Eine Schleifscheibe wird in einer Zahnradprofilschleifmaschine befestigt.

Probleme der Maschinenbauer "Selbst die teure Schweiz ist inzwischen günstiger"

Stand: 10.12.2024 10:00 Uhr

Der Maschinenbau gehört zu den wichtigsten deutschen Branchen. Doch Betriebe leiden unter hohen Kosten und zu viel Bürokratie. Die Folge: Umsatzschwund und Stellenabbau. Viele Unternehmer fühlen sich von der Politik übergangen.

Geschäftsführer Patrick Clemens läuft durch eine große Halle seiner Firma. Hier lagern fertige Spezialmaschinen für Obst- und Weinanbau, bevor sie an die Kunden ausgeliefert werden. Ein großer Teil der turmhohen Regale ist aber leer. "Das ist leider Sinnbild für die aktuelle Krise. Jahrelang ist unsere Fertigung auf Hochtouren gelaufen. Das Lager war voll bis zur Decke. Derzeit haben wir größere Lücken, weil wir deutlich weniger Nachfrage haben", erklärt der 36-Jährige.

Patrick Clemens spricht mit einem Mitarbeiter in einer Werkshalle.

Krise auch bei ihm: Der Maschinenbau-Unternehmer Patrick Clemens mit Mitarbeitern in seiner Werkhalle.

Der Familienbetrieb in Wittlich steckt ebenso wie die gesamte Maschinenbaubranche in der Krise. In Zahlen heißt das bei Clemens konkret: Der Umsatz wird in diesem Jahr wohl um 20 Prozent zurückgehen. Der Betrieb ist deshalb in Kurzarbeit. "Die Abteilungen sind in einem unterschiedlichen Umfang davon betroffen - zwischen einem und mehreren Tagen pro Woche. Darüber hinaus haben wir alle Kosten auf den Prüfstand gestellt. Wir haben auch von dem Instrument der Frührente Gebrauch gemacht. Fünf Mitarbeiter sind jetzt im Ruhestand."

Fünf weitere mussten entlassen werden, weil nicht mehr genügend Arbeit da war. Statt zwei Schichten am Tag arbeitet derzeit nur noch eine Handvoll Mitarbeiter die wenigen Aufträge ab. Eine solche Lage wie jetzt hat die Belegschaft noch nicht erlebt. "Man macht sich generell Gedanken: Wie soll es weitergehen?", fragt etwa Konrad Weyers. "Die Leute haben Mieten zu bezahlen. Häuser zu bezahlen und letztendlich Angst um den Arbeitsplatz."

Deutlich weniger Aufträge

Aber was macht der Firma und der Branche insgesamt derzeit so zu schaffen? "Der Krieg gegen die Ukraine hat vieles verteuert - Energie, Stahl und viele andere Materialien wie etwa Glas. Das macht uns Unternehmern zu schaffen", so der Geschäftsführer. Die allgemeine Teuerung habe auch das Kaufverhalten der Menschen verändert. "Was die Menschen derzeit etwa zusätzlich bei der Butter ausgeben müssen, sparen sie bei anderen Dingen ein - etwa bei einer guten Flasche Wein."

Deutscher Maschinenbau erwartet für kommendes Jahr erneut sinkende Produktionszahlen

Axel John, SWR, tagesschau, 10.12.2024 17:00 Uhr

Trotz Krise hat die Firma in den vergangenen Jahren umfassend investiert - auch in Photovoltaik. Nachdem die Anlage fertig war, dauerte es aber nochmal ein halbes Jahr, bis endlich Strom erzeugt werden konnte. "Ich durfte lernen, dass die PV-Anlage noch zusätzlich zertifiziert werden musste. Dabei sollen wir doch alle umweltfreundlicher werden. Aber es gibt immer neue behördliche Vorgaben, und die schnelle Umsetzung im Unternehmen scheitert dann an bürokratischen Hürden bei den Behörden", erzählt Patrick Clemens, während er mit dem Kopf schüttelt. "Ich bin viel im Ausland unterwegs. Viele Mitbewerber lachen nur noch über den Standort Deutschland." 

Ernüchternde Jahresbilanz des Branchenverbands

Auch der Branchenverband im Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) legt heute eine ernüchternde Jahresbilanz vor. Danach gibt es 2024 Produktionsminus von acht Prozent. Die Aussichten sind ebenfalls enttäuschend. Und: Der Verband erwartet einen weiteren Rückgang von zwei Prozent im kommenden Jahr. Deshalb fordert VDMA-Präsident Bertram Kawlath eine Kehrtwende der Politik: "Schluss mit der Überregulierung, Schluss mit engen technologischen Vorgaben und auch Schluss mit der viel zu hohen Kostenbelastung am Standort Deutschland."

In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres habe es real acht Prozent weniger Bestellungen gegeben. Die Kapazitätsauslastung in den Betrieben sank zuletzt auf unter 80 Prozent. "Das ist eine deutliche Unterauslastung. Ein zunehmender Teil der Unternehmen ist nicht mehr in der Lage, die Produktion angesichts kräftig sinkender Orders durch ihre Auftragsbestände ausreichend abzupuffern", so Kawlath. Der VDMA sieht für das kommende Jahr aber leichte Hoffnungsschimmer: Sinkende Zinsen dürften nicht nur dem Konsum, sondern auch der Investitionsbereitschaft zugutekommen und so eine leichte konjunkturelle Erholung einleiten. Aber: Ein kräftiger Aufschwung sei nicht zu erwarten, so der VDMA.

Die meisten Firmen erwarten Stellenabbau

Das werde auch Folgen für den Arbeitsmarkt haben, so Kawlath. Laut einer aktuellen Branchen-Umfrage rechnen 61 Prozent der Unternehmen mit einem Stellenabbau in den kommenden zwölf Monaten. "Insbesondere große Unternehmen sind pessimistisch", bilanziert der VDMA-Präsident. "Unterm Strich rechnen wir mit einem leichten Stellenabbau im nächsten Jahr."

Als Konsequenz fordert der VDMA-Präsident die künftige Bundesregierung auf, den Mittelstand endlich wieder zu stärken. "Die Bundesregierung muss vor allem Bürokratie abbauen und für Kostenentlastungen sorgen!" Beitragspflichten müssten gestrichen, Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt, die Steuerlast für Unternehmen gesenkt werden. Auch Arbeitsmarktreformen seien nötig.

"Der Standort ist zu teuer"

In Wittlich ist heute auch Bernd Clemens in der Firma unterwegs. Nachdem er den Familienbetrieb vor zwei Jahren an seinen Sohn übergeben hat, berät er die neue Leitung immer wieder. Von einer Konjunkturflaute will Bernd Clemens nichts wissen. "Die Politik ignoriert, dass wir eine Rezession haben und versäumt für den Standort zu handeln. Es ist eine tiefe Strukturkrise", sagt Clemens Senior. Betriebe wanderten deshalb aus der Bundesrepublik ab. "Deutschland ist zu teuer. Die Produktionskosten sind zu hoch. Die Abgaben sind zu hoch. Die Auflagen sind zu hoch. Die Energiekosten sind zu hoch. Selbst die teure Schweiz ist inzwischen günstiger."

Ein Stockwerk tiefer ist Sohn Patrick noch in den Produktionshallen unterwegs. Er hofft auf eine neue Bundesregierung. "Aus meiner Sicht hat die Politik zuletzt zu sehr auf Großkonzerne gesetzt. Der Mittelstand wurde außen vor gelassen", klagt Patrick Clemens. "Wir erwarten, dass Beschlüsse, die mal getroffen wurden, eingehalten werden und nicht gleich wieder zerredet werden. Und: Lasst uns Unternehmer wieder frei handeln und entscheiden!"

Für das nächste Jahr ist der Maschinenbauer vorsichtig optimistisch. Der Betrieb will seine Geschäfte vor allem im Ausland ausbauen - etwa in der Türkei.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR aktuell am 14. Oktober 2024 um 16:00 Uhr.