Brexit Abgeordnete erzwingen Abstimmung
Das britische Unterhaus will an diesem Mittwoch über Alternativen zu dem von Premierministerin May mit der EU verhandelten Brexit-Abkommen abstimmen. Was dabei herauskommt, ist völlig offen.
"Die Abgeordneten übernehmen die Kontrolle" – diese Schlagzeile druckten gleich mehrere britische Zeitungen heute auf ihre Titelseite.
Das Parlament hat gestern am späten Abend entschieden: Am Mittwoch soll das britische Unterhaus über Alternativen zu dem mit der EU ausgehandelten Brexit-Deal abstimmen, um zu sehen, wo sich möglicherweise eine Mehrheit herauskristallisiert. 329 Abgeordnete stimmten für einen von einer parteiübergreifenden Gruppe eingereichten Antrag, und 302 dagegen. Der oppositionelle Labour-Chef Jeremy Corbyn begrüßt die Entscheidung.
Ich beglückwünsche das Haus dazu, dass es Kontrolle übernimmt. Die Regierung muss diesen Prozess nun ernst nehmen. Wir wissen noch nicht, was am Mittwoch entschieden wird. Aber ich weiß, dass es viele Abgeordnete gibt, die für Alternativen gearbeitet haben und über diese müssen wir nun debattieren, um einen Konsens zu finden.
Sieben Optionen für den Brexit
Die Abgeordneten werden über sieben Optionen abstimmen: Etwa über ein zweites Referendum, eine Annullierung des geplanten EU-Austritts, einen weicheren Brexit, aber auch ein No Deal-Austritt soll eine Option sein. Wieder einmal ist es eine Niederlage für die britische Premierministerin.
Das Ergebnis ist nicht rechtlich bindend, Theresa May kann es politisch aber auch nicht ignorieren. 30 Konservative aus ihrer eigenen Tory-Partei stimmten ebenfalls für den Antrag - darunter auch drei Staatssekretäre, die gleichzeitig ihren Rücktritt erklärten. Auch der ehemalige Generalstaatsanwalt und Tory-Abgeordnete Dominic Grieve geht weiterhin auf Konfrontationskurs.
Es wird natürlich nicht alle Probleme lösen. Mittwoch wird ein schwieriger Tag, wir werden entscheiden, wie wir genau vorgehen. Aber zumindest geht es jetzt voran. Bisher haben wir uns nur im Kreis gedreht. Ich hoffe einfach, dass wir identifizieren, wo es eine Mehrheit gibt, und wir damit unsere Meinung kundtun, und eine Alternative zum Abkommen der Regierung finden.
Unklarheit könnte May helfen
Doch was passiert, wenn sich keine Mehrheit für irgendeine Alternative abzeichnet, dann wird die Situation nur noch unübersichtlicher. Ein anderes Szenario könnte Theresa May ebenso in die Hände spielen, sagt der Politikwissenschaftler Anand Menon vom King’s College in London gegenüber der BBC.
Wenn es eine Mehrheit für eine Alternative gibt, die die konservativen Brexit-Hardliner ein wenig nervös werden lässt. Diese Tatsache könnte paradoxerweise dazu führen, dass die britische Premierministerin die Kontrolle über den Brexit-Prozess zurückgewinnt.
So kommen könnte es, weil die konservativen Brexit-Hardliner einen weicheren Brexit, etwa eine Zollunion und eine enge Anbindung an den Binnenmarkt, so wie es der oppositionelle Labour-Chef Jeremy Corbyn vorschlägt, unbedingt vermeiden wollen - und deswegen dem Abkommen von Theresa May doch noch zustimmen könnten. Doch spekuliert wird in diesen Tagen viel.
Reaktion der Regierung: "Gefährlicher" Präzedenzfall
Das Brexit-Ministerium erklärte gestern Abend, das Votum stelle einen "gefährlichen" Präzedenzfall dar. Theresa May musste gestern im britischen Unterhaus eingestehen, dass nach wie vor keine Mehrheit für ihren Deal vorhanden ist, sie arbeite jedoch daran, eine Abstimmung noch in dieser Woche zu ermöglichen.
Der konservative Brexit-Hardliner Andrew Bridgen zeigt sich unbeeindruckt.
Ich denke, dass wir am 12. April an dem gleichen Punkt sind wie kurz vor dem 29. März, dem ursprünglichen Austrittstermin. Es wird keine Mehrheit für das Abkommen geben.
Bis zum 12. April muss May eine Mehrheit für ihren Deal gewinnen oder einen alternativen Plan vorlegen. Bei einer weiteren Verlängerung müsste Großbritannien an den Europawahlen teilnehmen. Ansonsten droht ein No Deal Brexit - der ist längst nicht vom Tisch.