Urteil des Schiedsgerichts in Den Haag Kreml muss Jukos-Eigner entschädigen
Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag hat entschieden, dass Russland den Ölkonzern Jukos gezielt in den Bankrott getrieben hat. Der Kreml müsse daher Ex-Aktionäre mit 50 Milliarden US-Dollar entschädigen. Russland will das Urteil aber anfechten.
Ein Jahrzehnt nach der Zerschlagung des russischen Ölkonzerns Jukos hat ein internationales Gericht mehreren früheren Aktionären Schadensersatz zugesprochen. Russland müsse ihnen rund 50 Milliarden US-Dollar zahlen, entschied, der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag. Die Richter kamen in dem seit 2005 laufenden Verfahren zu dem Schluss, dass der russische Staat das Unternehmen absichtlich in den Bankrott getrieben habe. Die verhängte Entschädigungssumme macht den Fall zum bislang größten Verfahren in der Geschichte des Schiedsgerichtshofs.
Rosneft war größter Profiteur der Jukos-Zerschlagung
Jukos war von Michail Chodorkowski zum größten russischen Ölkonzern aufgebaut worden. Der russische Staat und Gerichte warfen ihm sowie mehreren seiner Geschäftspartner dann allerdings schwere Wirtschaftsstraftaten vor. 2003 wurde Chodorkowski, der als scharfer Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin auftrat, wegen Steuerhinterziehung festgenommen. Nach zwei international umstrittenen Gerichtsverfahren Ende vergangenen Jahres wurde er aus dem Straflager entlassen - nach einem Gnadengesuch an Putin.
Nach der Festnahme Chodorkowskis verkaufte der russische Staat die wichtigsten Bestandteile von Jukos über mehrere Jahre bei Auktionen. Die Filetstücke und große Teile des Konzernvermögens fielen an den Staatskonzern Rosneft, der von Putins treuem Gefolgsmann Igor Setschin geführt wird. In der Urteilsbegründung argumentierte der Schiedsgerichtshof in Den Haag, der primäre Grund für die Zerschlagung von Jukos sei nicht das Eintreiben fälliger Steuern gewesen, sondern der Kreml habe in erster Linie den Bankrott des Konzerns angestrebt.
Gegen das damalige Vorgehen des Kremls war ein Teil der ehemaligen Jukos-Aktionäre vor den Schiedsgerichtshof gezogen. Sie hatten von der Regierung in Moskau Schadensersatz in Höhe von 100 Milliarden Dollar gefordert, weil sie nach eigenen Angaben durch die Auflösung des Konzerns viel Geld verloren hätten.
Entschädigung trifft Russland hart
Nach dem Urteil verloren die Rosneft-Anteile spürbar an Wert. Sollte Russland die von den Richtern verhängte Entschädigungssumme zahlen müssen, wäre dies ein schwerer Schlag für die von einer Rezession geplagte Wirtschaft des Landes. Der Betrag macht mehr als zehn Prozent der russischen Währungsreserven aus. Der Kreml hat laut dem Urteil 180 Tage - und zwar bis zum 15. Januar 2015 - Zeit, um zu zahlen
Russland hat allerdings ebenso wie die Kläger das Recht, die Entscheidung vor einem ordentlichen niederländischen Gericht anzufechten. Ein Anwalt der klagenden Ex-Jukos-Aktionäre zeigte sich in einer ersten Reaktion zufrieden mit der Entscheidung, da Russland für "seine Verletzung des internationalen Rechts" zur Verantwortung gezogen werde. Tim Osborne, Direktor der klagenden Holding GML, sagte: "Die heutige Entscheidung ist ein großer Erfolg für die Eigentümer, die seit über zehn Jahren für diese Entscheidung gekämpft haben."
Ex-Jukos-Chef Chodorkowski bezeichnete das Urteil als fantastisch. "Aber es ist traurig, dass die Entschädigung aus der Staatskasse kommen wird und nicht aus den Taschen der Mafiosi mit Beziehungen zur Macht und aus denen von Wladimir Putins Oligarchen." Er sprach von einer "unverfrorenen Plünderung eines erfolgreichen Unternehmens".
Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte nach dem Urteil, sein Land werde in die Berufung gehen. "Die Behörden, die Russland in diesem Prozess vertreten, werden alle Rechtsmittel ausschöpfen, um ihre Position zu verteidigen", sagte er.
Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag soll die friedliche Beilegung internationaler Streitfälle erleichtern. Er wurde auf der ersten Haager Friedenskonferenz 1899 ins Leben gerufen. 121 Staaten sind ihm mittlerweile beigetreten. Die Einrichtung ist kein Gericht im traditionellen Sinn, sondern bietet den Rahmen, Streitigkeiten durch Schiedsverfahren zu lösen. Beim Verwaltungsrat wird eine Schiedsrichterliste geführt, aus der von Fall zu Fall ein Schiedsgericht - in der Regel drei Richter - gebildet werden kann. Die Streitparteien müssen sich dabei jeweils auf das Verfahren einigen.