Abstimmung im Unterhaus Mays Brexit-Abkommen scheitert klar
Das britische Unterhaus hat das Brexit-Abkommen klar abgelehnt. 432 Abgeordnete stimmten dagegen, 202 Abgeordnete dafür. Heute Abend stimmen sie über ein Misstrauensvotum gegen Premierministerin May ab.
Die britische Premierministerin Theresa May hat die Abstimmung über ihr Brexit-Abkommen deutlich verloren. Das Unterhaus lehnte die mit der EU ausgehandelte Einigung ab. 432 Abgeordnete stimmten gegen den Austrittsvertrag, 202 votierten dafür.
Es ist die schwerste Niederlage für eine britische Regierung in der jüngeren britischen Geschichte und das erste Mal seit 1864, dass das Parlament ein Abkommen der Regierung zu Fall bringt. Der Ausgang war im Vorfeld erwartet worden, weil auch viele Abgeordnete von Mays Konservativer Partei gegen das Abkommen waren.
Erklärung am Montag
May sagte nach der Abstimmung, die Regierung werde dem Votum des Parlaments folgen. "Das Haus hat gesprochen und die Regierung wird zuhören", sagte sie. "Es ist klar, dass das Haus dieses Abkommen nicht unterstützt, aber die Abstimmung von heute Abend sagt uns nichts darüber, was es denn unterstützt", monierte May.
Sie kündigte an, spätestens am Montag das weitere Vorgehen im Parlament zu erklären. "Es ist meine Verpflichtung, beim Brexit zum Ziel zu kommen", sagte sie.
Zuvor hatte sie noch leidenschaftlich für das von ihr ausgehandelte Abkommen mit der EU geworben. "Eine Stimme gegen diesen Deal ist eine Stimme für nichts mehr als Unsicherheit, Spaltung und das sehr reale Risiko eines 'No Deal'", sagte sie. Ein Ja sei der einzig sichere Weg, einen ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU zu verhindern. "Dies ist das wichtigste Votum, an dem jeder von uns in seiner politischen Karriere teilnehmen wird", sagte May. Diese Entscheidung werde jeder der Parlamentarier rechtfertigen und mit ihr für viele Jahre leben müssen. Sie sei bereit, sich nach der Niederlage bereits am Mittwoch einem Misstrauensvotum der Opposition zu stellen, sagte May.
Die Abgeordneten im Unterhaus konnte May nicht überzeugen.
Corbyn will Vertrauensfrage stellen
Unmittelbar nach der Abstimmung beantragte Oppositionsführer Corbyn ein Misstrauensvotum gegen Mays Regierung, über das gegen 20.00 Uhr (MEZ) abgestimmt werden soll. Der Labour-Chef sprach von einer katastrophalen Niederlage für die Regierung und dem größten Scheitern einer Regierung seit den 1920er-Jahren. Er könne nicht glauben, dass May ein gutes Abkommen mit der EU aushandeln könne.
Ein erfolgreiches Misstrauensvotum ist der einzige gangbare Weg, wie die Opposition eine Neuwahl auslösen kann. Erfolgschancen werden der Labour-Initiative aber kaum eingeräumt. Sie bräuchte dazu die Hilfe von Rebellen aus der konservativen Regierungsfraktion oder der nordirisch-protestantischen DUP, die mit ihren zehn Stimmen die Minderheitsregierung stützt. Beides ist nicht in Sicht.
Sollte May die Vertrauensabstimmung wie erwartet gewinnen, stünde Corbyn unter großem Druck, sich hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum zu stellen. Vertreter der EU bedauerten das Scheitern des Brexit-Vertrags. Die britische Regierung müsse nun so schnell wie möglich ihre Absichten und nächsten Schritte erläutern, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Mehrere Szenarien möglich
Unklar ist nun das weitere Vorgehen. Vor der Abstimmung waren weitere Verhandlungen mit der EU und ein neuer Anlauf im Parlament, ein ungeregelter Austritt ohne Auskommen am 29. März, eine zweite Volksabstimmung über den Brexit oder ein Rücktritt von May diskutiert worden.
Ein Sprecher der DUP erklärt das EU-Abkommen in der vorliegenden Form für erledigt. May solle nochmal in Brüssel verhandeln. Die DUP spricht sich vor allem gegen die sogenannte Backstopp-Regelung aus, eine Notfall-Absicherung, die eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Land Irland verhindern soll.
Vor der entscheidenden Abstimmung hatte das britische Parlament einen Änderungsantrag zum Brexit-Vertrag mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Abgeordneten stimmten gegen den Antrag des Tory-Politikers John Baron. Dieser sah vor, dass London das Recht haben sollte, die im Vertragsentwurf festgeschriebene Auffanglösung für die Grenze zu Irland ohne Zustimmung der EU zu beenden. Drei weitere Änderungsanträge waren zuvor zurückgezogen worden.