Luftangriffe auf Hisbollah-Miliz Israel warnt Bewohner im Südlibanon
Die israelische Armee greift erneut Hisbollah-Stellungen im Libanon an. Sie rief Anwohner auf, Gebiete zu verlassen, in denen die Terrormiliz Waffen versteckt. Der libanesische Regierungschef sprach von einem israelischen "Zerstörungsplan".
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben die bisher umfangreichste Welle von Luftangriffen gegen die Terrormiliz Hisbollah im Libanon begonnen.
Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur National News Agency (NNA) berichtete von Dutzenden israelischen Angriffen auf den Süden und Osten des Landes. Laut NNA gab es innerhalb einer halben Stunde "mehr als 80 Luftangriffe" auf Gebiete im Südlibanon. Gleichzeitig habe es "intensive Angriffe im Bekaa-Tal" im Ostlibanon gegeben.
Nach Angaben des Notfallzentrums des libanesischen Gesundheitsministeriums wurde bei den Angriffen mindestens ein Mensch getötet, mehr als 20 wurden demnach verletzt. Einige der Verletzten schwebten in Lebensgefahr. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz meldete ihrerseits, den Norden Israels angegriffen zu haben.
Angesichts der verstärkten israelischen Angriffe rief das Gesundheitsministerium die Krankenhäuser im Süden und Osten des Landes auf, alle nicht-dringenden Operationen abzusagen. Die Anordnung sei nötig, "um Platz zu schaffen", sodass die Menschen behandelt werden können, die im Zuge der "sich ausweitenden israelischen Aggression gegen den Libanon" verletzt wurden, erklärte das Ministerium in Beirut.
Israel: Hisbollah-Rakete in Wohnhaus entdeckt
Israels Armee teilte mit, es attackiere "Terror-Ziele" der Hisbollah im Süden. Seit dem Morgen seien mehr als 300 Ziele angegriffen worden, hieß es in einer Erklärung.
Nach Angaben der israelischen Armee hat die Hisbollah zuvor versucht, einen in einem Wohnhaus versteckten Marschflugkörper gegen Israel einzusetzen. Es handele sich um eine Rakete aus russischer Produktion mit einem rund 300 Kilogramm schwerem Sprengkopf und einer Reichweite von bis zu 200 Kilometern, sagte ein israelischer Soldat im Gespräch mit Journalisten. Die Waffe sei in einem Wohnhaus im Südlibanon versteckt gewesen. Hisbollah-Kämpfer hätten eine Wand des Hauses durchbrochen und einen Angriff mit dem Marschflugkörper vorbereitet. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
"Wir haben das Haus zerstört und die Terroristen in der Nähe getötet", sagte der Soldat. Die Rakete sei vermutlich von Syrien aus in den Libanon geschmuggelt worden, hieß es.
Zivilbevölkerung zur Evakuierung aufgefordert
Israel hat der Hisbollah mehrfach vorgeworfen, Kämpfer und Waffen in bewohnten Gegenden zu verstecken. Israels Militärsprecher Daniel Hagari sagte, dies betreffe Dutzende von Dörfern in einer Zone bis zu 80 Kilometer nördlich der israelischen Grenze.
"Die Hisbollah hat den Südlibanon in eine Kampfzone verwandelt", sagte er. Damit gefährde die Organisation die Bürgerinnen und Bürger des eigenen Landes. Die derzeit sehr schwache libanesische Regierung, die über das Arsenal der mächtigen Miliz keine Handhabe hat, wies solche Vorwürfe in der Vergangenheit zurück.
Hagari rief alle Zivilisten, die sich in der Nähe von Häusern aufhielten, in denen die Hisbollah Waffen versteckt halte, sofort zum Verlassen des Gebiets auf.
Roboteranrufe mit Aufforderungen
Wie die Staatsagentur NNA berichtete, bekamen nicht nur Anwohner und Organisationen eine Aufforderung zur Evakuierung - auch der Informationsminister Siad al-Makari wurde aufgefordert, die Gegend zu verlassen. Der Minister, der derzeit geschäftsführend im Amt ist, habe per Anruf eine entsprechende Nachricht bekommen, teilte sein Büro mit.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa handelte es sich um einen sogenannten Roboteranruf, bei dem eine vorab aufgenommene Nachricht abgespielt wurde. Auch eine "große Zahl an Anwohnern" in der Hauptstadt Beirut hätten Anrufe erhalten, hieß es demnach in der Mitteilung des Ministers.
Das Ministerium bezeichnete die Aktion als "psychologische Kriegsführung" Israels. Die Methode sei üblich für den "israelischen Feind". Die Arbeit im Ministerium laufe normal weiter und die Mitarbeitenden seien mit ihren gewöhnlichen Aufgaben beschäftigt. Die Libanesen seien aufgefordert, den Nachrichten und Anrufen "nicht mehr Aufmerksamkeit zu schenken als nötig".
Bodenoffensive nicht ausgeschlossen
Auf die Frage eines Journalisten, ob Israel eine Bodenoffensive im Südlibanon plane, sagte Militärsprecher Hagari, man werde "alles unternehmen, um die Einwohner des israelischen Nordens sicher in ihre Häuser zurückkehren zu lassen". Israel hatte zuletzt seine Angriffe in dem Nachbarland noch deutlich verstärkt.
Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte angesichts der weiteren Eskalation im Norden des Landes, die Standhaftigkeit der israelischen Zivilbevölkerung sei der Schlüssel für eine erfolgreiche Fortsetzung des Kampfes gegen die Hisbollah.
"Wir vertiefen unsere Angriffe im Libanon", sagte Gallant. Dies werde weitergehen, bis Israel das Ziel erreicht habe, die sichere Rückkehr der Einwohnerinnen und Einwohner Nordisraels zu gewährleisten.
Libanesischer Regierungschef spricht von "Zerstörungsplan"
Angesichts der Ausweitung der Angriffe warf der libanesische Regierungschef, Nadschib Mikati, Israel vor, einen "Zerstörungsplan" zu verfolgen. "Die anhaltende israelische Aggression gegen den Libanon ist ein Ausrottungskrieg in jedem Sinne des Wortes und ein Zerstörungsplan, der darauf abzielt, libanesische Dörfer und Städte zu vernichten", sagte Mikati in einer Kabinettssitzung.
Er rief die Vereinten Nationen, die UN-Generalversammlung sowie "einflussreiche Länder" auf, Israel davon abzuhalten.
Kämpfe im Gazastreifen gehen weiter
Im Gazastreifen gehen die Kämpfe derweil weiter. Bei einem israelischen Luftangriff sind nach palästinensischen Angaben acht Menschen getötet worden, unter ihnen mehrere Kinder.Eine als Vertriebenenunterkunft genutzte Schule sei getroffen worden, ein weiterer Angriff habe einem Haus in der Nähe des Al-Aksa-Märtyrer-Krankenhauses in Deir al-Balah gegolten. Diese Angaben lassen sich derzeit ebenfalls nicht unabhängig überprüfen.