Erzeugerpreise Warum die EZB auch auf Kartoffelpreise schaut
Erneut gestiegen sind im Mai die Preise, die Landwirtinnen und Landwirte für ihre Erzeugnisse bekommen. Das ist ein wichtiger Anhaltspunkt für Verbraucher und auch die Europäische Zentralbank.
Wenn es zu nass, zu heiß oder zu kalt ist, dann hat es Auswirkungen auf die Ernte. Und damit auf die Kosten der Hersteller, also der Landwirte - und am Ende auch auf die Preise, die Bauern für ihre Produkte bekommen.
Die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte sind die Preise ab Bauernhof, nicht die Preise, die man im Supermarkt sieht. Und im Mai sind diese Preise nach Daten des Statistischen Bundesamts um dreieinhalb Prozent zum Vorjahresmonat, also im Vergleich zum Mai 2023, angestiegen. Das lag an Kartoffeln, aber auch am Obst, Gemüse und Raps. Bei den Erzeugerpreisen für tierische Produkte war die Entwicklung leicht negativ gegenüber dem Vorjahresmonat.
Viele Faktoren spielen eine Rolle. Der Blick richte sich nicht nur auf den heimischen Wetterbericht, sondern auch auf den in der ganzen Welt und die Ernten in vielen anderen Ländern, sagt Agrarökonom Sebastian Lakner von der Universität Rostock. "Das heißt, wir gucken immer, wie entwickeln sich die Bestände auf der Nordhalbkugel, aber eben auch in Lateinamerika oder Afrika auf der Südhalbkugel."
Diese Informationen und Daten fließen dann in Berichte ein, die an den Warenterminbörsen ganz genau gelesen werden. An an diesen Börsen werden landwirtschaftliche Produkte wie Mais, Raps oder Weizen zur Lieferung in der Zukunft gehandelt. "Und wenn sich das Erntegeschehen positiv entwickelt, heißt das: die Preise fallen. Wenn sich irgendeine Missernte andeutet, dann gehen die Preise natürlich sofort hoch, weil die Händler sofort versuchen, sich andere Ware zu besorgen", sagt Agrarökonom Lakner.
Handelswege, Kriege und Zölle sind wichtige Faktoren
Und an diesem Punkt wird wichtig, wie gut die Handelswege funktionieren. Der versperrte Suezkanal während der Corona-Pandemie hatte eindrücklich gezeigt, welche Folgen das hat für den Welthandel: Schiffe mussten große Umwege fahren, das trieb die Preise in die Höhe. Kriege wirken zusätzlich destabilisierend auf die Versorgungslage.
Dementsprechend sei es schwierig, Prognosen für die Preise der Zukunft zu machen, so Lakner. "Der Krieg in der Ukraine wirkt auch massiv auf die Preise, weil die Ukraine ein wichtiger Versorger vom Weltmarkt ist und sich das weiterhin sehr schwierig gestaltet." Zölle können Produkte ebenfalls teurer machen. Das alles beeinflusst die sogenannten Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte.
Wo die Zinspolitik wenig Einfluss hat
Für Volkswirte habe der aktuelle Anstieg bei den Erzeugerpreisen im Rahmen der Erwartungen gelegen, sagt Edgar Walk, Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management. Es gibt zwei Erzeugerpreise, die veröffentlicht werden: einerseits die landwirtschaftlichen - also für tierische und pflanzliche Produkte - und andererseits die allgemeinen. Darunter fallen Industriegüter, Maschinen und Konsumentengüter wie Fernseher; Güter, die man anfassen kann. Walk erklärt, warum man dabei unterscheidet. "Bei den Konsumentenpreisindizes schaut man auf die Güter, Dienstleistungen, auf Lebensmittel und auf Energiepreise - man teilt das also auf."
Und Energiepreise, Lebensmittelpreise würden auf den Weltmärkten festgestellt, seien auch stark vom Wetter beeinflusst, so Walk. "Auf die Energie- und Lebensmittelpreise kann die Zentralbank mit ihrer Zinspolitik relativ wenig Einfluss nehmen, während sie auf alle anderen Preise mit ihrer Zinspolitik einen starken Einfluss nehmen kann. Und deshalb die Separierung."
Stärkere Schwankungen
Der Verbraucher sieht die Erzeugerpreise zwar nie. Und je mehr Vermarktungsstufen zwischen dem Landwirt und dem Endabnehmer - etwa Verbraucherinnen und Verbrauchern - liegen, desto geringer ist der Anteil des Erzeugerpreises am Ladenpreis. Trotzdem seien sie ein wichtiger Input-Faktor für die Konsumentenpreise, sagt Volkswirt Walk. "Die Erzeugerpreise liefern den Impuls, der sich dann durch die Kette durcharbeitet und natürlich Auswirkungen hat auf die Konsumentenpreise."
Die Erzeugerpreise schwanken dabei viel stärker als die Konsumentenpreise - und sie haben einen gewissen Vorlauf von etwa ein, zwei Monaten. Das bedeutet konkret: Wenn die Erzeugerpreise steigen, kann man ableiten, dass in ein, zwei Monaten dann auch die Konsumentenpreise steigen könnten. Die Erzeugerpreise sagen also etwas aus über den zukünftigen Trend der Inflation.
Deshalb sind sie grundsätzlich wichtig für die Europäische Zentralbank. Aber die Erzeugerpreise messen Güter. Und bezogen darauf und auf Lebensmittel sowie Energie entspannt sich die Inflation. Hartnäckig bleibt die Teuerung bei den Dienstleistungen. Dementsprechend sind die Erzeuger- und Güterpreise im Moment nicht das Hauptaugenmerk der EZB.
Der Klimawandel als ungewisser Faktor
Mit Blick auf die Zukunft der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise sind Prognosen schwierig - durch den Klimawandel wird sich das Wetter massiv verändern. Und das wird die Landwirtschaft betreffen.
Dazu komme eine steigende Weltbevölkerung - und eine, die vermögender wird, sagt Volkswirt Edgar Walk. "Wir stellen fest, wenn Menschen vermögender werden, konsumieren sie mehr Fleisch. Das heißt, die Nachfrage nach Lebensmitteln wird tendenziell weiter steigen und die Produktion dürfte tendenziell unter Druck kommen aufgrund des Klimawandels." Eine Perspektive, die zeigt: Die Lebensmittelproduktion und die Preise dafür werden in Zukunft immer wichtiger.