Straftäter nach Afghanistan Bundesländer fordern weitere Abschiebungen
Während der Abschiebeflug nach Afghanistan bei Menschenrechtlern auf Kritik stößt, begrüßen die beteiligten Bundesländer den Schritt - und fordern weitere Abschiebungen. Kanzler Scholz spricht von einem "klaren Zeichen" an Straftäter.
Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban hat Deutschland Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Laut Bundeskanzler Olaf Scholz soll es ein Zeichen an alle Straftäter sein. "Es ist ein klares Zeichen: Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen, sondern wir werden versuchen, das zu tun, wie man in diesem Fall sieht", sagte der SPD-Politiker bei einem Wahlkampftermin in der Nähe von Leipzig.
"Wir haben angekündigt, dass wir auch Straftäter nach Afghanistan wieder abschieben werden", so Scholz weiter. "Das haben wir sorgfältig vorbereitet, ohne groß darüber zu reden, weil solches Vorhaben ja nur gelingt, wenn man sich da Mühe gibt, wenn man es sorgfältig und sehr diskret macht. Heute ist das erfolgt."
Auch Gefährder sollen dabei gewesen sein
Der Abschiebeflug war am Morgen vom Flughafen Leipzig/Halle abgehoben. Nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser waren 28 Straftäter an Bord der Maschine. Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit handelt es sich "um afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen".
Unter den Abgeschobenen sollen auch Gefährder sein, also Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste politisch motivierte Straftaten bis hin zum Anschlag zutrauen.
Nouripour: Abschiebungen "im großen Stil nicht möglich"
"Mörder, Islamisten, Vergewaltiger, Schwerkriminelle, die unseren Schutz missbrauchen, müssen das Land verlassen", sagte Vizekanzler Robert Habeck. "Daher ist das konsequent." Zugleich mahnte der Grünen-Politiker, das Asylrecht müsse unangetastet bleiben, damit unbescholtene Menschen, Verfolgte sowie Opfer von Gewalt und Terror, die vor Islamisten geflohen seien, Schutz fänden. "Diesen Unterschied zu machen, ist wichtig", unterstrich er.
Grünen-Chef Omid Nouripour dämpfte die Erwartungen an weitere solcher Aktionen. Abschiebungen seien so "im großen Stil nicht möglich", erklärte er. "Dafür bräuchte es eine direkte staatliche Zusammenarbeit, die mit den Steinzeit-Islamisten der Taliban nicht möglich ist." Die Taliban seien "zu Recht von keiner Demokratie der Welt anerkannt". Der Abschiebeflug dürfe "nicht zu einer Legitimation der Taliban führen".
Nouripour pochte zudem darauf, dass "das Handeln der Sicherheitsbehörden auf der Grundlage des Rechts erfolgen und einer Überprüfung durch Gerichte standhalten" müsse. "Es war stets klar, dass es technische Möglichkeiten geben kann, in wenigen Fällen Menschen nach Afghanistan zu fliegen. Der nun durch das Emirat Katar durchgeführte Flug ist ein solcher Weg."
Nouripour erklärte jedoch auch: "Wir haben stets gesagt, dass wir Schwerkriminelle in unserem Land nicht wollen und diese keinen Schutz genießen." Gleichzeitig hätten Unbescholtene, insbesondere Familien und Kinder, die vor radikalen Islamisten geflohen seien, "bei uns Schutz im Rang eines Grundrechts".
Kritik von Menschenrechtlern
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International reagierte mit scharfer Kritik auf die Abschiebung. "Menschenrechte haben wir alle - und niemand darf in ein Land abgeschoben werden, wo Folter droht", sagte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. "Es ist alarmierend, dass sich die Bundesregierung über diese Verpflichtungen hinwegsetzt und Menschen nach Afghanistan abgeschoben hat."
In Afghanistan sei niemand sicher, so Duchrow weiter. Außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter seien unter den Taliban an der Tagesordnung. "Schiebt die Bundesregierung trotzdem nach Afghanistan ab, riskiert sie, sich zur Komplizin der Taliban zu machen." Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnte davor, dass die Abschiebung einen Schritt Richtung Normalisierung der Taliban-Regierung bedeuten könnte.
Forderungen nach weiteren Abschiebungen
Beteiligte Bundesländer begrüßten den Abschiebeflug. "Flüchtlinge und Ausländer, die bei uns schwere Straftaten begehen, müssen unser Land verlassen", erklärte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Aus seinem Land seien sechs Menschen abgeschoben worden. "Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie weitere Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan und Syrien möglich macht." Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte, perspektivisch müssten "auch Rückführungen von ausreisepflichtigen Syrern unabhängig von Straftaten möglich werden".
"Es wurde auch höchste Zeit, dass die Bundesregierung endlich in die Gänge kommt", erklärte Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU). Wegen "Bedenken insbesondere der Grünen" seien Abschiebungen nach Afghanistan lange nicht möglich gewesen. "Ich hoffe, dass es sich hierbei nicht um ein reines Strohfeuer der Bundesregierung handelt. Es müssen nun zügig weitere Rückführungen sowohl nach Afghanistan als auch nach Syrien folgen." Aus Bayern seien drei Straftäter abgeschoben worden.
"Ausdruck eines handlungsfähigen Rechtsstaates"
"Wir konnten heute fünf schwere Straftäter nach Afghanistan abschieben", erklärte der baden-württembergische Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU). "Das ist ein Gewinn für die Sicherheit in unserem Land." Der Bund müsse weitere Abschiebungen nach Afghanistan und auch nach Syrien ermöglichen.
Aus Thüringen wurde laut Innenminister Georg Maier (SPD) ein afghanischer Staatsangehöriger abgeschoben. Der 25-Jährige war demnach unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl mit Waffen verurteilt worden. "Wir müssen die Zahl der Abschiebungen deutlich erhöhen", forderte Maier. "Das ist Ausdruck eines handlungsfähigen Rechtsstaates."
Bericht: Abschiebung seit zwei Monaten vorbereitet
Laut Spiegel erhielt jeder Abgeschobene vor dem Flug 1.000 Euro Handgeld. Ein Arzt sei mit an Bord. Die Abschiebung nach Afghanistan sei vom Kanzleramt und den Innenbehörden seit gut zwei Monaten vorbereitet worden. Die Ausreisepflichtigen seien in der Nacht teils aus der Strafhaft nach Leipzig gebracht worden.
Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Bundeskanzler Scholz angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen.
Eigentlich hätten noch fünf weitere Menschen - also insgesamt 33 - am Freitag abgeschoben werden sollen, wie Abgeordnete berichteten. Zwei der zur Abschiebung Vorgesehenen seien am Morgen nicht angetroffen worden, sagte der FDP-Parlamentarier Manuel Höferlin. Drei weitere seien von den Landesjustizbehörden nicht für die Abschiebung freigegeben worden, weil sie aus Sicht der Staatsanwaltschaft noch keinen ausreichenden Teil ihrer Haft hierzulande verbüßt hätten.
Faeser hatte Abschiebungen angekündigt
Insbesondere die Grünen, darunter Außenministerin Annalena Baerbock, hatten sich bislang skeptisch gezeigt bei Abschiebungen nach Afghanistan und davor gewarnt, die islamistische Taliban-Regierung indirekt anzuerkennen. Baerbock hatte aber im rbb auch gesagt, bereits jetzt seien Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan vereinzelt machbar. Es sei angesichts der dort herrschenden Regimes aber "offensichtlich nicht trivial". Es sei zudem bereits Rechtslage, dass Straftäter und Gefährder keinen Schutzstatus bekämen oder ihn dann verlören und weggesperrt gehörten.
Bundesinnenministerin Faeser hatte in den tagesthemen angesichts von Rückführungen nach Afghanistan angekündigt, "man werde sehr bald abschieben". Offenbar hatte sie dabei auch den nun erfolgten Abschiebeflug im Blick. Die Bundesregierung habe immer gesagt, dass sie mit den Taliban nicht rede, aber mit Nachbarstaaten und dort um Unterstützung werbe. Da "sei man schon sehr weit", so die SPD-Politikerin.