Ein Arbeiter kontrolliert das Herzstück einer Weiche (Archivbild)
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Generalsanierung der Bahn Das große Bauen beginnt

Stand: 31.12.2023 10:32 Uhr

Die Deutsche Bahn will ihr Schienennetz ab 2024 von Grund auf sanieren. Bis 2030 soll ein "Hochleistungsnetz" entstehen. Branchenkenner bezweifeln, dass der Konzern diesen Zeitplan einhalten kann.

Auch im neuen Jahr kommt einiges auf Kundinnen und Kunden der Deutschen Bahn zu. Als erstes werden das die Fahrgäste und Güterverkehrskunden auf der Strecke Frankfurt-Mannheim spüren, auf der sogenannten Riedbahn: Fünf Monate Vollsperrung für umfassende Baumaßnahmen ab Mitte Juli. Einen Vorgeschmack, wenn man so will, gibt es schon im Januar. Da sperrt die Bahn die Strecke drei Wochen für Vorbereitungsarbeiten. Das Baupensum sei "sehr anspruchsvoll".

Auf der Riedbahn probiert man ein neues Baukonzept aus, heißt es von der Bahn: "Alles aus einem Guss". Zeitgleich werden 117 Gleiskilometer, 140 Kilometer Oberleitung, 16 Kilometer Lärmschutzwände, 152 Weichen, 1.200 Stelleinheiten der Leit- und Sicherungstechnik sowie 20 Bahnhöfe erneuert. 1,3 Milliarden Euro soll das alles kosten.

Die Riedbahn als Pilotprojekt

Geplante zusätzliche Fahrtzeit für Reisende im Fernverkehr während der fünfmonatigen Bauzeit und Vollsperrung: 30 Minuten. Damit würden allerdings mindestens 16 künftige Sperrungen in den nächsten Jahren vermieden, argumentiert die Bahn. Die Riedbahn gilt mit derzeit bis zu 300 Zügen pro Tag im Fern-, Nah- und Güterverkehr als eine der am stärksten befahrenen Strecken Deutschlands.

Deshalb gilt die Strecke als Pilotprojekt für die Generalsanierungen der kommenden Jahre. Insgesamt 40 Streckenabschnitte will die DB bis 2030 erneuern, auf gut 4.000 Streckenkilometern. Weitere 4.000 Kilometer sollen durch "kleinere und mittlere Maßnahmen" verbessert werden. Mindestens 45 Milliarden Euro veranschlagt die Bahn dafür zusätzlich.

Das Ziel: Weniger Störungen, weniger Baustellen für Jahre und so vor allem mehr pünktliche Züge. "Die aktuelle Betriebslage ist weder für uns noch für Reisende und Güterverkehrsunternehmen akzeptabel", so DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber. "Deshalb steuern wir ab dem kommenden Jahr grundsätzlich um und sanieren Strecken und Bahnhöfe radikal." Nach dem Prinzip "aus einem Guss" werden unter anderen Verbindungen wie Hagen-Wuppertal-Köln erneuert, Baubeginn 2026. Die Strecke zwischen Lehrte bei Hannover und Berlin 2027.

Blick auf die Riedbahn (Archivbild)

Die Riedbahn - hier ein Foto aus dem vergangenen Frühjahr - ist das Pilotprojekt für die Generalsanierungen.

Hamburg-Berlin fast zwei Jahre Dauerbaustelle

Die Strecke zwischen Hamburg und Berlin, den beiden größten deutschen Städten, ist 2025 mit der Generalsanierung dran. Derzeit nutzen etwa 230 Züge im Güter- und Personenverkehr die Verbindung pro Tag - mit bis zu 30.000 Fahrgästen. Auf der etwa 280 Kilometer langen Strecke sollen Gleise neu verlegt werden. Weichen, Oberleitungen, Stellwerkstechnik und mehrere Bahnhöfe werden modernisiert sowie neue Überholmöglichkeiten geschaffen.

Fernreisende und Güterverkehrskunden müssen deshalb mit mindestens 45 Minuten Fahrtzeit mehr rechnen - mindestens, denn einige Züge werden über Hannover umgeleitet. Und: Zwischen Hamburg und Berlin müssen Bahnkunden auch 2024 schon Geduld mitbringen. Zwischen August und Dezember werden erste Weichen, Gleise und Brücken erneuert. Die beiden Baumaßnahmen zusammenzulegen sei nicht möglich, so die Bahn. Unter anderem weil das Sanierungsvorhaben zu groß sei.

Geduldsprobe für Reisende

Auch auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim brauchen Reisende schon 2024 Geduld. Die Fernzüge werden umgeleitet. Im Nah- und Regionalverkehr kommen unter anderem 150 neue Busse für einen Ersatzverkehr zum Einsatz. Mehr als 1.000 Ersatzfahrten pro Tag sollen sie anbieten, alle fünf bis 15 Minuten. "Ich habe so einen Bus sogar schon besichtigen können", sagt Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn.

Die Busse machten einen guten Eindruck, die hätten sogar eine Toilette. Doch die Fahrt dauere sicherlich länger als mit dem Zug. Und dann müsse man den Ersatzverkehr erstmal finden. Die Informationen der Bahn dazu seien bisher meistens schlecht, so Neuß.

Übernimmt sich die Bahn?

Grundsätzlich sei die Generalsanierung aber notwendig, sagt der Fahrgastverband. "Man hat die Infrastruktur jahrelang auf Verschleiß gefahren." Das sieht auch DB-Infrastrukturvorstand Huber so. Doch die Verantwortung dafür sieht er bei der Politik: "Ein wesentliches Ziel der Bahnreform vor fast 30 Jahren war die Entlastung des Bundeshaushalts. Deshalb wurde das Netz jahrelang auf Kosteneffizienz ausgerichtet." Inzwischen wollten aber immer mehr Menschen Bahn fahren, und die Schiene sei außerdem entscheidend für die Verkehrs- und Klimawende.

Branchenkenner sind allerdings skeptisch, ob die Deutsche Bahn das ehrgeizige Bau- und Umleitungskonzept hinbekommt wie vorgesehen. Schon jetzt gebe es zu wenig Planer, zu wenig Disponenten, zu wenig Baufirmen und Ingenieure für solch große Bahnbaustellen in Deutschland.

"Momentan ist die ganze Branche darauf ausgerichtet, dass man 1,5 Milliarden Euro Bauvolumen hat", warnt der Eisenbahn- und Verkehrsexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. "Und wenn wir fünf Milliarden verbauen wollen im Neu- und Ausbau, dann braucht man viel mehr Leute. Und die sind schon jetzt knapp."

Die Pünktlichkeit beim Bauen wird sich zeigen

Der Fahrgastverband Pro Bahn macht sich außerdem Sorgen, dass die Finanzierung der Generalsanierung nicht dauerhaft gesichert ist. Das Ringen der Ampel-Koalition um den Haushalt 2024 gibt eine Vorahnung davon, was kommen könnte. Die Bahn setzt allerdings auf die Ankündigung der Bundesregierung, dass die Investitionen bei der Bahn nicht gekürzt würden.

Immerhin: Wenn die Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim das Pilotprojekt ist, dann wissen die Kunden schon Ende 2024 mehr. Kann es klappen mit der Generalsanierung bis 2030 - oder wird die Bahn auch beim Bauen Verspätung haben?

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. September 2023 um 18:15 Uhr.