Wirtschaftsweise Schnitzer "1,5 Millionen Zuwanderer im Jahr erforderlich"
Gegen den Fachkräftemangel schlägt die Wirtschaftsweise Schnitzer mehr Zuwanderung vor. Das neue Fachkräftegesetz gehe schon in die richtige Richtung, aber die Bundesrepublik komme insgesamt nicht so voran, "wie wir könnten und müssten".
Als Maßnahme gegen den zunehmenden Fachkräftemangel hat die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer mehr Zuwanderung vorgeschlagen. "Deutschland braucht 1,5 Millionen Zuwanderer im Jahr, wenn wir abzüglich der beträchtlichen Abwanderung jedes Jahr 400.000 neue Bürger haben und so die Zahl der Arbeitskräfte halten wollen", sagte die Ökonomin der "Süddeutschen Zeitung". Deutschland brauche dringend eine Willkommenskultur, ergänzte Schnitzer, die den Sachverständigenrat der Bundesregierung leitet.
"Mehr in die Kinder investieren"
Das vom Bundestag beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz gehe in die richtige Richtung. Allerdings sei noch mehr nötig: "Etwa Ausländerämter, die Einwanderer nicht abschrecken, sondern Service bieten", sagte sie. "Wir sollten nicht für jeden Job fordern, dass die ausländischen Fachkräfte Deutsch können. Sondern dafür sorgen, dass die Mitarbeiter der Ausländerbehörde Englisch können."
Um den Fachkräftemangel anzugehen, müsse Deutschland auch mehr in die Kinder investieren, forderte Schnitzer. "Es ist doch ein Armutszeugnis, dass jeder vierte Viertklässler nicht richtig lesen kann", kritisierte sie. Zudem müssten die Firmen die älteren Beschäftigten bei Laune halten, damit die nicht vorzeitig in Rente gingen, führte die Ökonomin weiter aus.
Schnitzer sagte, die Bundesrepublik komme insgesamt nicht so voran, "wie wir könnten und müssten". Man habe unter anderem nicht in die Infrastruktur investiert, hinke bei der Digitalisierung weit hinterher und habe zu spät mit dem Klimaschutz begonnen.
Mit dem neuen Fachkräftezuwanderungsgesetz sollen künftig Arbeitskräfte aus Ländern außerhalb der EU nach einem Punktesystem zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen können. Damit soll erfahrenen Fachkräften die Einwanderung und Integration in Deutschland erleichtert werden. Parallel soll die Förderung von Weiterbildungen verstärkt und eine Ausbildungsgarantie eingeführt werden, um inländische Arbeitskräfte zu qualifizieren.
FDP: Auch Erzieher mit wenig Deutsch-Kenntnissen
Die FDP im Bundestag kann sich wegen des Fachkräftemangels in Kitas auch den Einsatz von Erzieherinnen und Erziehern vorstellen, die noch nicht das nötige deutsche Sprachniveau haben. Vorstellbar sei, dass Sprachkenntnisse berufsbegleitend erworben würden, heißt es in einem Positionspapier, das die FDP-Fraktion in dieser Woche voraussichtlich beschließen wird und über das der "Tagesspiegel" am Sonntag berichtete.
"Im Hinblick auf die andauernde Einwanderung nach Deutschland können so zugewanderte Fachkräfte ohne ausreichende Deutschkenntnisse für einen befristeten Zeitraum in Einrichtungen mit Kindern der jeweiligen Herkunftssprache beschäftigt werden", heißt es darin weiter. Viele nach Deutschland eingewanderte Menschen brächten Berufsabschlüsse oder Qualifikationen im pädagogischen Bereich mit. "Diese Qualifikationen müssen einfacher, unbürokratischer und schneller, möglichst innerhalb von 60 Tagen, anerkannt werden."
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden für bestimmte Berufe, wie etwa den Erzieherberuf, in vielen Bundesländern Deutschkenntnisse auf der Niveaustufe C1 (fortgeschrittenes Sprachniveau) verlangt. Es bedürfe in Zukunft mehr Flexibilität, um die dringend benötigten Fachkräfte ins System zu integrieren, wird in dem FDP-Papier gefordert.