Klimaneutrale Produktion Stahlkochern fehlt grüner Wasserstoff
Die Stahlherstellung soll klimafreundlich werden - und als Lösung gilt Wasserstoff. Beim Hersteller Georgsmarienhütte fragt man sich allerdings, woher das Gas eigentlich kommen soll.
Jean-Frédéric Castagnet hat zur Zeit wohl einen der schwierigsten Jobs in der Stahlbranche: Er soll das Stahlwerk Georgsmarienhütte fit für eine grüne Zukunft machen. Das Zauberwort heißt Wasserstoff. Das klimaneutrale Gas könnte zum Beispiel das Erdgas ersetzen, das heute noch im Walzwerkofen verfeuert wird. Ein Ofen, der so viel Energie braucht wie 12.000 Einfamilienhäuser.
Die Umstellung auf Wasserstoff bedeutet: Das Stahlwerk im Landkreis Osnabrück braucht entweder eine Pipeline für Wasserstoff - oder aber enorme Mengen grünen Strom, um selbst Wasserstoff zu produzieren. "Das ist in unseren Augen das große Problem", erklärt Castagnet, technischer Direktor im Stahlkonzern. "Die Infrastruktur gibt es nicht."
"Die Unsicherheit in der Industrie ist groß"
Wie alle anderen Industriebetriebe muss auch das Stahlwerk in Georgsmarienhütte runter vom klimaschädlichen CO2. Das Ziel der Niedersachsen: Bis 2039 sollen alle Produkte klimaneutral werden. Verglichen mit Thyssenkrupp oder der Salzgitter AG hat die Georgsmarienhütte einen Vorteil: Weil hier nicht Koks und Eisenerz eingeschmolzen werden, sondern Schrott, sieht die CO2-Bilanz deutlich günstiger aus als bei der Konkurrenz. Trotzdem steht der Stahlkocher unter Druck: Der Stahl muss grün werden.
Konzernchef Alexander Becker steht vor einem Rätsel. "Wir würden ja gern Wasserstoff benutzen", sagt Becker, "allerdings gibt es den gar nicht". Und es sei bei weitem auch noch nicht genug Grünstrom vorhanden, um überhaupt Wasserstoff herzustellen, sagt Becker. Der Bundesregierung wirft der Stahlmanager Tatenlosigkeit vor. Es gebe weder eine Strategie, noch sei die Politik "mutig genug, endlich mal anzufangen". Für die Stahlbranche sei das frustrierend, sagt Becker. "Im Moment schaden wir dem Wirtschaftsstandort, weil wir etwas möchten, aber keine Lösung anbieten. Die Unsicherheit in der Industrie ist unheimlich groß."
Vom Champagner zum Tafelwasser?
Für die Wirtschaft bietet das Thema Wasserstoff zur Zeit noch Licht und Schatten: Wasserstoff hat zwar den Vorteil, klimaneutral zu sein. Der Nachteil ist aber: Das Gas muss erstmal erzeugt werden. Und dafür braucht man extrem große Mengen Strom - möglichst aus Wind, Sonne oder Wasser. Längst hat grüner Wasserstoff darum den Ruf als "Champagner der Energiewende".
Professor Richard Hanke-Rauschenbach von der Universität Hannover hört diese Beschreibung nicht gern. Aktuell sei Wasserstoff zwar teuer und energieintensiv, sagt der Energie-Experte. In der Zukunft werde sich das aber ändern, weil große Mengen hergestellt werden. "Deswegen wird Wasserstoff in Zukunft eher ein Tafelwasser werden müssen." Der Umbau der Wirtschaft in Richtung Wasserstoff wird laut Hanke-Rauschenbach wohl ein bis zwei Jahrzehnte dauern. Für die Wirtschaft werde das "ein sehr steiniger Weg", glaubt er - aber "alternativlos".
Genauso sieht man das auch in Georgsmarienhütte: Um den CO2-Ausstoß gegen Null zu senken, ist das Unternehmen auf grünen Wasserstoff angewiesen. Die Stahlwerker aus Niedersachsen gehen davon aus, dass ein Großteil des Wasserstoffs importiert werden muss. Selbst dafür fehlen aber noch Schiffe, Häfen und Leitungen. Der technische Direktor Castagnet bleibt trotzdem optimistisch: "Als Stahlwerker haben wir immer irgendwelche Herausforderungen", sagt Castagnet. "Wenn wir als Ingenieure sie nicht lösen, gehen wir unter."