Kriselnder Immobilienmarkt Verbände verweigern Teilnahme am Wohngipfel
Vor dem geplanten Wohngipfel am Montag im Kanzleramt kündigen Vertreter einen Boykott des Treffens an. Die hohen Kosten der Baubranche werden zunehmend zum Problem für die gesamte Wirtschaft.
Seit Monaten wird über die gestiegenen Kosten der Baubranche diskutiert, nun will die Regierung mit einem Hilfspaket reagieren. Doch für die beiden Verbände GdW und Haus&Grund kommen die Angebote zu spät: Vor dem Wohnungsgipfel im Kanzleramt am Montag kündigten sie an, nicht an dem Treffen teilzunehmen.
Der Wohngipfel im Kanzleramt mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz soll für Impulse für den angeschlagenen Wohnungsbau sorgen. Doch viele Vertreter der Branche halten deutlich mehr für nötig.
Verbände kritisieren zu wenig Rederecht und Einfluss
"Wir verstehen nicht, warum nicht viel früher reagiert wurde", sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Haus&Grund-Präsident Kai Warnecke sprach bezüglich der Absage von einem notwendigen Signal an die Regierung: "Es kann nicht so weitergehen." So verteuere die Regierung etwa den Neubau mit dem beschlossenen Heizungsgesetz noch zusätzlich.
Beide Verbände betonten, bei dem Treffen am Montag zu wenig Rederecht und Einfluss auf die Agenda zu haben. Eine Mitarbeit an dem geplanten Hilfspaket für die Branche mit dem Kanzleramt sei nicht möglich gewesen.
"Eine toxische Mixtur"
Die gesamte Baubranche leidet nach dem starken Zinsanstieg infolge der hohen Inflation unter Finanzierungsschwierigkeiten. Im ersten Halbjahr 2023 waren die Baugenehmigungen um gut 27 Prozent eingebrochen. Allein im zweiten Quartal stiegen die Baupreise um knapp neun Prozent zum Vorjahr an. "Weiter steigende Zinsen und immer höhere Baukosten ergeben eine toxische Mixtur", erklärte heute Andreas Mattner, Präsident des Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA).
Dabei sei allerdings zu betonen, dass der Staat für 37 Prozent der Kosten des Wohnraums verantwortlich sei, so Mattner. Weniger Staat bedeute mehr Freiraum der Immobilienbranche für einen schnellen Wohnungsbau - der jetzt dringender sei denn je. Es gehe um finanziellen und planerischen Spielraum.
Bauziel deutlich verfehlt
Denn die dramatische Entwicklung in der Projektentwicklung sei nicht nur für die Immobilienbranche besorgniserregend, sondern auch für die Gesamtwirtschaft, sagte IW-Experte Michael Voigtländer. "Die zurückgehende Bautätigkeit und die steigenden Insolvenzen in der Projektentwicklung stehen diametral zu den zunehmenden Baubedarfen." Würden jetzt Baukapazitäten abgebaut, könnte das den Mangel an Bautätigkeit seiner Ansicht nach über Jahre verfestigen.
Angesichts des vorherrschenden Wohnungsmangels in Deutschland ist dies besorgniserregend. Das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 neuen Wohnungen zu bauen, musste Bundesbauministerin Klara Geywitz bereits im Januar für das laufende Jahr für unerreichbar erklären. "Die Wohnungskrise ist Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Entwicklung", sagte Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland heute. Sieben Millionen Mieterhaushalte seien durch hohe Wohnkosten finanziell überbelastet.
"Unter den hohen Mieten leidet zunehmend auch die Wirtschaft, da Beschäftigte den Umzug scheuen und offene Stellen unbesetzt bleiben", mahnte Körzell. Das Kabinett hatte zuletzt beschlossen, dass der stockende Wohnungsbau mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten forciert werden soll. Das sogenannte Wachstumschancengesetz, in dem diese verankert sind, ist aber umstritten und dürfte im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat landen.
Immobilienpreise sinken
Hinzu kommt, dass sich immer weniger Menschen den Kauf einer Immobilie angesichts der hohen Kosten überhaupt leisten können. Das lässt die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland deutlich zurückgehen. Wohnungen und Häuser verbilligten sich im Schnitt um 9,9 Prozent gegenüber dem zweiten Vierteljahr 2022, wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte. Es war das stärkste Minus seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Gegenüber dem Vorquartal gingen die Preise um 1,5 Prozent zurück.
Sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Regionen sanken die Preise im Schnitt im zweiten Quartal. Dabei gingen sie in den Städten stärker zurück. Besonders deutliche Rückgänge im Vergleich zum Vorjahresquartal wurden in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf verzeichnet. Hier verbilligten sich Ein- und Zweifamilienhäuser um 12,6 Prozent, für Wohnungen mussten Käufer im Schnitt 9,8 Prozent weniger zahlen als ein Jahr zuvor.