Bauen und Wohnen Wird das Einfamilienhaus zum Auslaufmodell?
In Münster soll der Bau von freistehenden Einfamilienhäusern stark eingeschränkt werden. Weitere Städte könnten mitziehen, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen und umweltfreundlicher zu werden.
Markus und Sabine Klostermann haben sich und ihrer Familie einen Traum erfüllt: Wohnen im freistehenden Einfamilienhaus mit viel Platz für Eltern und Kinder. Seit drei Jahren wohnt die Familie in einem Neubaugebiet in Münster.
Vorher lebten sie immer in Mietwohnungen - für sie kein Vergleich, erzählt der Familienvater: "Der Reiz am Einfamilienhaus ist für mich ganz klar, dass wir uns individuell ausleben können. Wir konnten dieses Haus komplett von der grünen Wiese aus planen."
Weg vom freistehenden Einfamilienhaus
Dieser Luxus wird für Familien in Münster in Zukunft seltener werden, denn die Stadt will den Bau von freistehenden Einfamilienhäusern stark einschränken. Gerd Franke ist bei der Stadt für die Stadterneuerung zuständig. Er meint, der Fokus müsse ganz klar auf Reihen- und Mehrfamilienhäuser gelegt werden, um die Stadt für die Zukunft aufzustellen.
"Wir machen das insbesondere aus Klima- aber auch Umweltschutzgesichtspunkten, weil ein freistehendes Einfamilienhaus relativ viel Fläche verbraucht", so Franke. "Wir haben aber auch als Ziel vom Rat mit auf den Weg bekommen, dass jährlich 2000 neue Wohnungen in Münster gebaut werden sollen."
Um das zu schaffen, müsse man schlichtweg dichter bauen. Auf einem Hektar Baufläche könnten beispielsweise 25 freistehende Einfamilienhäuser Platz finden, rechnet Franke vor. Bei Doppel- oder Reihenhäuser wären es immerhin 50 Wohneinheiten - bei viergeschössigen Mehrfamilienhäusern ganze 160.
Ein Beispiel für andere Städte
Das freistehende Einfamilienhaus steht schon länger in der Kritik. Denn es braucht viel Platz, bietet aber nur vergleichsweise wenigen Menschen Wohnraum. Deshalb gibt es auch andernorts in Deutschland bereits ähnliche Regelungen wie in Münster. In Hamburg-Nord zum Beispiel, wo seit 2020 kein neues Einfamilienhaus mehr errichtet werden darf. Weitere Städte könnten nachziehen.
In Euskirchen beschäftigt sich der Stadtplaner Dietmar Strick mit zukunftsfähigem Wohnen. Auch er hält die Idee für die Stadt für sinnvoll: "Neubaugebiete werden ja fast immer ausschließlich für die Bebauung mit Einfamilienhäusern konzipiert. Das bedeutet einfach einen Riesen-Flächenbedarf."
NRW vielerorts zubetoniert
Diese Flächen seien einfach nicht da. Das zeigt das Beispiel Nordrhein-Westfalen gut. Laut Landesumweltministerium sind hier schon jetzt rund ein Viertel der Fläche mit Wohnhäusern, Straßen und Industrie zubetoniert. Jeden Tag würden weitere acht Hektar erschlossen - eine Fläche von mehr als elf Fußballfeldern.
Mit Mehrfamilienhäusern könne man die erschlossenen Neubaugebiete effizienter nutzen, so Stadtplaner Strick. Außerdem seien sie ressourcenschonender, denn: "Man braucht nur ein Dach, eine Bodenplatte, eine Erschließung, eine Heizungsanlage", erklärt er. "Die ganzen Fixkosten sind fast gleich - ob ich ein Einfamilienhaus baue oder ein Mehrfamilienhaus. Das heißt, ich brauche nicht nur weniger Fläche, sondern auch weniger Ressourcen und Energie und habe natürlich auch geringere Baukosten."
Kritik von Eigentümerverbänden
Eigentümerverbände kritisieren das Vorgehen in Städten wie Münster: "Einfamilienhäuser werden ja nicht gebaut, um die Umwelt zu bestrafen, sondern weil die Menschen so leben wollen. Weil es ein großes Bedürfnis ist, weil der Platzbedarf in engen Städten von der Wohnungsgröße gar nicht da ist", argumentiert Werner Fliescher vom Verband Haus & Grund Rheinland. Die persönliche Freiheit würde seiner Meinung nach zu sehr eingeschränkt.
Hauseigentümer und die, die es werden wollen, dürften das ähnlich sehen. Denn das Einfamilienhaus mit Garten, viel Privatsphäre und noch mehr Platz ist in Deutschland ein regelrechtes Sehnsuchtsobjekt und die mit Abstand beliebteste Wohnform. Nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie wünschen sich das immer mehr Menschen. 16 Millionen Einfamilienhäuser gibt es bereits in Deutschland - ein Rekord.
Bestandshäuser bleiben auf dem Markt
In Münster betreffe die Beschränkung aber nur Neubauten, unterstreicht Gerd Franke. Von einem Verbot von Einfamilienhäusern im Allgemeinen könne also nicht die Rede sein. Auch in Münster seien zwei Drittel der Häuser Einfamilienhäuser, und die blieben auch im Umlauf. Ältere Menschen zögen beispielsweise häufig aus ihren Häusern aus, welche so für Familien frei würden.
In ganz Deutschland ist die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser im vergangenen Jahr stark gesunken. Die Baubehörden genehmigten laut Statistischem Bundesamt 78.100 neue Einfamilienhäuser, 15.800 weniger als 2021. Die Zahlen für den Wohnungsbau sanken allerdings auch.