Mays Brexit-Rede Planspiele ohne Lösung
Enttäuschung, Ungeduld, Ratlosigkeit: Das Fazit der Beobachter zu Theresa Mays Brexit-Plan B fällt durchweg negativ aus. Die Bundesregierung rief die Briten dazu auf, eine mehrheitsfähige Lösung zu finden.
Viel Neues hatte Premierministerin Theresa May im Unterhaus zum Gezerre um den Brexit nicht zu bieten. Entsprechend verhalten wurde ihr Plan B zum EU-Austritt aufgenommen.
In einer ersten Reaktion lehnte die EU den Vorstoß von May zu Nachverhandlungen ab. "Wir sind immer bereit, uns zu treffen und zu reden", sagte ein Sprecher von EU-Ratschef Donald Tusk. An der Ausgangslage habe sich jedoch nichts geändert. Die verbleibenden 27 EU-Staaten hatten schon im Dezember gesagt, dass das mit May ausgehandelte Austrittsabkommen nicht nachverhandelt werden könne. "Ich glaube, es gibt keinen Plan B", sagte der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Guy Verhofstadt.
ARD-Korrespondent Michael Grytz berichtete aus Brüssel, dass er keine Zeichen für ein Entgegenkommen der EU wahrnehme. Man habe zwar ein offenes Ohr für May, doch eine offene Verhandlungsposition sehe er nicht. Positiv seien die Äußerungen von May zur Nordirland-Frage aufgenommen worden.
"Ich bin enttäuscht"
Kanzlerin Angela Merkel rief die britische Regierung zu raschen und in London konsensfähigen Vorschlägen auf. "Die Bundesregierung erwartet, dass die britische Regierung sich bald auf Vorschläge einigt, die von einer Mehrheit des Unterhauses unterstützt werden", teilte ein Regierungssprecher mit. Deutschland setze sich weiter für einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der EU ein.
Ihre Nachfolgerin an der der CDU-Spitze, Annegret Kramp-Karrenbauer, zeigte sich ungeduldig. Sie forderte das Parlament in London auf, endlich zu einer klaren Haltung zu kommen. Eine Verschiebung des Brexit-Datums "macht ja nur dann Sinn, wenn vorher klar ist, über was nochmal gesprochen wird". Der Ball liege "nach wie vor im Feld der Briten", sagte die CDU-Chefin.
Bundesjustizministern Katarina Barley genügt der von May vorgelegte sogenannte Plan B nicht. "Ich bin enttäuscht", sagt sie dem Deutschlandfunk. Barley sprach sich für eine zweites Brexit-Referendum aus. Das halte sie für "hochdemokratisch". Eine inhaltliche Neuverhandlung des jetzigen Vertrages zwischen Großbritannien und der EU komme nicht infrage.
"May hat nichts aus ihren Fehlern gelernt"
Der SPD-Europapolitiker Udo Bullmann bezeichnete die Lage in London als "vernagelt". Um Stabilität zurückzugewinnen, müsse May das Volk fragen. Auch der langjährige EU-Abgeordnete Elmar Brok äußerte sich enttäuscht über Mays Rede. "Ich habe keinen Plan B gehört. Ich habe nur gehört, dass Regierung und Opposition in Großbritannien jetzt miteinander reden wollen", sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenportal "t-online.de". Brok warnte vor den Folgen fehlender Kompromissbereitschaft der verschiedenen Lager im britischen Parlament. "Wenn alle weiter auf den eigenen Positionen beharren, geht gar nichts. Dann passiert der Unfall, der harte Brexit, obwohl ihn niemand will."
Die Brexit-Expertin der Grünen im Europaparlament, Terry Reintke, äußerte sich ähnlich kritisch und plädierte ebenfalls für eine neue Volksabstimmung. "Der sogenannte Plan B zeigt: May hat nichts aus ihren Fehlern gelernt", erklärte Reintke der dpa.
Plan B: Keine neuen Ideen
May hatte gestern dem britischen Parlament ihren Plan zum EU-Austritt vorgestellt. Konkrete Neuerungen präsentierte sie in ihrer Rede allerdings nicht. Sie betonte vor allem, was sie alles nicht will. Eine Verschiebung des Austrittstermins lehnte May genau wie ein zweites Referendum erneut ab. Sie schloss weiterhin nicht aus, dass Großbritannien die Europäische Union ohne Abkommen verlässt.
Laut den aktuellen Planungen tritt Großbritannien am 29. März aus der EU aus. Alle Versuche, dafür ordentliche Regelungen zu finden, sind bislang gescheitert. Das von May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen - ihr "Plan A" - war vom britischen Parlament in der vergangenen Woche mit breiter Mehrheit abgelehnt worden.
Nun will May mit der EU vor allem über einen besonders umstrittenen Punkt des Abkommens neu verhandeln: die Frage, wie eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindert werden kann. Der größte Kritikpunkt von Mays Gegnern ist der sogenannte Backstop im Austrittsabkommen, der vorsieht, dass das Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleibt, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wird.