Tagebau in der Lausitz Der erste Sommer ohne Kohlebagger
Seit diesem Jahr ist die Kohleförderung im brandenburgischen Jänschwalde Geschichte. Doch Rückbau und Renaturierung bleiben auf Jahre hinaus eine enorme Herausforderung - für die Anwohner und für die Region.
Der riesige Abraumbagger schiebt sich Meter um Meter voran. Im Tagebau Jänschwalde wird er weiter gebraucht. Aufräumen nach dem Ausbeuten: Sand und Erdmassen in der riesigen Grube müssen gesichert werden, damit hier künftig Forst, Landwirtschaft und eine Seenlandschaft entstehen können.
Etwa 130 Bergleute sind mit diesen Arbeiten beschäftigt. Steiger Michael Kadler ist einer von ihnen. Seit 1978 arbeitet er in Jänschwalde. Braunkohle - das war sein Leben. Doch Kohle wird hier keine mehr gefördert.
Das sei traurig, sagt er. Aber es gebe ja noch genug zu tun. "Wir wollen hier circa 125 Millionen Kubikmeter Erde bewegen mit diesem Bagger. Dazu kommen noch circa 20 Millionen, die dann mobil mit dem LKW gefahren werden. Also eine Riesenaufgabe, die bis in die 2030er-Jahre läuft."
Sandstürme und Wassermangel
Für die Anwohner nahe der Tagebaukante in Orten wie Grießen oder Taubendorf bedeutet das weitere Strapazen. "Das ist alles Sand hier oben, der durch die Luft weht, total braun alles." Werner Rogosky aus Taubendorf zeigt ein Foto auf seinem Smartphone. Das seien Sandstürme wie in der Sahara, wenn der Wind aus südwestlicher Richtung weht.
Und auch mit dem Wasser haben sie hier Probleme. Weil für den Tagebau das Grundwasser abgepumpt wurde, müssen sie in Taubendorf oder Grießen zum Wässern ihrer Gärten Leitungswasser nutzen. Bisher hat ihnen der Betreiber von Jänschwalde, die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag), dafür einen Zuschuss gezahlt. Doch mit dem Ende des Tagebaus endete auch der Gießwasserzuschuss.
"Sie bezahlen nichts mehr, aber pumpen noch ab", kritisiert Marion Bulda aus Grießen. Auch nach dem Ende der Kohleförderung muss für die Rekultivierung das Grundwasser abgesenkt bleiben, laut Leag bis in die 2040er-Jahre.
Das Bergbauunternehmen sieht das sogenannte "Wassergeld" jedoch als freiwillige Leistung. "Im Zuge des beschlossenen Kohleausstiegs durch die Bundesregierung hat die Leag ihre Planungen in allen Bereichen entsprechend angepasst. Dazu zählt unter anderem auch die Entscheidung zur Beendigung der Gießwasserbegünstigung", so eine Sprecherin der Leag.
Berlin auf dem Trockenen?
Das Grundwasser, das heute um den Tagebau Jänschwalde fehlt, nützt vor allem Berlin. Es wird unter anderem in die Spree gepumpt, aus der die Millionenmetropole ganz wesentlich ihr Trinkwasser bezieht. Wird Berlin irgendwann auf dem Trockenen sitzen? Was, wenn Jänschwalde renaturiert ist und kein Grundwasser mehr abgepumpt werden muss? Und mit welchem Wasser werden die drei Seen befüllt, die in Jänschwalde nach Plänen der Leag entstehen sollen?
Knapp 50 Jahre lang wurde in Jänschwalde Braunkohle gefördert: etwa 660 Millionen Tonnen, die jetzt in der Landschaft fehlen. Ein sogenanntes "Massendefizit", so das Landesamt für Bergbau Geologie und Rohstoffe Brandenburg. Erdreich in dieser Größenordnung sei nicht verfügbar - beziehungsweise es sei für den Betreiber "wirtschaftlich nicht zumutbar", es heranzuschaffen.
Für die Herstellung der Seen, die dieses "Massendefizit" ausgleichen sollen, stehe ein Planfeststellungsverfahren an. "Ohne dem Verfahren vorzugreifen wird dies im Ergebnis nicht dazu führen, dass Wassermengen so reduziert werden, dass es zu einem Austrocknen der Spree kommen kann", so Uwe Sell, der im Bergbauamt Brandenburgs die Abteilung Planfeststellung Energie/Bergbau leitet.
Der Umweltschutzverband BUND Brandenburg sieht auf Berlin und die Region dennoch ein Trinkwasserproblem zukommen. Es gibt in der Lausitz neben Jänschwalde weitere Tagebaue, die stillegelegt wurden oder werden. "Wir wissen noch nicht, wie wir nachher überhaupt die Spree vollkriegen", sagt Klaus Dinter, der den BUND Brandenburg in Cottbus vertritt.
Allein die drei geplanten Seen, die in Jänschwalde entstehen sollen, um Teile des Tagebaulochs zu füllen, würden ein Volumen von 140 Millionen Kubikmeter haben, so Dinter. Er zieht den Vergleich zu Tesla. "Sie müssen sich auch die Menge veranschaulichen: Tesla will bloß anderthalb Millionen Kubikmeter im Jahr, im Augenblick nehmen sie noch nicht mal so viel."
Saisonale Grundwasserspeicher benötigt
Dass die Durchflussmengen in der Spree geringer werden, wenn kein Wasser mehr aus den Tagebauen in der Lausitz eingespeist wird und dort Seen entstehen, sehen auch die Berliner Wasserbetriebe kommen. Doch selbst, wenn der Durchfluss um 75 Prozent zurückginge, würde man noch stabile Wasserstände in der Spree haben, sagt Gesche Grützmacher, Leiterin Wasserversorgung bei den Berliner Wasserbetrieben.
"Wir rechnen jetzt mit der Aufgabe der Tagebaue, sagen wir mal, in einer Größenordnung von eher 50 Prozent", so Grützmacher. Die Herausforderung sei dann eher, die Wasserqualität aufrecht zu erhalten. Langfristig müssten deshalb unter anderem Maßnahmen wie saisonale Grundwasserspeicher in der Region entstehen: Also in regenreicheren Wintern Grundwasser sammeln für trockenere Sommer.
Steiger Michael Kadler will seinen Arbeitsplatz in Jänschwalde aufgeräumt hinterlassen. "Das ist wie zu Hause Küche aufräumen. Wenn alles hinterher wieder in Ordnung ist, dann ist man stolz, dass man das Gelände ordentlich verlässt."
Kadler geht nächstes Jahr in Rente. Bis in Jänschwalde aber wieder blühende Landschaften entstehen, mit Forst- und Landwirtschaft und Seen, und bis kein Sand mehr in die Dörfer Grießen und Taubendorf weht, werden Jahre vergehen. Und dann ist da noch die Wasserfrage.