Produktion ohne CO2-Emissionen Wie Thyssenkrupp "grünen" Stahl herstellen will
Alleine bei der Stahlproduktion in Duisburg entsteht 2,5 Prozent des in Deutschland ausgestoßenen Kohlendioxids. In wenigen Jahren will Thyssenkrupp Stahl klimafreundlich herstellen. Dafür zahlt das Land NRW hohe Subventionen.
Wenn die beiden ranghöchsten Repräsentanten des Bundes und der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslands gemeinsam ein Industrieunternehmen besuchen, müsste es eigentlich etwas ganz Besonderes, Neues, Innovatives zu sehen geben. Aber im Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg gibt es das eigentlich nicht - noch nicht.
Doch trotzdem konnten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (sie ist Bundestagsabgeordnete für Duisburg) und NRW-Regierungschef Hendrik Wüst gestern am tischgroßen Modell einen Blick in die Zukunft der Stahlproduktion werfen. Ab Ende 2026 soll in Duisburg "grüner" Stahl produziert werden - grün, weil bei seiner Produktion kein klimaschädliches Kohlendioxid entsteht, denn Thyssenkrupp setzt als Energieträger auf Wasserstoff, der mit regenerativen Energien hergestellt werden soll.
Verkauf der Stahlsparte stockt
Rund zwei Milliarden Euro soll die neue Direktreduktionsanlage kosten. Kohlendioxid einzusparen bei der Stahlproduktion sei eine Riesenaufgabe, sagte Steinmeier. Er habe ganz großen Respekt vor denen, die diese Aufgabe auf sich nehmen.
Dabei blickt er auf die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie das Management, das gerade noch ganz andere Sorgen hat. Thyssenkrupp will seine Stahlsparte eigentlich verselbstständigen, am liebsten verkaufen. Denn das Stahlgeschäft ist starken zyklischen Schwankungen unterworfen. Und meistens spielten diese Zyklen in den vergangenen Jahren Thyssenkrupp nicht in die Karten. Vor Martina Merz waren schon zwei andere Vorstandschefs gescheitert, weil sie keine Lösung finden konnten.
Nun hat es sie getroffen: Sie hat vor zwei Wochen von sich aus gekündigt, um einer Entlassung zuvorzukommen. Ihr Nachfolger, der frühere Siemens-Manager Miguel Ángel López Borrego, wird am 1. Juni sein Amt antreten. Doch beim Gang durchs Werk darf noch Merz den Bundespräsidenten begleiten.
Größte Einzelinvestition eines Bundeslands
Am Modell der Direktreduktionsanlage lässt sich Steinmeier die Technik erklären. Das Eisenerz soll durch den Einsatz von Wasserstoff vom Sauerstoff befreit, also reduziert werden. Auf Kohle wird an diesem "Wasserstoff-Hochofen" verzichtet. Erstellen wird die Anlage die SMS-Group aus dem siegerländischen Hilchenbach, ein Spezialist für Hütten- und Walzwerktechnik.
Dass Kunde und Auftraggeber beide aus Nordrhein-Westfalen stammen, erfreut besonders den Ministerpräsidenten. Wüst betont dann auch, dass seine schwarz-grüne Regierung bis zu 700 Millionen Euro Subventionen bereitstellt, das sei die größte Einzelinvestition, die ein Bundesland jemals getätigt habe.
Der Dank der Thyssenkrupp-Belegschaft sei ihm sicher, daran lässt Betriebsratschef Tekin Nasikkol keinen Zweifel. Solch eine schnelle Auftragsvergabe habe er selten erlebt, man könne die Aufbruchsstimmung der Arbeiter förmlich spüren: "Unsere Beschäftigten gehen diesen Weg voller Elan. Wir sind davon überzeugt, dass Klimaneutralität ohne Deindustrialisierung einhergehen kann. Dafür stehen wir hier in Duisburg."
Mangelware "grüner" Wasserstoff
Nun bleibt vor allem die Frage, woher der viele "grüne" Wasserstoff, der benötigt wird, kommen soll. Sopna Sury, die bei RWE Generation das Vorstandsressort für Wasserstoff leitet, macht Hoffnung: Aus Skandinavien werde viel über Pipelines kommen können, perspektivisch auch aus anderen Erdteilen - und irgendwann auch aus den jetzt schnellstens auszubauenden regenerativen Erzeugungsmöglichkeiten bei uns. Doch für den Übergang wird man immer noch auf Erdgas beziehungsweise auf Flüssigerdgas (LNG) angewiesen sein. Die neue Thyssenkrupp-Anlage wird daher zunächst mit diesen fossilen Energieträgern betrieben werden müssen.
Der neue "grüne" Stahl wird zumindest in der Anfangsphase deutlich teurer sein als der auf Basis von Kohle hergestellte. Daher müsse sichergestellt werden, dass er auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig sei, betonte Steinmeier. Ob er dann unter dem Label Thyssenkrupp oder einem anderen verkauft wird, kann noch keiner voraussagen: Diese große Unsicherheit, wer bald das Sagen in Deutschlands größtem Stahlwerk haben wird, konnte auch der Besuch des Bundespräsidenten nicht beseitigen.