Landwirte demonstrieren mit ihren Traktoren  in der Mainzer Innenstadt.

Lage von Familienbetrieben Warum Landwirte sich empören

Stand: 11.01.2024 16:59 Uhr

Es ist die Woche der Proteste. Zwar hat die Bundesregierung Teile ihrer Sparpläne zurückgenommen, doch die Bauern bleiben wütend. Was treibt sie auf die Straße? Drei Landwirtinnen geben Antwort. 

Gemüse und Getreide baut Melanie Schmitt an - auf 150 Hektar Ackerfläche in der Vorderpfalz. "Ohne Bewässerung können wir hier in der Region weder Kartoffeln noch Zwiebeln anbauen", sagt die Landwirtin. Das Wasser für die Beregnungsanlagen holt sie aus einem Brunnen.

Die Motoren der Pumpen, die dafür benötigt werden, laufen mit Diesel. Genauso wie ihre Schlepper. Mehrere Tausend Euro jährlich bekommt die Landwirtin aktuell im Rahmen der Agrardieselerstattung vom Staat. "Wenn die Rückerstattung wegfällt, tut mir das richtig weh."

Gemüsebäuerin Melanie Schmitt in ihrem Traktor.

Melanie Schmitt, Gemüsebäuerin: "Wenn die Rückerstattung wegfällt, tut mir das richtig weh."

Von der Politik enttäuscht

Schmitt, die stellvertretende Kreisvorsitzende im Bauern- und Winzerverband der Vorderpfalz ist, vergleicht die Summe mit mehreren Monatsgehältern, die einem Angestellten wegbrächen. Sie hat mit ihrem Traktor und etlichen anderen Landwirten in dieser Woche mehrfach protestiert.

Von der Politik ist sie nach wie vor enttäuscht. Dass die Agrardieselerstattung nur schrittweise abgebaut werden soll, ist für sie kein befriedigender Kompromiss. "Es ist ja nur aufgeschoben, nicht aufgehoben." Und die zusätzlichen Kosten, die ihr so entstehen, könne sie nicht einfach an die Kunden weitergeben, da sie im Supermarkt mit Lebensmitteln aus anderen Ländern konkurriere, betont Schmitt.  

Landwirtin Magdalena Zelder steht neben Kühen.

Magdalena Zelder, Landwirtin: "Ein Tritt in den Hintern für uns Landwirte."

Mehrkosten von bis 8.000 Euro

Auch Magdalena Zelder, Landwirtin aus der Vulkaneifel, ist sauer. Deshalb beteiligt sie sich nicht nur an den Bauernprotesten, sondern organisiert sie in ihrer Region mit. "Auch die überarbeiteten Pläne der Bundesregierung bedeuten für uns Mehrkosten im Jahr. Ich gehe von bis zu 8.000 Euro aus."

Zelder und ihr Mann betreiben einen Hof mit 100 Milchkühen. Sie könnten das, was sie bräuchten, um künftig die finanzielle Lücke zu schließen, nicht erwirtschaften. "Die Molkerei gibt die Preise vor." Das Geld fehle ihnen daher dann künftig im Betrieb. "Was die Regierung macht, sei ein Tritt in den Hintern für uns Landwirte", kritisiert Zelder. 

Das Fass zum Überlaufen gebracht

Für Kristin Antweiler haben die Pläne der Bundesregierung das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie betreibt mit ihren Eltern ein Weingut in Rheinhessen, eigentlich will sie bald die Leitung übernehmen. "Ich demonstriere, weil wir als junge Generation keine Zukunftsperspektive mehr sehen. Uns fehlt die Planungssicherheit." Was nütze die größte Leidenschaft, wenn sie davon nicht leben könne. "Die Bundesregierung trifft von heute auf morgen Beschlüsse, ohne die Folgen abzuschätzen", kritisiert Antweiler, die zum Vorstand der Landjugend RheinhessenPfalz gehört.

Wie viel der schrittweise Abbau der Agrardieselerstattung ihren Familienbetrieb genau kosten wird, kann die Winzerin nach eigenen Angaben noch nicht einschätzen. "Es ist nicht so, dass uns diese Entscheidung sofort in den Ruin treibt. Aber wenn wir uns jetzt nicht wehren, dann kommen wir bald in die Situation, dass wir aufhören müssen." Außerdem gebe es für Maschinen in der Größe und mit der Leistung, wie sie in der Landwirtschaft gebraucht würden, aktuell keine echte Antriebsalternative, sagt Antweiler. 

 

Kristin Antweiler präsentiert Wein im Glas auf dem Weingut

Kristin Antweiler, Winzerin: "Was nützt die größte Leidenschaft, wenn man davon nicht leben kann."

Angestauter Unmut

Thomas Herzfeld vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien hält den Unmut der Landwirte in Deutschland durchaus für nachvollziehbar. Grundsätzlich sei die Abschaffung des Instruments der Agrardieselerstattung sinnvoll. "Die Art und Weise der Ankündigung und der Übergangsprozesse ist jetzt aber sehr plötzlich", betont der Experte für Agrarpolitik. Bestehende Steuervergünstigungen würden sehr kurzfristig wegfallen, das werde von den Betroffenen natürlich negativ empfunden. Es handele sich im Regelfall aber nur um einen kleinen Anteil der gesamten Subventionen für landwirtschaftliche Betriebe. Es müsse also um mehr gehen. "Hier zeigt sich ein über einen längeren Zeitraum angestauter Unmut." 

Gemüsebäuerin Melanie Schmitt und Winzerin Kristin Antweiler fühlen sich schon länger von der Politik nicht fair behandelt, stören sich an immer mehr Auflagen bei Pflanzenschutz und Düngeverordnung. Das bringe ihnen Wettbewerbsnachteile gegenüber Produkten aus anderen Ländern, sagen sie. Genauso wie der gestiegene Mindestlohn. Viehhalterin Zelder kritisiert auch, dass die Vorschriften für Landwirte immer mehr zugenommen hätten, was Mehrarbeit und Mehrkosten verursache.  

Subventionen für Klimaschutz und Tierwohl

Agrarexperte Herzfeld betont, dass Auflagen beim Pflanzenschutz und Düngemitteleinsatz durch EU-Richtlinien bestimmt würden. Hier sollten daher zumindest innerhalb der EU die Unterschiede nicht so groß sein. Bei Löhnen und Steuervergünstigungen gebe es sie allerdings auch innerhalb der EU. "Dabei kann aber nicht festgestellt werden, dass die Situation in Deutschland im Vergleich zum Durchschnitt der EU-Mitglieder schlechter wäre."

Grundsätzlich sei die Landwirtschaft ein hartes Geschäft, betont Herzfeld. Lange Arbeitszeiten, zunehmende Ansprüche an die Managementfähigkeiten und schwankende Preise und damit Gewinne seien üblich. "Daher sind Subventionen für die Landwirtschaft nicht grundsätzlich was Schlechtes", sagt der Agrarexperte. Aber die gegenwärtigen seien zu pauschal. "Sie sollten sich künftig an den Leistungen der Landwirtschaft für Umwelt- und Klimaschutz sowie Tierwohl orientieren."  

"Ein grundsätzlicher Unmut, mit den falschen Signalen seit Jahren aus der Agrarpolitik", Christian Henning, Agrarwissenschaftler Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

tagesschau24, 10.01.2024 14:00 Uhr

Kristin Antweiler erzählt, dass Winzer längst Aspekte von Nachhaltigkeit und Klimaschutz berücksichtigen; das sei auch Teil von Studium und Ausbildung. "Aber wenn die Verkehrswende nicht mal im privaten Personenverkehr gelinge, warum erwartet man das dann von uns Familienbetrieben?" Sie ist daher überzeugt, dass der Protest der Landwirte wichtig und richtig sei. "Wir müssen uns großflächig zeigen, dass es jeder mitbekommt", sagt sie. 

Milchbäuerin Magdalena Zelder stört es nicht, jeden Morgen um fünf Uhr aufzustehen, um die Kühe zu füttern und zu melken - und natürlich sei sie für mehr Tierwohl.

Sie sei Landwirtin aus Leidenschaft, aber die Pläne der Bundesregierung gingen zu Lasten der Bauern. Die Rückerstattung für Agrardiesel müsse erhalten bleiben. "Daher stehen wir jetzt auf und protestieren. Und wenn die Bundesregierung ihre Pläne nicht zurückzieht, kämpfen wir weiter", sagt Zelder. 

Mehr Wertschätzung gefragt

Melanie Schmitt fragt sich manchmal, ob sie als studierte Agraringenieurin nicht in einem Unternehmen eine bessere Work-Life-Balance hätte. Sie müsse regelmäßig 70 Stunden arbeiten in der Woche, während in anderen Bereichen über eine Viertagewoche diskutiert werde.

Von Politik und Gesellschaft wünscht sich Schmitt mehr Wertschätzung für die Arbeit von Landwirten. Über positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung auf den Protest der vergangenen Tage habe sie sich sehr gefreut. Die Landwirtin hofft nun, dass der Protest auch Wirkung der Bundesregierung zeigt.