Produktion von "grünem" Wasserstoff Warum Marokko für die Energiewende wichtig ist
Marokko soll künftig Deutschland mit "grünem" Wasserstoff versorgen. Das Land hat, was es dafür braucht: Sonnenstunden en masse, ein riesiges Solarkraftwerk im Wüstensand - und ehrgeizige Pläne.
Im bergigen Norden des Königreichs drehen sich Windräder, im Süden glänzen die Photovoltaikzellen eines der größten Solarfelder der Welt in der brennenden Wüstensonne. Szenen, die verdeutlichen, warum Marokko in Sachen grüner Energie als Afrikas Vorreiter gilt.
Im Klimaschutz-Index 2023 belegt das Königreich Platz sieben, einen Spitzenplatz dicht hinter Ländern wie Dänemark und Schweden. "Grüne" Energie aus Wasser, Wind und Sonne: Damit deckt Marokko heute schon 20 Prozent seines Energiebedarfs. Das Land habe noch ambitionierte Pläne, sagt der marokkanische Energieexperte Rahal Lagnaoui.
"Es gibt mehr als zehn Stunden Sonnenschein pro Tag, manchmal zwölf Stunden", so Lagnaoui. "Deshalb ist es auch Marokkos Ziel, den Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch bis 2030 auf 52 Prozent zu erhöhen, im besten Fall sogar 86 Prozent zu erreichen. Gleichzeitig wächst der Energiebedarf in Marokko jährlich um 6 Prozent."
Marokko will Weltmarktführer werden
Mit der Energiewende den eigenen wachsenden Energiehunger stillen - und noch mehr. Marokko hat ein neues ehrgeiziges Ziel: Weltmarktführer werden in der Produktion von "grünem" Wasserstoff, und das mit deutscher Unterstützung. Der marokkanische "grüne" Wasserstoff soll - so will es auch die Bundesregierung in Berlin - bei der Energiewende helfen; so die Idee des deutsch-marokkanischen Wasserstoffabkommens.
Es sieht vor, dass Marokko der erste Produzent von "grünem" Wasserstoff auf dem afrikanischen Kontinent wird. Dafür soll die deutsche Entwicklungsbank KfW den Bau einer Wasserstoffanlage in Marokko mit voraussichtlich mehr als 300 Millionen Euro unterstützen. Ab 2025 soll der erste "grüne" Wasserstoff in Marokko produziert werden. Mit dem deutschen Investment treibt Marokko seine Energiewende voran; Deutschland erhält in Zukunft im Gegenzug marokkanischen "grünen" Wasserstoff.
Partner nicht nur für Europa
Das gemeinsame Projekt liege auch im Interesse marokkanischer Energiepolitik, sagt Samir Rachidi, stellvertretender Chef des staatlichen Forschungsinstitut für Solarenergie und neue Energien (IRESEN): "Die Idee ist nicht, Marokko zum zukünftigen 'Wasserstoff-Russland' zu machen, sondern zu einem wichtigen Akteur, mit dem wir 'grünen' Wasserstoff mit hoher Wertschöpfung und zu geringen Kosten wettbewerbsfähig und kurzfristig produzieren können. Und das ist eine große Herausforderung für Marokko, vor allem für ein Land, das sich wirtschaftlich und kommerziell entwickeln und wachsen will."
Mit der deutsch-marokkanischen Allianz könne Marokko seine eigene Energiewende vorantreiben, und somit auch seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und den Import fossiler Energie verringern. Die geografische Nähe, bereits bestehende Strom- und Gas-Verbindungen und neue Pipeline-Projekte in den westafrikanischen Staaten: Marokko sei deswegen für Deutschland und Europa ein attraktiver Partner.
Das Wasser ist knapp
Marokkos politischer Wille ist groß. Das Königreich hat aber auch ein Problem: Wasserknappheit. Der Klimawandel führt dazu, dass Marokko immer längere Dürreperioden erlebt, mit verheerenden Auswirkungen für die Landwirtschaft und Bevölkerung. Die deutsche Entwicklungsbank in Marokko schreibt dazu:
Marokko gehört zu den wasserärmsten und vom Klimawandel stark betroffenen Ländern. In den letzten Jahren stieg die Wassernachfrage vor allem in der Landwirtschaft erheblich - Folge ist eine anhaltende Übernutzung der Grundwasserressourcen.
Für den begehrten "grünen" Wasserstoff braucht es aber nicht nur grüne Sonnenenergie, sondern eben auch die knappe Ressource Wasser. Könnte Europas Energiehunger durch die Projekte mit Marokko diese Wasserknappheit also noch verschärfen?
Im ganzen Land entstehen Entsalzungsanlagen
Der Herausforderung Wasserknappheit sei sich Marokko bewusst, sagt IRESEN-Vize Rachidi: "In der Tat leidet Marokko im Kontext der Folgen des Klimawandels unter anderem unter zunehmender Wasserknappheit, die beginnt, systemisch zu werden. Und insofern kommt für die Produktion von Wasserstoff natürlich kein Trinkwasser oder Wasser aus Grundwasser in Frage", so der Exprte. "Die Idee ist eigentlich, ausschließlich entsalztes Meerwasser zur Wasserstofferzeugung zu verwenden. Ich denke, dass diese Wasserentsalzung auch zulassen wird, dass wir Trinkwasser - sogar Bewässerungswasser - zu niedrigen Kosten produzieren."
Auch dafür baut Marokko neue Meerwasser-Entsalzungsanlagen im ganzen Land. An solchen Projekten beteiligen sich auch die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die deutsche Entwicklungsbank KfW. Die KfW investiert aktuell rund 700 Millionen Euro in den marokkanischen Wassersektor. Der marokkanische und deutsche Staat hoffen mit ihrer Wasserstoff-Partnerschaft auf eine "Win-Win-Situation".