AfD in Brandenburg Mehr Macht als Manpower
Fünf Sitze hätte die AfD nach Stimmen besetzen können, doch nur drei Abgeordnete sind für die Partei ins Stadtparlament von Perleberg eingezogen. Kein Einzelfall. Ist das ein Problem für die Demokratie?
Zwanzig frisch gewählte Kommunalpolitiker kommen am Dienstagabend im Rathaus von Perleberg zusammen: Christ- und Sozialdemokraten, Liberale, Linke, Vertreter von "Freie Wähler Perleberg", "Bauern und ländliche Region", der "Wählergruppe Perleberger Stadtwächter" - und von der AfD. Es ist die erste, die konstituierende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in der westbrandenburgischen Stadt nach den Kommunalwahlen vom 9. Juni.
Eigentlich könnten sie 22 sein. Doch ausgerechnet die AfD, die bei den Wahlen zu den Kreistagen und Parlamenten der kreisfreien Städte in Brandenburg mit fast 26 Prozent stärkste Kraft wurde, liefert nicht: Sie kann in Perleberg nur drei der fünf gewonnenen Sitze besetzen. Mehr Kandidaten hatte sie für die Wahlliste hier nicht zusammenbekommen.
Machtverhältnisse verschieben sich
Eine Nachnominierung ist ausgeschlossen, sagt Wahlleiterin Simone Vinco. Die unbesetzten AfD-Sitze im prächtigen großen Sitzungssaal des neugotischen Rathauses von Perleberg bleiben also leer. Die Stadtverordnetenversammlung wird kleiner.
Für Axel Schmidt, den parteilosen Bürgermeister, ist das eine ganz neue Erfahrung: "Kann ich noch nicht beurteilen, wie sich das entwickelt." CDU und Linkspartei, nach Stimmen eigentlich nur auf Platz zwei und drei, liegen nun nach Sitzen an eins - mit jeweils vier Mandaten, jeweils ein Sitz mehr als die AfD.
Christopher Tamm, einer der drei neuen AfD-Stadtverordneten im Rathaus, nimmt das sportlich: "Wir setzen in Perleberg auf Qualität statt auf Quantität", sagt der 23-Jährige, der auch Mitglied in der "Jungen Alternative" ist, der Jugendorganisation der AfD, die der brandenburgische Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" einstuft.
Für Tamm ist der Sitz in der Stadtverordnetenversammlung sein erstes politisches Amt. Er will die Themen öffentliche Sicherheit, Jugendhilfe und Tierschutz voranbringen, erzählt er - auch wenn sie dafür jetzt nur zu dritt sind.
Der 23-jährige Christopher Tamm ist einer von drei Stadtverordneten der AfD in Perleberg.
Unbesetzte Mandate - ein Demokratieproblem?
Mehr Macht als Manpower bei der AfD: Perleberg ist da kein Einzelfall. Auch in anderen Städten und Gemeinden in Brandenburg kann die Partei ihre gewonnenen Stimmen nicht in politische Macht ummünzen - zu wenig Personal. 41 der insgesamt 861 gewonnen Mandate in Brandenburg muss die Partei unbesetzt lassen. Das teilte der AfD-Landesverband dem rbb mit.
Was bedeutet das für die Politik auf kommunaler Ebene? Und was für die demokratische Legitimation solcher Kommunalparlamente, wenn das Kräfteverhältnis nach Sitzen nicht die Machtverhältnisse nach Wählerstimmen widerspiegelt? Auf kommunaler Ebene lasse sich trotzdem etwas bewegen, sagt der AfD-Stadtverordnete Tamm. Man freue sich auf eine gute Zusammenarbeit.
Zumindest das klappt in der ersten Sitzung der neuen Stadtverordnetenversammlung: Einstimmig wählt das Gremium am Abend seinen neuen Vorsitzenden.
Mehr um Kandidierende bemühen
Die Kommunalparlamente seien auf jeden Fall arbeitsfähig, sagt Theresa Gessler, Politikwissenschaftlerin an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt an der Oder. "Es ist aber schon ein Problem für demokratische Repräsentation", findet sie. Die Wähler bekämen nun nicht das, was sie gewählt hätten. "Es ist aber kein Problem, das von der Seite der Struktur kommt, sondern wirklich eher ein Rekrutierungsproblem der Parteien."
Menschen für die Kommunalpolitik zu motivieren, sei schwierig. Das sei kein neues Phänomen. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht oder die Grünen hätten solche Probleme, so Gessler. Bei der AfD komme erschwerend hinzu, dass sich nicht viele Menschen für diese Partei aufstellen lassen wollen.
Alle Parteien müssten sich nun stärker darum bemühen, Kandidierende für die Kommunalpolitik zu finden, sagt die Politikwissenschaftlerin. Das sei jetzt der Auftrag.
Fünf Jahre haben sie dafür Zeit. Dann werden in Brandenburg wieder Gemeindevertretungen und Kreistage gewählt. Auch in Perleberg.