Agrarsubventionen im Bundesrat Lange Erfolgsliste für die Bauern
Der Bundesrat soll heute den Weg zur Abschaffung der Agrardieselsubvention freimachen. Eine Niederlage für die Landwirte? Die Zugeständnisse der Politik an die Bauern sind trotzdem massiv.
Kurz vor Weihnachten im Kanzleramt: In kleiner Runde treffen sich die Spitzen der Bundesregierung. Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner stehen unter Druck. Es fehlt Geld. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist der geplante Haushalt rechtswidrig und die Regierung muss sparen. Ein Vorschlag liegt auf dem Tisch: die Agrardieselsubvention streichen.
Das Trio nimmt den Vorschlag an, tritt vor die Presse, verkündet das Sparpaket - und löst damit massive Bauernproteste aus. Noch im Dezember rollen die ersten Traktoren auf die Straße. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir beteuert, nicht eingebunden gewesen zu sein. Er wolle dafür kämpfen, dass die Rückerstattung der Energiesteuer auf den Diesel für Landwirte erhalten bleibt.
Viele Bauern hatten Zeit für Protest
Das ist nur so halb gelungen. Zwar lenkt die Bundesregierung schnell ein und will die Subvention nicht sofort umsetzen, sondern in drei Schritten. 2026 soll es dann auch wirklich keinen Cent mehr zurückgeben. Den Plan, die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen, kassiert die Regierung dagegen umgehend.
Die Bauernproteste sind auch deshalb so heftig, weil die Kürzungsvorschläge alle Landwirte betreffen, egal ob groß, klein, mittel, bio, konventionell. Auch die Jahreszeit dürfte bei den Protesten eine Rolle spielen. Viele Bauern haben im Winter mehr Zeit zum Protestieren als zur Erntezeit.
Es ging nie allein um den Agrardiesel
Doch den Bauern geht es nicht allein um den Agrardiesel. Der Tropfen Agrardiesel hat das Fass an Bürokratie, Auflagen und fehlender Wertschätzung zum Überlaufen gebracht.
Aus diesem Fass ist als Folge der Bauernproteste bereits ordentlich abgeschöpft worden. Zum einen die lediglich schrittweise Abschaffung des Agrardiesels und der Erhalt des grünen Kennzeichens, also die Kfz-Steuerbefreiung für Schlepper und Co. Zum anderen deuten sich viele weitere Zugeständnisse an.
Entbürokratisierung: Maßnahmen auf dem Weg?
Kurz vor der entscheidenden Sitzung im Bundesrat zum Agrardiesel sagt Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir, er wolle Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten für Landwirte schlanker gestalten. Konkrete Maßnahmen mit den Bundesländern sollen "schnellstmöglich" umgesetzt werden, sagt Özdemir.
Gesetzesvorhaben liegen brach
Die Ampelkoalition verschiebt ein neues Düngegesetz und die Verordnung für eine verschärfte Stoffstrombilanz. Beim Düngegesetz geht es vor allem um strengere Regeln für Landwirte, bei der Stoffstrombilanz müssen Landwirte fast alles penibel dokumentieren. Welches Feld wurde wann gedüngt? Und womit: Gülle, Mist, Kompost oder Mineraldünger? Und wie viel davon?
Das belastet viele Landwirte. Dass jetzt die Ampel bei diesen Gesetzesvorhaben zögert, nährt die Hoffnung vieler Bauern, dass es doch nicht so streng wird wie angekündigt.
Comeback der Biokraftstoffe gilt als sicher
Das Argument der Bauern, warum der Agrardiesel unbedingt weiter subventioniert werden müsse: Es gibt keine Alternativen. E-Traktoren oder Wasserstoff-Traktoren sind nicht serienmäßig verfügbar.
Möglich wäre aber der Einsatz von Bio-Diesel, also Kraftstoff aus Pflanzenöl wie etwa Raps. Doch es gibt zwei Probleme: Umweltverbände kritisieren, dass allein die Herstellung des Sprits alles andere als CO2-neutral sei. Auch würden dafür riesige Flächen verbraucht, die eigentlich der Lebensmittelherstellung dienen sollten, so die Kritik.
Deshalb wollten die Grünen den Biokraftstoff bis 2030 beerdigen. Doch angesichts der Bauernproteste legt Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen eine 180-Grad-Wende hin. So sei es sinnvoll, Bio-Diesel für die Landwirtschaft einzusetzen, lässt sie im Januar wissen. Eine Steuerfreiheit für diese Kraftstoffe - die es schon einmal gab - gilt mittlerweile als sehr wahrscheinlich.
Bye, bye Green Deal?
Die Bauernproteste waren nie allein deutsch, sondern immer europäisch. Anfang Februar geht es in Brüssel heftig zu. Vor dem Parlament zündeten Bauern Heuballen an, mit gut tausend Traktoren legen sie das Viertel lahm. Eine Statue stürzen sie um. Von friedlichen Protesten kann keine Rede sein.
Gleichzeitig lief der EU-Gipfel und Kommissionschefin Ursula von der Leyen suchte das Gespräch mit den Verbänden. Anschließend äußerte sie, wie viele Politiker dieser Zeit, Verständnis für die Sorgen der Bauern.
"Ich bin sehr empfänglich für die Botschaft, dass die Landwirte über den Verwaltungsaufwand besorgt sind", sagt von der Leyen damals. Sie "spielen eine wesentliche Rolle in der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft und ihre Arbeit trägt in hohem Maße zu unserer Ernährungssicherheit und auch zu unserer Lebensweise bei." Eine Ode an die Bauern. Danach schafft sie Fakten.
Pestizidgesetz und Flächenstilllegung gestoppt
Wenige Tage später nimmt Kommissionschefin von der Leyen höchst persönlich den Vorschlag für das Pestizidgesetz zurück. Ein Signal für die Bauern nach dem Motto: Seht her, wir hören euch! Nach der geplanten Verordnung sollten Bauern in der EU den Einsatz von Pestiziden bis 2030 halbieren.
Eigentlich sollten Landwirte in der EU vier Prozent ihrer Flächen zum Wohle der Artenvielfalt stilllegen. In der Folge der Bauernproteste wiederum stoppt die EU nun im Eilverfahren eine der wesentlichen Maßnahmen des Green Deals. Umweltverbände stehen unter Schock.
"Das ist Bumerang-Politik auf Kosten von Landwirtschaft, Klimaschutz und Natur", heißt es bei der Umweltstiftung WWF. Der Naturschutzbund (NABU) warnt eindringlich vor der immensen Absenkung des Natur- und Klimaschutzes in der EU-Agrarpolitik.
Lange Erfolgsliste für die Bauern
Es ist eine lange Erfolgsliste für die Bauern in Deutschland und in Europa. Weitere Zugeständnisse sind auch auf dem Weg: Etwa Steuererleichterungen, weniger Kontrollen, Ausnahmen bei Auflagen, Zölle auf Agrarprodukte aus der Ukraine. Die Landwirte haben ihre Mobilisierungskraft ins Gedächtnis gerufen und die Politik reagiert.
Das hat allerdings nicht nur mit den Protesten zu tun. Auch die Europawahl im Juni spielt eine Rolle. Vor allem für konservative Kräfte sind Landwirte eine Kernwählerschaft.