Ein Flugzeug wird beim Start durch Stacheldraht am Flughafenzaun fotografiert.

Abschiebung von Straftätern Wer saß im Flugzeug nach Afghanistan?

Stand: 30.08.2024 17:42 Uhr

Insgesamt 28 Männer sind inmitten der Debatte über schärfere Asylregeln nach Afghanistan abgeschoben worden. Alle sind verurteilte Straftäter, einige von ihnen sollen als Gefährder eingestuft sein. Was über die Abgeschobenen bekannt ist.

Zum ersten Mal, seitdem die islamistischen Taliban in Afghanistan vor drei Jahren die Macht übernommen haben, hat die Bundesrepublik wieder Menschen in das Land abgeschoben. Die Aktion sei seit Wochen geplant gewesen, heißt es von der Bundesregierung. Der Abschiebeflug war am Morgen um 6.56 Uhr vom Flughafen Leipzig/Halle abgehoben. Die Boeing 787 von Qatar Airways soll direkt in die afghanische Hauptstadt Kabul geflogen sein.

Laut einem Regierungssprecher handelt es sich "um afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen". Unter den Abgeschobenen sollen auch Gefährder sein, also Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste politisch motivierte Straftaten bis hin zum Anschlag zutrauen.

Abgeschobene haben Großteil ihrer Strafen abgesessen

Die Straftäter hätten mindestens zwei Drittel ihrer Strafe in Deutschland bereits abgesessen, berichteten mehrere Abgeordnete aus einer Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses, die den Anschlag in Solingen zum Thema hatte. Die Bundesregierung hatte in der Vergangenheit immer betont, Straftäter sollten nur abgeschoben werden, wenn sie einen beträchtlichen Teil ihrer in Deutschland verhängten Strafe abgesessen hätten. 

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zum Abschiebeflug nach Afghanistan

tagesschau24, 30.08.2024 14:00 Uhr

Wer sind die 28 Männer? Angaben dazu kommen aus den beteiligten Bundesländern. 

Baden-Württemberg

An Bord des Flugzeugs waren fünf Männer aus dem Südwesten, die allesamt schwere Straftäter sein sollen. Einer von ihnen hatte Ende Oktober 2019 mit drei weiteren Tätern in einer Flüchtlingsunterkunft in Illerkirchberg (Alb-Donau-Kreis) eine damals 14-Jährige über mehrere Stunden vergewaltigt, wie es hieß. Das Mädchen sei zuvor unter Alkohol- und Drogeneinfluss gesetzt worden. Der heute 31 Jahre alte Mann hatte seine Haftstrafe schon abgesessen und wurde von der Polizei zur Abschiebung festgenommen.

Die vier anderen Afghanen im Alter von 25, 35 und 45 Jahren saßen wegen diverser Straftaten in Haft, einer wegen versuchter Tötungsdelikte sowie ein verurteilter Intensivtäter, der über 160 Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten sein soll.

Bayern

Auch drei Straftäter aus Bayern gehören zu den Abgeschobenen. Angaben aus dem Land zufolge waren zwei von ihnen wegen Sexualstraftaten und der Dritte wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Sie seien 27, 29 und 30 Jahre alt. In Bayern gibt es Innenminister Joachim Hermann (CSU) zufolge mindestens noch 174 afghanische und 203 syrische Straftäter.

Berlin

Zwei schwere Straftäter aus Berlin waren ebenfalls an Bord. Einer ist demnach wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung, der andere wegen Vergewaltigung verurteilt worden. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte weitere Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern an - auch nach Afghanistan und Syrien.

Mecklenburg-Vorpommern

Einer der Abgeschobenen lebte in Mecklenburg-Vorpommern. Der Mann war nach Angaben aus dem Land wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergewaltigung und anderer Delikte rechtskräftig verurteilt worden.

Niedersachsen

Fünf Männer aus Niedersachsen zwischen Mitte 20 und Mitte 30 wurden teils aus der Strafhaft, teils aus Freiheit abgeschoben. Zu den von ihnen begangenen Taten zählten dem Land zufolge Totschlag, Vergewaltigung, gefährliche Körperverletzung, Misshandlung von Schutzbefohlenen, Betrug und Diebstahl.

Nordrhein-Westfalen

Unter den Passagieren war auch ein Straftäter aus NRW. Der Mann sei direkt aus einer JVA abgeholt worden, hieß es. Dort habe er eine Haftstrafe wegen schwerer Brandstiftung verbüßt.

Rheinland-Pfalz

Von dort wurde ein zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilter Sexualstraftäter ausgewiesen.

Sachsen-Anhalt

Zwei Straftäter wurden aus Sachsen-Anhalt abgeschoben. Einer von ihnen verbüßte demnach wegen zweifacher Vergewaltigung eine mehrjährige Jugendstrafe. Der Zweite war wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt, gegen ihn liefen aktuell Ermittlungen wegen Vergewaltigung und Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige.

Thüringen

Auch ein 25 Jahre alter Mann aus Thüringen saß in dem Flugzeug. Dieser wurde demnach unter anderem 2021 wegen gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl mit Waffen und wegen eines Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verurteilt. Er saß bis März dieses Jahres in Haft und soll auch nach seiner Entlassung wieder Straftaten begangen haben. 

Hessen und Sachsen

Außerdem wurden ein Mann aus Sachsen sowie sechs Straftäter aus Hessen abgeschoben.

Weitere Abschiebungen gescheitert

Eigentlich hätten fünf weitere Menschen dabei sein sollen - also insgesamt 33 Personen. Das berichteten Abgeordnete nach einem Treffen des Bundestagsinnenausschusses. Zwei der zur Abschiebung Vorgesehenen seien am Morgen nicht angetroffen worden, sagte der FDP-Parlamentarier Manuel Höferlin.

Drei der fünf Betroffenen seien von den Landesjustizbehörden nicht für die Abschiebung freigegeben worden, weil sie aus Sicht der Staatsanwaltschaft noch keinen ausreichenden Teil ihrer Haft hierzulande abgesessen hätten.

Vorkehrungen für die Sicherheit der Abgeschobenen

Die Bundesregierung traf zudem nach eigenen Angaben Vorkehrungen für die Sicherheit der Abgeschobenen. Ein Regierungssprecher betonte aber, "über die genaueren Details und Vereinbarungen oder Gespräche, die es da gegeben hat", könne er nichts mitteilten. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios sollen mehr als zehn der Männer direkt nach ihrer Ankunft in Kabul auf freien Fuß gesetzt worden sein.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser bekräftigte, dass es keine direkten Gespräche mit den Taliban gegeben habe. "Aber wir haben das mit Partnern umsetzen können", sagte die SPD-Politikerin. Die Grünen-Abgeordnete Kaddor sagte, in der Sitzung des Innenausschusses sei berichtet worden, dass keine Vertreter deutscher Behörden an Bord gewesen seien. Stattdessen hätten Angehörige katarischer Behörden den Flug organisiert und für dessen Sicherheit gesorgt.

Vor dem Flug haben die Abgeschobenen ein "Handgeld" von 1.000 Euro bekommen, wie die niedersächsische Landesregierung bestätigte. Das hat rechtliche Hintergründe.

Dagmar Pepping, ARD Berlin, tagesschau, 30.08.2024 09:05 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 29. August 2024 um 22:15 Uhr sowie die tagesschau am 30. August 2024 um 12:00 Uhr.