Brexit-Abstimmungen Das Unterhaus hat wieder Oberwasser
Theresa Mays Umgang mit dem Parlament hat dem Ruf Großbritanniens als Wiege der parlamentarischen Demokratie geschadet. Mit den erzwungenen Abstimmungen hat das Unterhaus die Kontrolle zurückgewonnen.
Das britische Unterhaus wird von vielen auf dem Kontinent bewundernd als die Mutter aller Parlamente bezeichnet. Auch wenn das nicht enden wollende Brexit-Drama den guten Ruf der Briten in dieser Hinsicht gewaltig ramponiert haben mag - seit gestern weiß man wieder, warum es so genannt wird. Es war eine Sternstunde der parlamentarischen Demokratie.
Auch wenn es dafür Monate gebraucht hat, seit gestern ist endlich wieder klar, dass Großbritannien eine parlamentarische Demokratie ist, mit dem Unterhaus als Souverän. In den Monaten zuvor hatte Theresa May dessen Rechte konsequent mit Füßen getreten.
Es begann mit dem Versuch, das Unterhaus bei dem gesamten Brexit-Prozess komplett zu umgehen, der erst durch ein Gerichtsurteil abgewendet werden konnte. Dann folgte Mays unwürdige Taktik, ihren mit überwältigender Mehrheit abgelehnten Deal immer wieder vorzulegen, der Versuch, die Abgeordneten gegen deren Überzeugung in die Unterwerfung zu zwingen.
Eine erstaunliche Rede
Das Ganze endete dann mit ihrer in vielerlei Hinsicht erstaunlichen Rede am vergangenen Mittwoch, in der sie sich als quasi autokratische Herrscherin gebärdete, die ihre Autorität ausschließlich vom Volk zu beziehen glaubte. Eine Rede, in der sie den Parlamentariern die Schuld für ihre eigene Brexit-Misere zuschob und gleichzeitig vorgab, nur sie könne den eigentlichen "Willen des Volkes" umsetzen.
Eine erstaunliche Aussage für eine demokratische Regierungschefin, die gleichzeitig dem Volk ein zweites Referendum konsequent verweigert. Am morgigen Mittwoch nun wird das Parlament Theresa May das Brexit-Ruder aus der Hand nehmen und selbst über neue Lösungen abstimmen. Ein historischer Vorgang, den es in der britischen Parlamentsgeschichte so noch nicht gegeben hat.
Gegner des Brexits protestierten am 26. März vor dem britischen Unterhaus.
Drei Gründe gegen ein schnelles Ende
Wer sich davon jetzt aber ein schnelles Ende des quälenden Dramas erhofft, der könnte bald enttäuscht werden. Und zwar aus drei Gründen: Erstens wird der morgige Tag nur der Startschuss zu einem längeren Prozess, durch den sich die Abgeordneten auf eine neue Brexit-Variante einigen müssen. Und es ist noch lange nicht ausgemacht, dass die Abgeordneten das hinbekommen.
Zweitens sind die Abstimmungen des Parlaments rechtlich nicht bindend. Und Theresa May hat bereits gestern klar gemacht, dass sie sich nicht verpflichtet sieht, zum Beispiel einen weicheren Brexit auch politisch umzusetzen, selbst wenn das Parlament sich dafür aussprechen sollte. Nur ein eindeutiges und sehr klares Votum für eine andere Lösung würde anschließend auch politisch zwingend werden.
Und drittens, selbst ein klares Votum des Parlaments wird May nicht daran hindern, ihren eigenen Deal doch noch ein drittes Mal dem Unterhaus vorzulegen. Ironischerweise könnten ihre Chancen dadurch sogar steigen. Denn die Hardliner in ihrer Partei dürften mit Sorge sehen, dass die überwältigende Mehrheit des Parlaments gegen einen chaotischen Brexit ist, die Form des Ausstiegs, den sie propagieren.
Das Parlament hat die Kontrolle zurück
Deren Sprecher, Jacob Rees Mogg, erklärte heute morgen, es gehe jetzt um Mays Deal versus gar keinen Brexit. Ein Hinweis darauf, dass die Hardliner umschwenken könnten. Aber wie auch immer die nächsten Tage ausgehen: Das Parlament hat die Kontrolle über den demokratischen Prozess beim Brexit zurückgewonnen.
Das allein ist eine gute Nachricht. Und, ganz nebenbei, war das nicht auch die zentrale Botschaft der Brexiteers? Dass das britische Parlament die Kontrolle zurückerlangen müsse, wenn es um die Geschicke des Landes geht? Seit gestern ist zumindest diese Forderung erfüllt.