte treibt ein Propeller die "HY4" an. Das wirklich Revolutionäre sitzt jedoch hinter dem Propeller: Eine Brennstoffzelle produziert durch den Einsatz von Wasserstoff und Sauerstoff aus der Umgebung elektrische Energie. Ausreichend Energie, um das Flugzeug fliegen zu lassen. "In diesem Flugzeug hatten wir die Chance, die Antriebstechnologie, die Architektur der Antriebstechnologie und die Funktionalität der Antriebstechnologie zu zeigen und zu realisieren", erzählt Kallo.
Neues Ziel: Flugbetrieb bis 2029
2016 ging die "HY4" erstmals in die Luft - als weltweit erstes viersitziges Passagierflugzeug mit Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie. Seitdem haben Wasserstoff-Pionier Kallo und sein Team vom Stuttgarter Start-up H2Fly die Leistung und Reichweite des Fliegers erhöht. Bis zu 1500 Kilometer seien inzwischen möglich, heißt es. Ein Fortschritt, aber immer noch deutlich weniger als Großraumflugzeuge mit fossilem Kerosinantrieb.
Die Entwicklung des Viersitzers sei aber nur der erste Schritt, sagt Kallo. Mit dicker Jacke und Kapuze steht der Gründer von H2Fly im eisigen Wind auf dem Vorfeld des Flughafens Stuttgart. Neben ihm eine Kurzstreckenmaschine. "Dieses Flugzeug, die DO328, soll später bis zu 2000 Kilometer weit fliegen können", sagt Kallo. Das entspricht in etwa der Entfernung von Stuttgart nach Kreta, die die 40-sitzige Dornier 328 mit einer Tankfüllung Wasserstoff schaffen soll.
Exzellenz-Zentrum soll Technologie voranbringen
Wenige Meter von der Maschine entfernt spricht Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Gebäude der Flughafenfeuerwehr anlässlich des Projektstarts für das bundesweit erste Wasserstoff-Exzellenz-Zentrum. Das Land unterstützt den Bau von H2Fly mit mehr als fünf Millionen Euro. Der Hangar auf dem Flughafengelände soll Teststände, Werkstätten und Labore bereitstellen, um die Entwicklung wasserstoffelektrisch betriebener Antriebe zu fördern.
"Wasserstoff in der Luftfahrt ist jetzt nicht einfach eine Spielwiese für neugierige Forscher, es ist ein knallharter Wettbewerb", so der Ministerpräsident von den Grünen. Letztlich gehe es um die Frage, wer das erste Wasserstoff-Flugzeug hat. Baden-Württemberg sei da gut im Rennen. "Das Zentrum ist ein wichtiger Beitrag für die Zukunft der emissionsfreien Luftfahrt", betont auch die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, Anna Christmann.
Wasserstoff-Flieger von Airbus bis 2035
Im Wettbewerb um nachhaltiges Fliegen spielt auch Branchenriese Airbus eine wichtige Rolle. Bis 2035 will der Flugzeugbauer ein Wasserstoff-Passagierflugzeug mit 100 Sitzplätzen auf den Markt bringen. Statt Brennstoffzelle will Airbus Wasserstoff in den Triebwerken verbrennen.
Gleichzeitig laufen Entwicklungen für den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen, sogenannten eFuels. Diese Technologie habe den Vorteil, dass man bestehende Flotten weiternutzen könnte, sagt Karsten Benz, Professor für Luftverkehrsmanagement an der Hochschule Worms. Doch es gibt noch Hürden: "Synthetische Kraftstoffe werden zurzeit aus Biomasse hergestellt und stehen leider noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung", so Benz.
Wirtschaftlicher Einsatz fragwürdig - Infrastruktur fehlt
Der Verkehrsbereich macht nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) rund ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen aus. Der Luftverkehr trägt drei Prozent zum globalen Gesamtausstoß bei. Eine Flugreise von Stuttgart nach Kreta und zurück verbraucht auf Basis des CO2-Emissionsrechners des Umweltbundesamt etwa 0,82 Tonnen CO2 pro Person. Die gleiche Strecke will Gründer Kallo demnächst mit seiner 40-sitzigen Maschine DO328 emissionsfrei zurücklegen.
Probleme sieht Luftverkehrs-Professor Benz aber bei der nötigen neuen Wasserstoff-Infrastruktur: "Flughäfen haben momentan Betriebssysteme, Betankungssysteme für Kerosin, und da Flugzeuge mehr als 20, 30 Jahre im Einsatz sind, werden parallele Systeme - Wasserstoff und herkömmliches Flugbenzin - notwendig sein." Das mache den wirtschaftlichen Einsatz aus Sicht des Wissenschaftlers fragwürdig.
Das Stuttgarter Start-up schaut derweil nach vorne: Läuft alles nach Plan, soll die Wasserstoff-Dornier 2025 zu ersten Testflügen aufbrechen. 2029 dürften dann die ersten Passagiere Platz nehmen und ganz ohne Flugscham verreisen.