Ringen um Brexit-Deal Das Prinzip Hoffnung
Brüssel stellt sich klar gegen Nachverhandlungen beim Brexit. In London sehen dennoch nicht wenige die EU am Zug - und hoffen auf ein Entgegenkommen in letzter Minute.
Premierministerin Theresa May und ihre Konservativen sind begeistert. Endlich eine Mehrheit im britischen Unterhaus, endlich haben scheinbar unversöhnliche Lager miteinander gestimmt. May will nun gestärkt durch das Mandat des Parlaments mit der EU verhandeln, das Austrittsabkommen wieder aufmachen und den sogenannten Backstop neu formulieren - die Notlösung also für eine offene Grenze zwischen Irland und Nordirland.
Überall ein Nein - "Was versteht May daran nicht?"
Doch was sagt Brexit-Minister Steve Barclay zur Ablehnung neuer Verhandlungen aus Brüssel, wollte BBC-Moderator Nic Robinson heute früh wissen. Immerhin hätten sie alle Nein gesagt: EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Chefunterhändler Michel Barnier und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. "Was daran versteht die Premierministerin nicht?", fragte der Moderator.
May habe in der Vergangenheit immer wieder ein Nein gehört, das sie mit ihrem Einsatz für das nationale Interesse jedoch habe überwinden können, antwortete Barclay und bezog sich auf Zugeständnisse der EU bei früheren Verhandlungen.
Bislang altbekannte Vorschläge
Doch mehr als altbekannte Vorschläge zur Änderung des Backstops hatte Mays Minister auch heute nicht zu bieten: "Eine zeitliche Beschränkung des Backstops, ein Kündigungsrecht, technische Lösungen - das wird in den Verhandlungen mit der EU in den nächsten Tagen eine Rolle spielen." Ideen, die von der EU immer wieder abgelehnt wurden. Und die auch hier in Großbritannien auf Skepsis stoßen.
Keinen Schritt vom No-Deal entfernt
Eines Tages könnte Technologie diese Probleme vielleicht lösen, aber nicht jetzt, meinte Carolyn Fairbairn vom Verband der britischen Industrie und sagte über die gestrige Entscheidung: "Die Wirtschaft reagiert mit wachsender Frustration und Sorge. Das Hauptziel der Unternehmen ist es, einen harten Brexit ohne Abkommen zu vermeiden. Aber sind wir jetzt weiter entfernt vom No-Deal? Die Antwort ist Nein."
Denn die Willenserklärung des Parlaments gegen einen Austritt ohne Abkommen ist rechtlich nicht bindend und damit wohl wenig wert, sind sich Politiker aller Lager einig. Im Gegenteil ist die Regierung offenbar bereit, einen drohenden harten Brexit am 29. März als Druckmittel zu benutzen. Man wisse ja, dass die EU oft erst in allerletzter Minute zu Kompromissen bereit sei, sagte etwa der konservative ehemalige Brexit-Minister Dominic Raab:
Die Frage ist nicht, ob die EU kann, sondern ob sie will. Der Ball liegt jetzt in ihrem Feld. Und die EU muss eine Entscheidung treffen.
Zugeständnisse von der EU - "ein Hirngespinst"
Doch selbst innerhalb der konservativen Partei gibt es Kritik, wie die Tory-Abgeordnete Sarah Wollaston deutlich machte: "Das ist ein Hirngespinst, keine Illusion. Man könnte genauso gut beschließen, Ebbe und Flut abzuschaffen. Wir wissen doch, dass es keine deutlichen Änderungen am Austrittsabkommen geben wird."
Während May nun den Kontakt mit der EU sucht, laufen die Bemühungen um breite Unterstützung hier in London weiter. Erstmals wollen sich die Premierministerin und Labour-Chef Jeremy Corbyn treffen, um Gemeinsamkeiten auszuloten. Doch die Opposition setzt wenig Hoffnung in Zugeständnisse der EU.
Am 13. Februar würde May dann wieder vor dem Unterhaus stehen, möglicherweise mit leeren Händen. Darauf bereite man sich vor, so der Labour-Politiker Barry Gardiner: "Wenn sie die Zeit weiter ablaufen lässt, dann wird es eine weitere Möglichkeit geben, mit einem Gesetz im Parlament einen Austritt ohne Deal zu verhindern."
Und so regiert in London heute auf allen Seiten das Prinzip Hoffnung.