Baugipfel in Berlin Was die Regierung gegen die Wohnkrise plant
Zunächst kein Dämmstandard EH 40, dafür Steuervorteile und ein höherer "Klimabonus": Mit insgesamt 14 Maßnahmen will die Ampelkoalition erreichen, dass wieder mehr gebaut wird. Die Branche debattiert darüber heute mit Kanzler Scholz.
Die Bundesregierung hat sich vor dem Wohnungsbaugipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf mehrere Schritte zur Schaffung von mehr Wohnraum geeinigt. Vorgesehen ist unter anderem, eine zuvor angepeilte Verschärfung der Energiestandards für Neubauten auszusetzen, wie aus einem 14 Punkte umfassenden Papier hervorgeht, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. "Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist eine der drängendsten sozialen Fragen unserer Zeit", heißt es zu Beginn des Schreibens.
Angesichts des schwierigen Umfelds für den Wohnungsbau und der hohen Zinsen und Baukosten "ist die Verankerung von EH 40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in dieser Legislaturperiode nicht mehr nötig und wird ausgesetzt", wird außerdem angekündigt. Den Energiesparstandard EH 40 hatte die Ampel im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbart. Die Baubranche hatte dies angesichts der stark gestiegenen Baukosten seit Monaten scharf kritisiert.
"Anspruchsvolle Sanierungsquoten" - aber keine Pflicht
EH 40 heißt: ein Bedarf von 40 Prozent der Energie eines Vergleichsneubaus. Zuletzt war auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) auf Distanz zu dem Vorhaben gegangen. In der Phase niedriger Zinsen seien bei Bund, Länder und Kommunen immer höhere Standards entwickelt worden, sagte sie im ARD-Morgenmagazin. "Jetzt müssen alle drei staatlichen Ebenen verstehen: Wir müssen die Standards senken und die Kosten runternehmen."
Bei entsprechenden Verhandlungen auf EU-Ebene will sich die Regierung zudem zwar "für anspruchsvolle Sanierungsquoten für den gesamten Gebäudebestand" einsetzen. Verpflichtende Sanierungen einzelner Wohngebäude soll es aber nicht geben.
Kredithöchstbeträge sollen angepasst werden
Bei Bauvorhaben soll es Steuervorteile durch besondere Abschreibungsregeln, die sogenannte Afa, geben.
Der "Klimabonus", der Hauseigentümer beim Tausch alter, fossiler gegen neue, klimafreundliche Heizungen fördert, soll erhöht und auch auf Wohnungsunternehmen und Vermieter ausgeweitet werden.
Den Ländern soll eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglicht werden. Im Zeitraum von 2022 bis 2027 sollen ihnen "Programmmtitel in Höhe von insgesamt 18,15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung" gestellt werden.
In Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten soll der Bau von bezahlbarem Wohnraum vereinfacht und beschleunigt werden. KfW-Förderprogramme sollen attraktiver ausgestaltet und erweitert werden.
Stärker und für mehr Familien will die Ampelregierung den Erwerb von Wohneigentum fördern. Die Kredithöchstbeträge werden demnach um 30.000 Euro und die Höchstgrenze beim zu versteuernden Einkommen von 60.000 Euro auf 90.000 Euro angehoben. Das noch junge Programm "Wohneigentum für Familien" war insbesondere wegen der bisherigen Einkommensgrenze kaum genutzt worden.
Grüne verweisen auf Mieterrechte
Auch soll die bereits angedachte sogenannte Wohngemeinnützigkeit im kommenden Jahr an den Start gehen. Dabei sollen Vermieter, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, steuerlich begünstigt und gefördert werden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte zuletzt eine Umsetzung der Pläne des Bauministeriums noch 2023 gefordert.
Zu dem im Bundeskanzleramt stattfindenden Gipfel werden neben Geywitz und Scholz über 30 Verbände und Vereine aus den beteiligten Branchen erwartet. Die Bundesregierung hatte im Frühjahr vergangenen Jahres das Bündnis bezahlbarer Wohnraum aus der Taufe gehoben. Das Gremium erarbeitete daraufhin Vorschläge und Maßnahmen für die Wohnungspolitik, unter anderem für das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen, und will nun Bilanz ziehen.
Die Grünen halten Neubau nur für einen Teil der Lösung und forderten mit Blick auf den Gipfel eine Stärkung der Mieterrechte. Parteichefin Ricarda Lang sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Es heißt jetzt, Fortschritte zu machen bei der Mietrechtsreform, der Verschärfung von Mietpreisbremse und Kappungsgrenze und der Begrenzung von Indexmieten." Ähnliches hatte auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, gefordert.