Auftakt der Urteilsverkündung in Moskau Chodorkowski erneut schuldig gesprochen
Der Ex-Ölmagnat Chodorkowski ist in einem zweiten Prozess im Moskau erneut schuldig gesprochen worden. Dem früheren Chef des inzwischen zerschlagenen russischen Ölkonzerns Jukos wurde in dem Verfahren vorgeworfen, Millionen Tonnen Öl unterschlagen zu haben. Das Strafmaß ist noch nicht bekannt.
Der frühere russische Ölmagnat Michail Chodorkowski ist in seinem zweiten Prozess von einem Moskauer Gericht wegen Geldwäsche und Betrugs schuldig gesprochen worden.
Dem Ex-Chef des inzwischen zerschlagenen russischen Ölkonzerns Jukos wurde in dem Verfahren vorgeworfen, 218 Millionen Tonnen Öl abgezweigt und illegal weiterverkauft zu haben. Das Strafmaß wurde noch nicht bekannt gegeben. Die Urteilsverkündung kann mehrere Tage dauern. Folgt das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, wird Chodorkowski erst 2017 aus der Haft entlassen. Chodorkowskis Anwalt kündigte an, Berufung gegen den Schuldspruch einlegen zu wollen. Gleichfalls für schuldig befunden wurde Chodorkowskis mitangeklagter Geschäftspartner Platon Lebedew. Beide nahmen das Urteil abgeschirmt in einem Käfig aus Glas und Stahl entgegen. Demonstrativ ignorierten sie den Richter, flüsterten miteinander und lasen in Dokumenten und Büchern.
Vorverurteilung durch Putin
In einem ersten Prozess waren Chodorkowski und Lebedew bereits wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden, die im kommenden Jahr zu Ende geht. Chodorkowski sieht das Vorgehen gegen sich als politisch motiviert und setzte sich insbesondere gegen eine Aussage von Russlands Regierungschef Wladimir Putin zur Wehr. Putin hatte Chodorkowski wenige Tage vor der Urteilsverkündigung als schuldig bezeichnet.
Beobachter vermuten, dass die russische Führung den noch immer einflussreichen und finanzstarken Chodorkowski über die Präsidentenwahl 2012 hinaus politisch kaltstellen will. In dem 20 Monate dauernden zweiten Verfahren hatten Zeugen, darunter amtierende und ehemalige Regierungsmitarbeiter, die Vorwürfe gegen Chodorkowski und Lebedew als unwahrscheinlich und sogar absurd bezeichnet.
Vor dem Gerichtsgebäude in Moskau versammelten sich Hunderte Menschen, darunter viele Journalisten, da der Zugang zu dem Verfahren stark begrenzt war. Anhänger Chodorkowskis hielten Plakate mit der Aufschrift "Freiheit" und "Russland ohne Putin" in die Höhe. Die Polizei nahm nach Angaben der russischen Agentur Interfax 20 Demonstranten fest.
Scharfe Kritik aus dem Ausland
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), kritisierte das Urteil als "Beispiel für politische Willkürjustiz". "Ich bin zutiefst empört über den Schuldspruch", sagte Löning, der den Prozess besucht hatte. "Das Urteil wirft kein gutes Licht auf die Zustände in Russland." Es zeige, "dass die Rechtsstaatsrhetorik von Präsident Dmitri Medwedjew tatsächlich nur reine Rhetorik ist". Medwedjew hatte Regierungschef Putin kürzlich indirekt dafür gerügt, dass dieser eine Verurteilung Chodorkowskis gefordert hatte.
Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf den Schuldspruch. Regierungssprecher Christoph Steegmanns sagte, in dem Verfahren stehe die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensschritte auf dem Prüfstand. Eine genauere Bewertung könne erst vorgenommen werden, wenn die Begründung und weitere Einzelheiten des Schuldspruchs vorlägen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte eine unabhängige Prüfung der Vorwürfe gegen Chodorkowski und Lebedew. Das Verfahren sei unfair gewesen, die Verteidigung sei behindert und Entlastungszeugen seien nicht gehört worden. Der von Medwedjew angekündigte Kampf gegen den Rechtsnihilismus erscheine als bloße Floskel.