Unternehmer Alfried Krupp Krupp-Stiftung lässt NS-Vergangenheit aufarbeiten
Lange war wenig über Alfried Krupps Verhältnis zu den Nationalsozialisten bekannt. Ein Forschungsprojekt der Krupp-Stiftung offenbart nun, wie tief der Stahlunternehmer in den Nationalsozialismus verstrickt war.
Die Beteiligung des Stahlkonzerns Krupp an den Verbrechen der Nationalsozialisten ist heute weithin bekannt. Das Unternehmen betätigte sich im Zweiten Weltkrieg nicht nur als Waffenproduzent für den deutschen Angriffskrieg - in den Krupp-Werken wurden auch Tausende Zwangsarbeiter ausgebeutet, darunter KZ-Häftlinge.
Laut Golo Mann "eine ziemliche Null"
Welche Haltung der damalige Konzernchef Alfried Krupp gegenüber den Nationalsozialisten hatte, blieb jedoch lange unklar. In den 1970er-Jahren versuchte sich der Historiker Golo Mann an einer Krupp-Biographie. Sein Fazit: Der letzte Krupp sei "nicht böse, aber eine ziemliche Null gewesen". Auch aktuellere Darstellungen geben kaum Aufschluss über Krupps Haltung zum Nationalsozialismus. Sie zeichnen vielmehr das Bild einer blassen, politisch kaum fassbaren Unternehmerpersönlichkeit.
Aus diesem Grund hat die Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung im vergangenen Jahr ein Forschungsprojekt zu den NS-Verstrickungen von Alfried Krupp in Auftrag gegeben. Ein Team unter Leitung des Marburger Historikers Eckart Conze hat mehr als ein Jahr lang zahlreiche Archive durchforstet. Die Ergebnisse der Recherchen wurden nun in Essen vorgestellt.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, geboren 1907, übernahm im Jahr 1943 als Alleininhaber die Friedrich Krupp AG in Essen. Im Zuge des Nürnberger Krupp-Prozesses wurde er 1948 zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. In der Urteilsbegründung wurde ihm insbesondere die Ausbeutung von Zwangsarbeitern während des Zweiten Weltkriegs zur Last gelegt.
Nach seiner vorzeitigen Begnadigung übernahm Krupp 1953 wieder die Leitung des Unternehmens. Krupp verpflichtete sich, keine Waffen mehr zu produzieren. Zugleich ernannte er Berthold Beitz zum Generalbevollmächtigten. Beitz hatte zuvor als Manager in der Ölindustrie mehrere jüdische Menschen vor der Deportation gerettet. Alfried Krupp starb 1967 in Essen.
Gute Kontakte zu Mitgliedern des NS-Regimes
Aus dem Abschlussbericht ergibt sich, dass Alfried Krupp Mitglied in mehreren NS-Organisationen war. 1931 wurde er Fördermitglied der SS, 1938 trat er der NSDAP bei. Dieser Beitritt erfolgte jedoch nicht aus eigener Initiative, sondern "auf direkte Anordnung Hitlers", so der Bericht. Von dem vergleichsweise späten Parteibeitritt Krupps lässt sich jedoch nicht auf eine skeptische, gar ablehnende Haltung gegenüber der NSDAP schließen.
Ganz im Gegenteil fanden die Historiker Hinweise dafür, dass Alfried Krupp gute Kontakte zu Rüstungsminister Albert Speer und anderen hohen Mitgliedern des NS-Regimes unterhielt. Von seiner Unterstützung für die Nationalsozialisten versprach er sich auch wirtschaftliche Vorteile. Krupp sei Teil einer Wirtschaftselite gewesen, "die bereit war, deutsche Kriegserfolge und Besatzungsherrschaft zum eigenen Vorteil auszunutzen".
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (Anklagebank, hinten links) während des Krupp-Prozesses in Nürnberg 1947
Konzern beutete massenweise Zwangsarbeiter aus
Kaum ein deutsches Unternehmen beschäftigte im Zweiten Weltkrieg so viele Zwangsarbeiter wie die Firma Krupp. Die häufig genannte Zahl von 100.000 Menschen ist nach Auffassung der Historiker deutlich zu niedrig angesetzt, "nicht nur weil der Faktor Fluktuation bisher nicht ausreichend gewichtet wurde, sondern auch, weil zum Konzern gehörende Unternehmen in den Konzernstatistiken fehlen, die Zwangsarbeiter beschäftigten".
Die Krupp-Chefetage plante wohl auch bewusst mit Zwangsarbeitern. Für die Auswahl der Produktionsstandorte in Markstädt und Auschwitz sei die Verfügbarkeit von KZ-Zwangsarbeitern sogar "der entscheidende Faktor gewesen". Ihre katastrophalen Lebensumstände seien Alfried Krupp zwar bekannt gewesen, für ihn habe jedoch "das Interesse an der Arbeitskraft" im Mittelpunkt gestanden.
Nähe zu Nazis auch nach dem Krieg
Auch nach seiner Haft und der Rückkehr an die Konzernspitze im Jahr 1953 unterhielt Alfried Krupp weiterhin Kontakte zu bekannten Nationalsozialisten, darunter Fritz Schleßmann, ehemals SS-Obergruppenführer und stellvertretender Gauleiter von Essen.
Zusammen mit anderen Unternehmen aus der Eisen- und Stahlindustrie beteiligte er sich außerdem an der sogenannten "Landsberg-Hilfe", mit der Ex-Häftlinge der Haftanstalt in Landsberg unterstützt wurden. Mehr als die Hälfte hatte SS-Hintergrund und mehr als ein Drittel waren wegen Verbrechen in Konzentrationslagern verurteilt worden. Zwischen 1951 und 1957 kamen so 100.000 D-Mark zusammen.
Krupp-Stiftung will Projekt fortsetzen
Vor diesem Hintergrund mag es nicht überraschen, dass das Team unter Leitung des Marburger Historikers Conze bei Alfried Krupp keine "Anzeichen einer kritischen Selbstreflektion" finden konnte. Gleichwohl betonen die Historiker die Notwendigkeit weiterer Forschung.
Auch deshalb soll das Projekt fortgesetzt werden. In einem Sammelband sollen Krupps Sozialisation durch seine Familie, seine Rolle als Unternehmer und Privatperson genauer beleuchtet werden. Die Krupp-Stiftung will das Projekt, das auf zwei Jahre ausgelegt ist, mit bis zu 150.000 Euro fördern.