Industriekonzern Stahlgeschäft brockt Thyssenkrupp Verluste ein
Wegen hoher Energiekosten und Wertberichtigungen der Stahlsparte hat Thyssenkrupp
im zweiten Quartal Verlust gemacht. Wie es mit dem schwierigen Stahlgeschäft weitergeht, ist noch unklar.
Thyssenkrupp ist im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2022/23 in die Verlustzone gerutscht. Grund dafür waren zum einen Wertberichtigungen in der Stahlsparte. Der Industriekonzern musste auf das Stahlgeschäft knapp 350 Millionen Euro abschreiben. Die Wertberichtigungen seien wegen gestiegener Zinsen und eines damit einhergehenden höheren Kapitalkostensatzes vorgenommen worden, erläuterte das Management.
Außerdem führten höhere Kosten für Rohstoffe und Energie sowie niedrigere Stahlpreise zu deutlichen Einbußen im operativen Ergebnis. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sei von 802 Millionen Euro vor Jahresfrist auf 205 Millionen geschrumpft.
Unter dem Strich fiel in den Monaten Januar bis März deshalb ein Verlust von 223 Millionen Euro an. Im Vorjahr hatte Thyssenkrupp noch einen Nettogewinn von 565 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Umsatz des Konzerns ging von 10,6 Milliarden auf 10,1 Milliarden Euro zurück und lag ebenfalls über den Erwartungen des Marktes. Der Auftragseingang ging hingegen deutlich von 13,6 Milliarden auf 10,2 Milliarden Euro zurück.
Das "Sorgenkind" Stahl
Positiv entwickelte sich dagegen Auftragslage im Stahlgeschäft. Es gab höhere Bestellmengen insbesondere aus der Bau- und Autoindustrie, der Auftragseingang stieg um neun Prozent. Das Stahlgeschäft ist problematisch, weil es extrem konjunkturabhängig und deshalb schwankungsanfällig ist. Stahl sei das "Sorgenkind" des Unternehmens, urteilt Ingo Speich von Deka Investment.
Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftete die Sparte einen Umsatz von rund 13 Milliarden Euro. Damit ist sie, hinter Werkstoffhandel und Dienstleistungen (Material Services), mit einem Umsatz von rund 16 Milliarden der zweitgrößte Unternehmensbereich.
Verkauf oder Börsengang?
Bislang sind Pläne für einen Verkauf oder Börsengang gescheitert. Thyssenkrupp strebt nach den Worten der scheidenden Vorstandschefin Martina Merz auch nach dem Führungswechsel eine Verselbstständigung der Stahlsparte an. "Wir sind davon überzeugt, dass dies dem Geschäft bestmögliche Zukunftsperspektiven eröffnet", schrieben Merz und Finanzchef Klaus Keysberg im Quartalsbericht.
Der Konzern schaffe weitere Voraussetzungen für eine eigenständige Aufstellung des Stahls. "Dazu gehört die Prüfung möglicher sektoren- und länderübergreifender Partnerschaften." In Frage kämen Energiepartnerschaften, durch die das Stahlgeschäft sicheren Zugang zu wettbewerbsfähigen Energiekosten erhalten würde. "Hier haben wir vielversprechende Gespräche mit möglichen Partnern aufgenommen."
Gespräche mit mehreren Interessenten
Zuletzt hatte es Meldungen gegeben, wonach Emirates Steel Arkan eine Beteiligung erwäge. Auch die indische JSW Steel und die Buyout-Firma CVC Capital Partners hätten in den letzten Monaten Interesse am Stahlgeschäft von Thyssenkrupp bekundet, hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet.
Den Informationen zufolge hat Thyssenkrupp außerdem Vorgespräche mit Private-Equity-Firmen über den Verkauf einer Minderheitsbeteiligung an seiner Marine-Systems-Sparte geführt. Thyssenkrupp bezeichnet sich als Weltmarktführer beim Bau konventioneller U-Boote. Auch Marine-Überwasserschiffe gehören zum Portfolio.
Was hat Borrego vor?
Um die Zukunft der Sparte wird sich ab dem 1. Juni Miguel Ángel López Borrego kümmern müssen. Martina Merz hatte unlängst überraschend angekündigt, dass sie das Unternehmen verlassen werde. Borrego führte zuvor den Autozulieferer Norma, war Chef von Siemens Spanien und Aufsichtsratsvorsitzender bei Siemens Gamesa.
Hendrik Schmidt, Governance-Experte bei der DWS, die zu den größten Aktionären von Thyssenkrupp gehört, hatte gesagt, dass Stahl zwar ein wichtiger Bestandteil der Aufgabenliste Borregos sei. Er müsse aber auch Lösungen für das Verteidigungs- und Wasserstoffgeschäft des Konzerns finden.