Nach Solingen Grüne fordern "Zeitenwende im Inneren"
Nach dem Anschlag in Solingen fordern die Grünen einen innenpolitischen Kurswechsel. In einem Positionspapier, das dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt, gehen sie Innenministerin Faeser scharf an.
Fraktionsvize Konstantin von Notz und Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic schlagen in einem Positionspapier vor, dass Bund und Länder ihre Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen grundlegend neu ausrichten. Investitionen in die Sicherheit und die Wehrhaftigkeit des Rechtsstaats wurden nach ihrem Eindruck "sträflich vernachlässigt".
Grüne sehen Symboldebatten
Bei den Versäumnissen denken die beiden Grünen-Politiker auch an Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Das Innenministerium verfolgt aus Sicht von Mihalic und von Notz eine "klassische, heute in weiten Teilen veraltete Sicherheitspolitik". Es verfange sich "viel zu sehr in Symboldebatten", statt auf die Defizite einzugehen.
Doch mit der Kritik am Koalitionspartner nicht genug. Mihalic und von Notz kreiden den Innenministern in Bund und Ländern an, zu wenig für die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden zu tun: "Durch dieses Nichthandeln entstehen ineffektive und teils gefährliche Doppel- und Gar-nicht-Strukturen." Nötig seien auch Grundgesetzänderungen, die teils von der Union blockiert würden.
Mihalic und von Notz rufen zu einem Schulterschluss der demokratischen Parteien auf. Ohne CDU-Chef Friedrich Merz beim Namen zu nennen, werfen sie der Opposition vor, "wenig zielführende, allzu reflexhafte Diskussionen" nach schweren Straftaten zu führen. Für die sicherheitspolitischen Fehleinschätzungen in der Vergangenheit sind ihrer Meinung nach aber alle Fraktionen im Bundestag verantwortlich, die in Regierungsverantwortung waren.
Konsequente Abschiebungen
In ihrem Positionspapier sprechen sich die Grünen für konsequente Abschiebungen von nichtdeutschen Gefährdern aus. Bei Abschiebungen und Überstellungen in andere EU-Länder sei der Vollzug noch mit zu vielen Mängeln behaftet. "Bund und Länder müssen sich gemeinsam anschauen, wie aus der möglichen eine tatsächliche Abschiebung wird."
Mihalic und von Notz, der auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, zeigen sich offen für ein schärferes Waffenrecht und mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden - unter anderem verdeckte Ermittlungen in sozialen Netzwerken und einen besseren Austausch zwischen Polizei und Geheimdiensten.
Mehr Geld für Behörden und Integration
Die beiden Innenpolitiker schreiben: "Es ist an der Zeit, die 'Zeitenwende' auch im Inneren entschlossen umzusetzen." Zur Finanzierung schlagen sie eine Art Sondervermögen vor. Sie nennen es "Basisinvestition". Bund und Länder sollen nach Vorstellung der Grünen zusammen ermitteln, wie viel Geld für Personal und Technik der Sicherheitsbehörden nötig ist. Es brauche mehr Ressourcen in Ausländerbehörden, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in der Justiz und für die Integration.
Mit ihrem Positionspapier bündeln Mihalic und von Notz auf zehn Seiten viele schon bekannte Positionen ihrer Partei. Immer wieder rufen sie zu einer besseren Zusammenarbeit auf zwischen den Behörden sowie zwischen Bund und Ländern. Damit setzen sie den Koalitionspartner SPD unter Druck. Und auch CDU und CSU, die in acht Bundesländern die Innenminister stellen.