Die EZB-Zentrale Stromfresser und Problembau?
Die Europäische Zentralbank will mit ihrer Geldpolitik für Verlässlichkeit stehen - und auch für Nachhaltigkeit. Doch gilt das auch für die imposante Zentrale in Frankfurt am Main?
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Geldpolitik vor zwei Jahren "grün" gefärbt. Bevor sie Unternehmen finanziert, wird deren Ausstoß von Treibhausgasen geprüft. Zudem ist wichtig, was ein Unternehmen tut, damit die Lage besser wird und wie transparent über die Belastungen des Klimas durch die eigenen Geschäfte berichtet wird.
Wenn man diese Maßstäbe an die EZB selbst anlegt, zeigt sich: Die Zentrale der Zentralbank ist allen Versprechen zum Trotz kein klimatechnischer Musterbau. Es ist schwer, Gebäude und Anlagen ergrünen zu lassen.
Einmal pro Jahr veröffentlicht die EZB einen Umweltbericht ("Environmental Statement"). Vergleicht man die vor zehn Jahren bezogenen neugebauten Zwillingshochhäuser mit zwei anderen Hochhäusern, die die Zentralbank in Frankfurt am Main gemietet hat, zeigt sich: Die Neubauten sind gut isoliert. Für Heizung und Kühlung wird nur etwa 40 Prozent der Energie verbraucht, die in den Altbauten "Euro Tower" und "Japan Center" nötig ist.
Luftig gebautes Atrium
Ansonsten ist das "Main Building" ein Energieschlucker, der ein Fünftel mehr elektrischer Energie pro Arbeitsplatz verbraucht (im vergangenen Jahr: 5.750 Kilowattstunden (kWh) Strom) als die gemieteten alten Hoch-häuser (4.726 kWh). Die EZB erklärt, diese selbst veröffentlichten Daten seien wegen der Computerzentralen nicht aussagekräftig. Während früher auch der Verbrauch der Rechenzentren angegeben wurde, gibt es heute dazu keine Auskünfte mehr.
Wer das neue "Main Building" betritt, den beschleichen andere Zweifel an der Exaktheit der Messungen. Im sehr luftig gebauten Atrium lässt sich das Empfangspersonal im Sommer durch elektrische Ventilatoren kühle Luft zupusten. Im Winter wird das Personal mit elektrischen Heizöfchen auf erträglicher Temperatur gehalten.
Pläne, Realität und Mühen
Im ersten Umweltbericht zum Neubau pries die EZB noch besondere Nachhaltigkeit wegen effizienten Energieverbrauchs. Das Gebäude schaffte es ins "GreenBuilding"-Programm der Europäischen Kommission.
Mittlerweile ist Ernüchterung eingezogen. Die EZB müht sich erkennbar nach Kräften und dokumentiert erfolgreich auf vielfältigen Wegen, ihren direkten und indirekten Ausstoß von Klimagasen zu messen und zu verringern. Trotz aller Mühen und Erfolge bleibt das "Main Building" aber in Konstruktion und Betrieb ein technischer und ökologischer Problembau.
Rätselhafte Lecks, anfällige Elektrik
Prüfberichte, die der Hessische Rundfunk über Informationsfreiheitsregeln von Behörden erhalten hat, führen seitenweise Beispiele für Pfusch bei Installationen und Schlamperei im Betrieb auf. So flossen vor fünf Jahren 50 Liter Kühlflüssigkeit aus dem Klimasystem. Die Lecks blieben monatelang unklar.
Als der TÜV 2018 den automatischen Feuerschutz testete, versagte die Notstromversorgung. In den Zwillingshochhäusern wurde es dunkel. Auch Entrauchungsanlagen und Sprinkler wurden nicht mehr versorgt. Die Steuerung des Feuerschutzes wurde sicherheitshalber auf komplizierte Handsteuerung umgestellt. Bis Anfang dieses Jahres wurde die Elektrik komplett saniert. "Die Sicherheit der Mitarbeitenden ist und war zu jeder Zeit gewährleistet", sagt eine Sprecherin.
Feuerwehr und TÜV mahnen
Bei einem Feuerausbruch während einer der regelmäßigen EZB- Pressekonferenzen sieht das neue Brandschutzkonzept vor, den Alarm zu unterdrücken. Die Presse soll durchs Sicherheitspersonal nach draußen gebracht werden, was - so ein EZB-Sprecher - amtlichen Vorschriften entspreche.
Vor einem Jahr monierte die Frankfurter Feuerwehr, dass Rettungswege nicht richtig verzeichnet waren. Spezialwerkzeuge für den Rettungsfall fehlten, waren ausgeliehen, passten nicht, waren "verbogen und auch abgebrochen". Die Schalter zum automatischen Löschen im Sitzungssaal des EZB-Präsidiums ("Governing Council") waren unklar beschriftet. Die EZB versichert, mittlerweile sei alles in Ordnung.
Ein TÜV-Prüfer fand in einem Prüfbericht vom 20. Januar 2021 ungewöhnlich deutliche Worte. Wo sonst nüchtern Mängel und Fehler berichtet werden, schrieb sich der Prüfingenieur offenbar über zwei Seiten Ärger von der Seele. Er kritisierte, dass die EZB so tue, als ob Schadensfälle nur einzeln auftreten würden. Feuer und technische Störungen hingen oft miteinander zusammen - alles andere sei "aus technischer Sicht sinnfrei". "Tatsächlich müssen diese Anlagen auch im Bedarfsfall funktionieren" mahnte der Prüfingenieur. Auf Nachfrage verweist die EZB nur allgemein auf ihr hochmodernes neues Sicherheitssystem. Es funktioniere solide und effektiv, was durch Tests bestätigt werde.
Die Zentralbank als Bauherr
Die EZB schreibt, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz seien Zusammenarbeit von Architekt, Statiker, Energie- und Klimatechnikern in einem "integrierten Planungs- und Konstruktionsprozess" zu verdanken.
Als der Bau für einen Generalunternehmer ausgeschrieben wurde, gab es laut Presseberichten nur Angebote über 1,4 Milliarden Euro. Die EZB hatte ein Budget von 500 Millionen Euro vorgesehen und entschied, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die Preise seien gesunken, alles werde gut ausgehen.
Auf hängende Gärten im Atrium wurde verzichtet. Die Lokalpresse vermutete Kostengründe. Am Ende zahlte die EZB 1,3 Milliarden Euro für Gebäude, die in der Bilanz mit einem Anfangswert von einer Milliarde bewertet wurden. Nachdem Anfang 2018 die technischen Fehler deutlich geworden waren, verdreifachte die Bank die Abschreibung auf das "Main Building".