In Düsseldorf dampfen oder qualmen Schornsteine auf Dächern in der Innenstadt. (Archivbild: 13.10.2011)
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Strom- und Gasverbrauch Keine Entwarnung ein Jahr nach der Energiekrise

Stand: 10.10.2023 08:26 Uhr

Mit dem Herbst steigt der Energieverbrauch wieder. Auch wenn die Speicher voll sind: Vor allem bei der Gasversorgung sehen Experten weiterhin Risiken - und raten zu Sparsamkeit.

Abends erstrahlt oberhalb der Stadt Wertheim auf der Bergzunge zwischen Main und Tauber eine der ältesten Burgruinen Baden-Württembergs in hellem Licht. Vor einem Jahr blieb die Beleuchtung aus, das Denkmal im Dunkeln - so wie viele Kulturdenkmäler und Schlösser in Deutschland. Nach dem Ende der russischen Gaslieferungen war die Sorge groß, es galt die Energie-Einsparverordnung.

Und wie sieht es kommenden Winter aus? Nach Auslaufen der Verordnung im April wurden die kurzfristigen Maßnahmen auch in der Stadt Wertheim wieder aufgehoben. "Sie sollen, sofern keine neue Verordnung erlassen wird, auch nicht wieder in Kraft gesetzt werden", sagt Natalja Kiefel, Leiterin Gebäudemanagement der Stadt.

"Maßnahmen haben für Unmut gesorgt"

Zu diesen kommunalen Maßnahmen zählten auch die Heiztemperatur in Räumen abzusenken, das Warmwasser in den Toiletten abzuschalten, Sport- und Mehrzweckhallen nur noch reduziert zu öffnen. Kiefel weiß, was das bedeutet hat. "Die Maßnahmen haben bei vielen für Unmut gesorgt, gerade bei Vereinen, die nicht mehr wie gewohnt in den Sporthallen trainieren konnten."

Die vorläufige Auswertung der Stadt zeigt, dass in kommunalen Gebäuden der Verbrauch von Gas, Öl und Pellets um rund 21,5 Prozent eingespart werden konnte, beim Strom brachten die Maßnahmen rund 12,7 Prozent. Deutschlandweit wurde laut Bundesnetzagentur vom ersten Oktober 2022 bis 31. März 2023 im Vergleich zu den Vorjahren insgesamt rund 20 Prozent Gas eingespart.

Wertheim will sich nun auf mittel- und langfristigen Maßnahmen konzentrieren, wie beispielsweise die flächendeckende Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED, mehr Photovoltaikanlagen auf kommunalen Gebäuden, die Umrüstung von Heizungsanlagen auf regenerative Energiequellen und den Ausbau der Nahwärmeversorgung.

Es gibt ausreichend Strom

Laut Bundesnetzagentur ist in Deutschland auch während der Sommermonate der Gasverbrauch niedrig geblieben. So lag er in den letzten Wochen etwa 20 Prozent unter dem Mittel der Vorjahre. "Das geht im Sommer vor allem aufs Konto der industriellen Verbraucher. Private Haushalte tragen im Sommer naturgemäß nicht viel zu den Einsparungen bei", so Klaus Müller, Leiter der Bundesnetzagentur.

Doch wie sind die Aussichten für die anstehende kalte Jahreszeit? Beim Strom gibt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Entwarnung: "Es gibt keine Stromkrise. Die angeblichen Blackouts durch die Abschaltung der Atomkraftwerke sind erwartungsgemäß ausgeblieben. Deutschland ist ausreichend mit Strom versorgt und könnte jederzeit seine Stromversorgung durch eigene Produktion decken." Daher sieht Kemfert auch keine Notwendigkeit, dass man in diesem Winter wieder die Beleuchtungen herunterfährt.

Möglicher Gasmangel in Südosteuropa?

Beim Gas sei die Lage anders. Die Gasversorgung sei zwar im kommenden Winter weitestgehend gesichert, die Speicher seien voll und die Importe auch diversifiziert. Darauf weisen sowohl Kemfert als auch die Bundesnetzagentur hin.

Der Chef der Bundesnetzagentur sagt, dass es für eine vollständige Entwarnung zu früh sei, da verschiedene Faktoren die Versorgungslage maßgeblich beeinflussen können. Ein sehr langer, kalter Winter sei ein Faktor. "Dazu gehört aber auch das Szenario ausbleibender russischer Gaslieferungen in die südosteuropäischen Staaten, die zurzeit noch Gas über die Ukraine beziehen und im Falle einer Mangellage über Deutschland mitversorgt werden müssten."

Terrorangriffe als denkbares Szenario

Kemfert warnt zudem vor möglichen Terrorakten: "Sollte es beispielsweise Anschläge auf die norwegische Gas-Pipeline geben oder sonstige technische Defekte an der Pipeline, muss die Versorgung vornehmlich mit LNG-Gas sichergestellt werden. Das kann sehr teuer für Deutschland und letztlich auch für die Gaskunden werden", so Kemfert.

Auch Netzagentur-Chef Müller hält das für möglich. Es seien "auch Szenarien des teilweisen oder vollständigen Ausfalls von Erdgasleitungen denkbar".

"Es muss mehr energetisch saniert werden"

Grundsätzlich braucht es aber mehr, als nur beim Heizen zu sparen. "Es muss deutlich mehr und vor allem schneller energetisch saniert werden, die Heizenergie muss weg von Öl und Gas hin zu emissionsfreien Heizsystemen", so Kemfert. Die Anreize seien durchaus vorhanden, aber die Verwirrung sei zu groß, kritisiert die Expertin. "Die Bundesregierung reagiert oftmals auf Zuruf aus der Lobbybranche und strahlt keine Verlässlichkeit bei diesem Thema aus. Das nervt die Menschen in diesem Land und wird dazu führen, dass die notwendige Heizwende erst einmal ausbleibt."

Alle Haushalte sollten daher so viel Heizenergie wie möglich einsparen. Das sei elementar. Ökonomin Kemfert sieht die Gaspreisbremse daher auch kritisch. Die würde suggerieren, dass der Preis gedeckelt ist und damit eben nicht zum Einsparen animieren. Genau das müsse aber passieren.

Fokus auf die kommunale Wärmeplanung

In Wertheim ist man optimistisch und will sich derzeit vor allem auf die kommunale Wärmeplanung konzentrieren. Die wurde vergangenen Monat der Öffentlichkeit vorgestellt. Seit Oktober habe die Stadt auch einen Klimamanager, der die Umsetzung der kommunale Wärmeplanung begleiten wird, erklärt Gebäudemanagerin Kiefel. Zudem plane die Stadt, dass jährlich 750.000 Euro für energetische Sanierungsmaßnahmen an öffentlichen Gebäuden zur Verfügung gestellt werden.

Auch ein Energiemanagement-System will Wertheim aufbauen, damit Daten besser erfasst werden. Dann könne man den Verbrauch besser analysieren und schauen, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, so Kiefel.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die NDR-Sendung "DAS!" am 05. Oktober 2023 um 18:45 Uhr.