Luftangriffe im Libanon Israel will Hisbollah "keine Atempause" geben
Bei erneuten massiven Luftangriffen im Libanon hat das israelische Militär einen hochrangigen Hisbollah-Kommandeur getötet. Die Miliz schlägt zurück und versucht mit neuen Raketen Ziele tief in Israel zu treffen.
Nach den verheerendsten Angriffen auf den Libanon seit fast zwei Jahrzehnten hat das israelische Militär angekündigt, die Attacken noch weiter verschärfen zu wollen. "Die Lage erfordert anhaltendes, intensives Handeln auf allen Ebenen", sagte Israels Generalstabschef Herzi Halevi. Man wolle die Angriffe sogar noch verstärken und mehr Streitkräfte einsetzen. Der Druck müsse aufrechterhalten werden und man dürfe der Hisbollah keine Atempause gewähren, sagte Halevi nach Militärangaben.
Israels Luftwaffe griff nach eigenen Angaben erneut Dutzende Ziele im Libanon an, auch in Beirut gab es demnach "einen gezielten Angriff". Dabei wurde Ibrahim Kubaisi, ein Kommandeur der Hisbollah-Raketendivision, in einem südlichen Vorort der Hauptstadt getötet, meldeten die israelische Armee und libanesische Sicherheitskreise übereinstimmend. Kurz darauf kündigte Israel eine neue Welle "umfangreicher Angriffe auf Terrorziele der Hisbollah" an.
Mehr als 500 Tote in zwei Tagen
Seit gestern sind bei den israelischen Luftangriffen nach Angaben der libanesischen Behörden mehr als 550 Menschen getötet worden, darunter viele Kinder und Frauen. Mehr als 1.800 Menschen seien verletzt worden. Die israelische Armee teilte mit, sie habe rund 1.600 Stellungen der vom Iran unterstützen Miliz angegriffen und eine "große Zahl" an Hisbollah-Mitgliedern getötet.
Die Hisbollah überzog ihrerseits Israels Norden erneut mit massiven Angriffen aus ihren Hochburgen. Raketen - unter anderem vom Typ "Fadi" - seien auf mehrere israelische Armeestützpunkte und eine Sprengstofffabrik abgefeuert worden. Mit den "Fadi"-Raketen will die Hisbollah nach eigenen Angaben Ziele tief in israelischen Territorium treffen. Sie sollen eine Reichweite von 70 bis 100 Kilometern haben und etwa 80 bis 170 Kilogramm schwere Sprengköpfe tragen können, behauptete die Miliz in einem Propagandavideo.
Israels Militär teilte mit, rund 215 Geschosse aus dem Nachbarland registriert zu haben. Die meisten konnten der Armee zufolge abgefangen werden.
Guterres: Libanon darf kein zweites Gaza werden
Der eskalierende militärische Schlagabtausch verstärkt die Befürchtungen eines offenen Krieges. "Niemand hat ein Interesse an einem umfassenden Krieg", sagte US-Präsident Joe Biden bei der UN-Vollversammlung in New York. "Auch wenn die Situation eskaliert ist, ist eine diplomatische Lösung noch möglich."
UN-Generalsekretär António Guterres sagte, die Welt könne es sich nicht leisten, "dass der Libanon zu einem zweiten Gaza wird". Der Libanon stehe am Abgrund. Der Gaza-Krieg sei ein "unaufhörlicher Albtraum", der die gesamte Region mit sich zu reißen drohe.
Bei den Angriffen wurden auch zwei Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) getötet, wie die Organisation mitteilte. Das Wohnhaus einer Mitarbeiterin, die seit zwölf Jahren im UN-Büro im Osten des Libanon arbeitete, sei von einer israelischen Rakete getroffen worden. Auch ihr jüngster Sohn sei dabei getötet worden.
Nach UN-Angaben flüchteten Zehntausende aus den bombardierten Gegenden im Südlibanon, um in Beirut oder in Saida, der größten Stadt im Norden des Landes, Zuflucht zu suchen. Hunderte flohen laut einem syrischen Sicherheitsbeamten ins benachbarte Syrien.
Bodeninvasion befürchtet
In einer Fernsehansprache hatte Israels Premier Benjamin Netanyahu die Zivilisten im Libanon gestern Abend aufgerufen, die Gefahrenzone zu verlassen. Der Hisbollah warf er vor, die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
Nach fast einem Jahr Krieg gegen die Terrormiliz Hamas im Gazastreifen hat Israel seinen Fokus stark auf die Grenze zum Libanon verlagert. Netanyahus Regierung hat zum Ziel ausgegeben, Bewohner wieder in den Norden Israels zurückzubringen, die vor den Kämpfen im Grenzgebiet geflohen waren. Zu den Optionen Israels könnte auch eine Bodeninvasion des südlichen Libanon gehören.
Es wird befürchtet, dass ein solcher Schritt der Start eines größeren regionalen Krieges sein könnte. Die USA forderten ihre Landsleute erneut auf, den Libanon zu verlassen, solange noch Flüge verfügbar seien. Mehr als 30 internationale Flüge von und nach Beirut wurden heute laut der Website des Flughafens Rafic Hariri gestrichen. Die Lufthansa verlängerte ihren Flugstopp nach Tel Aviv und Teheran bis zum 14. Oktober.