No-Deal-Notfallpläne Unternehmen flüchten vor dem Brexit
Ein harter Brexit scheint immer wahrscheinlicher - und viele Firmen planen schon ganz konkret für den Fall der Fälle. Manche haben bereits mit dem Umzug begonnen. Ein Überblick über No-Deal-Strategien und Notfallpläne.
Lange haben Unternehmer und Vorstandsvorsitzende auf einen Deal zwischen Großbritannien und der Europäischen Union gehofft, der Ordnung ins Brexit-Chaos bringt. Weil die britische Regierung aber nicht liefert und der Stichtag immer näher rückt, arbeiten immer mehr Unternehmen ihre Notfallpläne ab.
Beliebte Ziele: mittel- und osteuropäische Länder
Die meisten beginnen damit, ihre Unternehmen - zumindest teilweise - auf den Kontinent zu verlagern. Das Wort vom "Brexodus" macht die Runde, der großen Flucht aus Großbritannien. Beliebte Ziele sind die Niederlande, Frankreich, Deutschland oder auch Osteuropa.
Ein Beispiel ist Jaguar Land Rover, das die Produktion des SUV Discovery in die Slowakei verlagert, um im britischen Stammwerk Elektroautos zu bauen. Oder der japanische Elektronikkonzern Sony, der seinen europäischen Verwaltungssitz bis Ende März nach Amsterdam verlagert, um "umständliche Zollprozeduren" zu vermeiden. Auch der Turbinenhersteller Rolls Royce plant, die Triebwerkszulassung für großer Flugzeugmotoren nach Deutschland umzusiedeln.
Fluglinien und Banken gründen EU-Tochterfirmen
Hier reihen sich auch Fluggesellschaften und Banken ein, die für ihr EU-Geschäft eine besondere Lizenz benötigen. Beispiel: Easyjet. Um nach dem Brexit ungehindert weiterzufliegen, hat die Fluglinie eine Tochtergesellschaft in Österreich gegründet und bereits 130 von rund 300 Flugzeugen umgeflottet. Eine ähnliche Politik fährt Ryanair mit dem polnischen Ableger Ryanair Sun.
Von der Insel flüchten auch viele der 150 Banken, die ihr EU-Geschäft aus der Londoner City heraus betreiben. Nach Angaben des Vereins Frankfurt Main Finance haben sich schon mehr als 30 Banken in der Mainmetropole angesiedelt. Aus Luxemburg hört man von 70 neuen Bank-Lizenzen allein im vergangenen Jahr. Für Paris, den künftigen Standort der Europäischen Bankenaufsicht, hat Präsident Emmanuel Macron geworben.
Vollständiger Abschied von Europa
Einige Firmen nehmen sogar ganz Abschied von Europa - so etwa Dyson, der urbritische Hausgerätehersteller, dessen Gründer Sir James Dyson sogar Brexit-Befürworter war. Doch nachdem er bereits seit 2003 in Asien statt in Großbritannien produzieren lässt, verlagert er jetzt auch noch seinen Konzernvorstand in den südostasiatischen Stadtstaat Singapur. Auch der Medienkonzern Discovery (unter anderem "EuroSport"), will seine europäische Sendezentrale in London komplett schließen. Nach amerikanischem Vorbild soll es künftig einen internetbasierten Streaming-Dienst geben.
Abzugsdrohungen als Signal an die britische Regierung
Andere Unternehmen drohen erstmal nur und warten weiter ab. "Wenn es einen Brexit ohne Abkommen gibt, müssen wir bei Airbus möglicherweise sehr schädliche Entscheidungen für Großbritannien treffen", drohte Airbus-Chef Tom Enders den Abzug der Tragflächenproduktion an. Doch Flugzeugbau sei ein langfristiges Geschäft, heißt es aus der Industrie. Enders' Botschaft sei deshalb eher Warnung an die britische Regierung als eine konkrete Abzugsentscheidung.
Fest steht: Die Notfallpläne werden jetzt abgearbeitet. Jeden Tag, den der Brexit ohne Deal näher rückt, werden schwer umkehrbare Tatsachen geschaffen. Und spätestens die Kosten für Werksverlagerungen gingen in die Milliarden, schätzt die Unternehmensberatung KPMG.
Ökonom: "Wertschöpfungsketten werden jetzt umgebaut"
"Die Wertschöpfungsketten werden jetzt umgebaut - selbst wenn es noch zu einem Deal kommt“" sagt der Ökonom Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. "Das ist für die britische Wirtschaft bitter und wird das Wachstum weiter dämpfen."
Möglich ist auch, dass es in einigen Fällen so läuft wie bei Unilever. Der niederländisch-britische Konsumgüterhersteller ("Dove", "Pfanni", "Ben&Jerry’s") wollte seine Konzernzentrale eigentlich aus London nach Rotterdam verlegen. Doch weil sich britische Aktionäre dagegen auflehnten, musste Unilever die Entscheidung zurücknehmen.