Düstere Aussichten der Baubranche "Die Lage ist dramatisch"
Der Wohnungsbaugipfel hat gezeigt: Die Krise ist vielschichtig. Verunsicherung über die Heizungsregeln hat dazu beigetragen, dass jetzt schon klar ist: Auch 2024 dürfte der Bau darniederliegen.
Hans-Jürgen Lenz geht durch die Hans-Böckler-Straße im Ludwigshafener Ortsteil Oggersheim. Auf einer Seite reiht sich eine Wohnanlagen an die andere - klassischer 1960er-Jahre-Bau, schlicht, schnörkellos und auch nach Jahrzehnten solide. Lenz arbeitet für die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GAG und kümmert sich um den Bestand der Firma.
Lenz will sich eine Wohnung anschauen, die gerade renoviert wurde. Er öffnet die Tür und schaut mit sorgenvollem Blick auf die Heizungsanlage. "Wenn das Ding demnächst vielleicht kaputt geht: was dann?", fragt der Bauingenieur. Die Wohnung hat zwei Gaseinzelöfen und einen Gasdurchlauferhitzer.
"Wirtschaftlich nicht vertretbar"
Nach dem neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Bundesregierung dürfen hier ab nächstem Jahr nur noch ganz bestimmte Gasheizungen eingebaut werden. Und für die Installation von Wärmepumpen wären Umbaumaßnahmen nötig. "Die Wohnungen in diesem Gebäude werden mit Gas beheizt. Wenn wir eine Wärmepumpe einbauen würden, hätten wir zunächst ein energetisches Problem."
Zunächst müsste sehr viel Geld in die energetische Sanierung investiert werden. "Das geht los bei dem Hausanschluss für Strom, der deutlich verstärkt werden müsste. Dann müssten wir das Dach, die Fassade und den Keller dämmen." Danach wären die einzelnen Wohnungen mit neuen Leitungen, Heizkörpern und Fenstern mit Dreifachverglasung dran. Lenz rechnet mit rund 2.500 Euro pro Quadratmeter. "Das ist wirtschaftlich nicht vertretbar - weder für den Mieter, noch für uns als Unternehmen."
Für Mieter zu viel, für Vermieter zu wenig
Mieter zahlen derzeit für die Wohnung 5,60 Euro kalt pro Quadratmeter. Die GAG darf die Miete auch bei energetischer Sanierung nicht beliebig erhöhen. Lenz erklärt die Gesetzeslage: "Wir dürfen acht Prozent der Kosten auf den Mieter umlegen. Wenn der Mieter unter sieben Euro Miete zahlt, dürfen wir wegen der Kappungsgrenze maximal zwei Euro pro Quadratmeter erhöhen. Für den Mieter ist das sehr viel Geld. Es deckt aber auch unsere Umbaukosten nicht annähernd ab."
Und ab welcher Miethöhe wären die Ausgaben für GAG wieder in der Kasse? Lenz schüttelt mit dem Kopf: "Dann kämen wir bei 13 bis 14 Euro Miete raus. Wer soll das bezahlen?" Die GAG verwaltet in Ludwigshafen rund 13.000 Wohnungen. Etwa ein Drittel davon ist auf dem Stand wie in der Hans-Böckler-Straße.
Neubau mit der Wärmepumpe
Etwas außerhalb von Ludwigshafen errichtet die GAG derzeit eine größere Wohnanlage mit 146 Wohnungen am Erfurter Ring. Auf der Baustelle fahren Bagger umher, Kräne drehen sich, Häuser sind eingerüstet. Dämmplatten liegen davor. Klaus Schäffner leitet bei der GAG den Bereich Planen und Bauen.
Er geht in einen Keller und zeigt auf mehrere Wärmepumpen. "Das ist eine Anlage nach den modernsten Standards. Mit diesem Neubau können wir bei der CO2-Reduzierung aktiv mitwirken. Da sind wir auch wenig stolz drauf." Hier funktioniert das Konzept mit der Wärmepumpe: im Neubau.
Gestrichene Förderung lässt Kosten steigen
Das Bauprojekt startete vor einem guten Jahr und kostet insgesamt 41 Millionen Euro. Neben einem zinsgünstigen Darlehen hat die staatliche Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 3,6 Millionen Euro zugeschossen. Das alte Förderprogramm KF55 ist inzwischen gestrichen. Ohne die Förderung hätte die GAG aber nicht bauen können - so angespannt war die Marktlage schon damals.
"Die derzeitigen Rahmenbedingungen machen alles viel schwerer als noch vor zwei Jahren", so Schäffner. "Die Anforderungen an energetisches Bauen steigen permanent. Die Wirtschaftlichkeit ist immer schwerer zu erreichen. In Summe ist Bauen inzwischen praktisch unmöglich."
In der neuen Wohnanlage werden die Wohnungen für einen Quadratmeterpreis von 6,40 Euro angeboten werden. Den Druck aus dem Immobilienmarkt wird die Anlage aber nicht abfedern können, denn seit 2016 hat sich die Nachfrage nach Wohnraum in Ludwigshafen vervierfacht, wie Schäffner erzählt. Aber schafft das neue Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung nicht Klarheit? "Nein", antwortet Schäffner. "Das ist tatsächlich ein Sargnagel für den Neubau."
Immer mehr Vorgaben, immer weniger Bauvorhaben
Nicht nur der Neubau verzeichnet einen dramatischen Einbruch; auch die Nachfrage nach Wärmepumpen ist eingebrochen. In den ersten acht Monaten dieses Jahres seien die Anträge auf eine staatliche Förderung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 70 Prozent gesunken, erklärt der Bundesverband Wärmepumpe.
Verantwortlich sei die Heizungsdebatte der vergangenen Monate und die Verunsicherung über die ab 2024 geltenden Förderregeln. Gleichzeitig ist nach einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft PwC im ersten Halbjahr die Zahl neuer Gasheizungen um fast 30 Prozent gestiegen, der Absatz neuer Ölkessel habe sich sogar mehr als verdoppelt.
Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der deutschen Bauindustrie, überrascht die Gesamtentwicklung nicht. "Märkte brauchen Verlässlichkeit. Nur dann werden Investoren in den Markt investieren. Das, was wir in den letzten Wohnungen mit der GEG-Novelle erlebt haben, hat nicht dazu beitragen, dass es mehr Sicherheit am Markt gibt." Müller zieht ein bittere Gesamtbilanz: "Die Lage ist dramatisch. Wir haben rücklaufende Auftragseingänge. Wir haben viele Unternehmen, die seit Jahresanfang keine neuen Aufträge mehr bekommen haben."
Schnell neue Förderprogramme?
Angesichts eines Einbruchs bei der Nachfrage haben Verbände Anstrengungen gefordert, um den Absatz von Wärmepumpen anzukurbeln. Sollte die Bundesregierung bei der Förderung nicht bald nachbessern, werde man das gesteckte Ziel von 500.000 Wärmepumpen deutlich verfehlen. Davor warnten die Spitzenverbände der Heizungsindustrie BDH und des Sanitär-, Heizungs- und Klima-Fachhandwerks ZVSHK vor einigen Tagen anlässlich des "Wärmepumpengipfels" bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Die Verbände fordern, die neue Förderkulisse für den Heizungstausch müsse schnellstens kommen. Der in Wärmepumpen genutzte Strom sei gemessen am Gaspreis auch heute noch zu hoch. Verbraucherschützer erklärten, die Regierung müsse eine "ausreichende finanzielle Unterstützung sicherstellen, damit auch Haushalte mit geringem Einkommen die Investitionskosten für eine Wärmepumpe stemmen können".
Fachkräfte fehlen
Doch auch im Handwerk fehlen die dafür nötigen Fachkräfte. Zudem seien oftmals auch intensive und langwierige Nachschulungen der vorhandenen Mitarbeiter nötig. Viele kleine und mittlere Betriebe seien bislang auf Gas- und Ölheizungen ausgerichtet, so der Sprecher des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima (SHK). In Deutschland fehlen derzeit etwa 60.000 Sanitär- und Heizungsinstallateure.
Und wie ist der Ausblick? "Die Lage für das nächste Jahr ist ähnlich schlecht wie in diesem Jahr. Was jetzt nicht bestellt oder genehmigt wird, dass können wir auch nicht bauen", erklärt Hauptgeschäftsführer Müller. "Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr deutlich unter 250.000 fertiggestellte Wohnungen rutschen - vielleicht sogar unter die 200.000-Marke. Es ist toxisch, wenn wir nicht wissen, wie am Ende Gebäude wärmetechnisch ausgestattet werden." Die Bundesregierung hält derweil am Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr fest.