Griechenlands EU-Außengrenze Mare Liberum beendet Pushback-Dokumentation
Die NGO Mare Liberum hatte das Ziel, Pushbacks im Meer vor Griechenland zu dokumentieren. Nun gibt sie ihre Arbeit auf. Rechtsverletzungen an der EU-Seegrenze sind jetzt noch schwieriger nachweisbar.
Er sei vor allem wütend, sagt Hanno Bruchmann am Telefon. Der Vorstand der Organisation Mare Liberum wirkt zerknirscht: Die Organisation sah sich als "Watch Dog", als Wachhund im Mittelmeer.
Sie versuchte seit 2018 mit einem eigenen Schiff in griechischen Hoheitsgewässern Fluchtboote aufzuspüren, die von der griechischen Küstenwache entdeckt wurden. Immer wieder habe sie beobachten können, wie die griechische Küstenwache Geflüchtete in türkische Gewässer zurückgedrängt hat.
Griechische Regierung bestreitet Pushbacks
Diese Pushbacks auf hoher See sind illegal. Jeder Asyl suchenden Person steht zu, dass ihr Anliegen an Land geprüft wird. Nach Angaben der deutschen Organisation sollen allein im Jahr 2020 circa 10.000 Menschen von solchen Pushbacks an der EU-Außengrenze betroffen gewesen sein.
Teilweise sollen sie von Grenzschützern unter Anwendung von Gewalt auf schwimmenden Inseln ausgesetzt worden sein. Die griechische Regierung hat diese sogenannte Pushback-Praxis immer abgestritten.
Behinderung durch bürokratische Hürden
Bruchmann erzählt, dass die Berichte von Mare Liberum europaweites Echo ausgelöst hätten. Doch ihre Arbeit an der EU-Außengrenze sei zunehmend durch bürokratische Hürden verhindert worden: Registrierungs- und Zertifizierungspflichten bedeuteten für die Organisation einen hohen Kostenaufwand für Anwälte und beglaubigte Übersetzungen.
Gleichzeitig seien die Maßnahmen immer weiter verschärft worden. Bruchmann nimmt an, dass die griechische Regierung diese bürokratischen Hürden gezielt immer weiter nachjustiert hat, damit eine kleine NGO an ihnen scheitern muss. Oder hohe Strafen riskiert.
Das Migrationsministerium weist gegenüber der ARD den Vorwurf zurück, NGOs mit nicht-erfüllbaren Auflagen an ihrer Arbeit zu hindern. "Eine notwendige Bedingung für die Tätigkeit einer NGO in Griechenland ist die vollständige Einhaltung der Bedingungen und Regeln, die für ihre Aufnahme in das Register griechischer und ausländischer Nichtregierungsorganisationen festgelegt wurden", so das Ministerium.
"Zunehmend feindliche Stimmung"
Lefteris Papayiannakis, Leiter der Organisation Greek Council for Refugees, bedauert es, dass Mare Liberum ihre Arbeit eingestellt hat. Die Organisation habe wertvolle Erkenntnisse geliefert, die der griechischen Regierung möglicherweise nicht gefallen hätten.
Obwohl er grundsätzlich Registrierungen von NGOs für sinnvoll halte, hätten auch andere NGOs in Griechenland ähnliche Probleme wie Mare Liberum, sagt Papayiannakis. Es herrsche in Griechenland generell eine zunehmend feindliche Stimmung gegenüber NGOs, die zu Menschenrechtsfragen arbeiten.
Kein "Watch Dog" mehr an griechischer Seegrenze
Hanno Bruchmann sieht mit Sorge auf die zunehmenden Abschottungstendenzen der EU. Es brauche Korridore einer sicheren Einreise, sagt er. Und es bedürfe einer kritischeren Haltung der EU-Partnerländer gegenüber Griechenland zu dessen Rolle an der EU-Außengrenze.
Das Schiff von Mare Liberum wird nun in italienischen Gewässern unterwegs sein. Eventuelle Rechtsbrüche an der griechischen Seegrenze zur Türkei werden nun wieder unbeobachtet bleiben. Denn Mare Liberum war der einzige "Watch Dog" in griechischen Hoheitsgewässern.