EH-40-Standard Habeck rückt von stärkerer Dämmung neuer Häuser ab
Kurz vor dem heutigen Baugipfel hält es Wirtschaftsminister Habeck "nicht mehr für nötig" den Standard EH 40 bei der Dämmung von Neubauten einzuführen. Seine Partei wie auch die SPD fordern zudem, Mieter besser zu schützen.
Vor dem Wohnungsgipfel im Kanzleramt rückt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von geplanten Klimaschutzvorgaben zur stärkeren Dämmung neuer Häuser ab. "Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes ist sichergestellt, dass Neubauten ab 2024 klimafreundlich heizen. Deshalb halte ich es nicht mehr für nötig, jetzt auf die Schnelle den neuen Standard EH 40 einzuführen", sagte der Grünen-Politiker, der auch Klimaschutzminister ist, der Nachrichtenagentur Reuters.
"Das kann noch warten, vor der EU-Gebäuderichtlinie macht es auch keinen großen Sinn." Er sehe diesen neuen Standard in dieser Legislaturperiode nicht mehr. Die von der Baubranche immer wieder kritisierten Pläne werden damit wohl bis Ende 2025 nicht kommen.
Habeck will klimaschonende Baustoffe in den Blick nehmen
Bauexperten argumentieren, noch strengere Vorgaben zur Dämmung von Neubauten seien sehr teuer, ohne aber für deutlich mehr Klimaschutz zu sorgen. Habeck sagte, es gehe jetzt darum, stärker die Baustoffe in den Blick zu nehmen, sodass diese möglichst klimafreundlich seien. "Bei der für 2024 geplanten Novellierung des Vergaberechts werden wir deshalb dafür Sorge tragen, dass Nachhaltigkeitskriterien unbürokratischer, einfacher und dadurch besser zum Tragen kommen."
Beim EH-40-Standard brauchen Neubauten nur 40 Prozent der Primärenergie im Vergleich zu einem Standardbau. Das wird nun nicht umgesetzt. Es bleibt damit beim Effizienzhaus-Standard EH 55, der derzeit wegen der staatlichen Förderung de facto der Standard für Neubauten ist. "Im Vergleich zum gesetzlichen Neubaustandard ist das KfW 55 Haus um 45 Prozent sparsamer", so die staatliche Förderbank KfW auf ihrer Homepage.
Zugeständnis an die kriselnde Baubranche?
Wegen der aktuellen Krise der Baubranche hatte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) bereits die Verschärfung der Energiestandards infrage gestellt. EH 40 sollte eigentlich ab Anfang 2025 vorgeschrieben werden. Die Abkehr davon ist wohl auch ein Zugeständnis an die kriselnde Baubranche.
Im ersten Halbjahr 2023 sind die Baugenehmigungen um gut 27 Prozent eingebrochen. Die Baupreise waren im zweiten Quartal um knapp neun Prozent zum Vorjahr gestiegen. Vor allem Projektentwickler stehen mit dem Rücken zur Wand und kämpfen in vielen Fällen ums Überleben.
Bezahlbarer Wohnraum und Impulse für die Branche
Die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte zuletzt bereits bessere Abschreibungsmöglichkeiten auf den Weg gebracht. In der Immobilienbranche hieß es am Wochenende, bei der Wohneigentumsförderung von Familien soll die Einkommensgrenze von 60.000 auf vermutlich 80.000 Euro erhöht werden.
Die Branche kritisierte, es gebe aber insgesamt nur kleinteilige Hilfsmaßnahmen der Regierung. Habeck sagte Reuters, die hohen Zinsen und die Inflation seien eine schwere Belastung für die Branche. "Aufträge brechen ein und für so manche Familie droht der Traum von eigenen Haus zu platzen. Das alles in einer Phase, in der Wohnraum knapp ist und teuer." Deshalb müsse bezahlbarer Wohnraum in den Mittelpunkt gestellt werden.
Genauso wichtig sei es, gezielte Impulse für die Baubranche zu setzen, etwa indem steuerliche Anreize geschaffen werden, um Investitionen vorzuziehen. "Auch gezielte Sanierungsanreize sind nötig und werden kommen", sagte der Minister. "Das kann die Baukonjunktur anschieben und Fläche und Energiekosten bei bestehenden Gebäuden sparen." Belohnt werden sollen laut Habeck zügige Investitionen. "Langes Warten rechnet sich weniger."
Neubau laut Grünen nur ein Teil der Lösung
Aus Habecks Partei wurden zudem Rufe nach einer Stärkung der Rechte von Mieterinnen und Mietern sowie einer Verschärfung der Mietpreisbremse laut. "Dieses Land braucht eine Mieterschutzoffensive für bezahlbares Wohnen. Es heißt jetzt, Fortschritte zu machen bei der Mietrechtsreform, der Verschärfung von Mietpreisbremse und Kappungsgrenze und der Begrenzung von Indexmieten", sagte Parteichefin Ricarda Lang den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Neubau sei bei der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt nur ein Teil der Lösung.
Die Fraktionschefin der Grünen, Katharina Dröge, sagte den Zeitungen, die Verlängerung der Mietpreisbremse sei im Koalitionsvertrag vereinbart und müsse endlich auf den Weg gebracht werden. "Angesichts der hohen Inflation werden sogenannte Index-Mietverträge für Mieter zum Problem. Diese zu regulieren schafft Sicherheit und Gerechtigkeit."
"Oft kaum Geld für was anderes"
Auch aus der SPD wurden Forderungen nach einem stärkeren Mieterschutz laut. "Mieter zahlen schon heute einen Großteil ihres verfügbaren Einkommens fürs Wohnen - da bleibt oft kaum Geld für was anderes", sagte die erste parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, der Nachrichtenagentur AFP. "Wir brauchen endlich einen großen Aufschlag beim Mieterschutz", doch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) habe noch nicht geliefert.
Im Koalitionsvertrag sei unter anderem vereinbart worden, die Kappungsgrenze, welche die zulässige Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren festlegt, in Gegenden mit angespanntem Wohnungsmarkt von 15 auf elf Prozent abzusenken und den Betrachtungszeitraum für den Mietspiegel zu verlängern.
"Solche Gesetze zu machen, ist kein Hexenwerk", sagte Mast. Buschmanns mutmaßliches Nichtstun grenze daher an Arbeitsverweigerung. Darüber hinaus forderte die SPD-Politikerin weitere Maßnahmen, etwa um die Umgehung der Mietpreisbremse zu verhindern. Bei der Kappungsgrenze würde sie noch über den Koalitionsvertrag hinausgehen und einen "bundesweiten Mietenstopp" verhängen. "Damit dürften die Mieten in besonders angespannten Gegenden für drei Jahre nur um maximal sechs Prozent steigen."