Energiepläne der EU Alle Register gegen hohe Preise
Energie sparen lautet das Gebot der Stunde, und in Europa haben viele Staaten Sparmaßnahmen auf den Weg gebracht. Doch die EU-Kommission will ein einheitliches Vorgehen. Wie könnte das aussehen?
Ab 19 Uhr sollen die Lichter der öffentlichen Gebäude von Brüssel ausgehen, und geheizt werden darf auf maximal 19 Grad. Das waren in dieser Woche die Vorschläge der belgischen Regierung, um den Stromverbrauch zu reduzieren.
"Sparen, sparen, sparen"
Belgiens Führung handelt damit ganz im Sinne der EU-Kommission. Sparen, sparen, sparen - das sei das beste Instrument, das die Länder derzeit zur Bekämpfung der Energiekrise hätten. So steht es in einem geleakten Diskussionspapier der Behörde.
Doch das allein reiche nicht, um den Druck aus dem Energiemarkt zu nehmen. Es brauche auch weitreichende Eingriffe in den Strommarkt. Nächsten Freitag wollen sich die Energieminister darüber austauschen.
Mehrere Instrumente im Gespräch
Zur Diskussion stehen mehrere Ideen, wie die steigenden Preise eingefangen werden könnten - etwa durch einen Preisdeckel für Endverbraucher, die so entlastet werden könnten. Oder auch eine Übergewinnsteuer für diejenigen, die in der Krise profitieren.
Zuletzt hatte Belgiens Premierminister Alexander de Croo diesen Vorschlag ins Gespräch gebracht. In seinem Land könnten etwa die Kernkraftwerke zur Kasse gebeten werden, die derzeit riesige Gewinne einstreichen. Noch lieber wäre dem Premierminister allerdings eine gesamteuropäische Lösung. Nur Europa könne dafür sorgen, dass das "Ausbluten" aufhört - so dramatisch formuliert es de Croo.
EU nimmt "Merit Order" in den Fokus
Die EU-Kommission legt nun einen Vorschlag vor, der einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Ideen darstellt. Wider Erwarten empfiehlt die Brüsseler Behörde dabei weder eine Preisobergrenze für Strom beim Endverbraucher, noch eine klassische Übergewinnsteuer. Stattdessen müsse die Preisberechnung am Strommarkt reformiert werden.
Denn seit gut 20 Jahren bestimmt das sogenannte Merit-Order-Prinzip die Strompreise in Europa. Es sieht vor, dass sich alle Preise nach dem letzten und teuersten Anbieter orientieren, der zur Bedarfsdeckung zugeschaltet wird. Die Preistreiber sind hier momentan die Gasanbieter - die vor allem seit der Krise mit Russland die Strompreise ordentlich in die Höhe treiben.
Die EU-Kommission will nun dieses System aufbrechen und günstiger machen, allerdings ohne neue Steuern. Stattdessen solle eine Preisobergrenze für die günstigsten Anbieter eingeführt werden, das sind beispielsweise Atom und Erneuerbare. Sie könnten aus dem Preismix herausgerechnet werden, das so gesparte Geld soll die Stromrechnungen der Bürgerinnen und Bürger ausgleichen.
Übergewinnsteuer vom Tisch?
Das allerdings, gibt die Kommission zu bedenken, sei nicht kompatibel mit Übergewinnsteuern, wie sie beispielsweise Italien bereits eingeführt hat. Auch Belgien müsste seine Pläne anpassen. Der Kommissionsvorschlag würde solche nationalen Regeln hinfällig machen - zugunsten eines europaweit einheitlichen Vorgehens. Neben den juristischen Details ist noch unklar, ob die Regelungen verbindlich oder freiwillig sein sollen.
Außerdem könnte die Preisobergrenze die Produktion von erneuerbarer Energie unattraktiver machen, fürchten Energiemarktexperten. Die Grünen im Europaparlament fordern deshalb, Mehreinahmen zum Teil in den Ausbau klimafreundlicher Technologie zu stecken. Dafür müsse insbesondere Deutschland seine Blockadehaltung aufgeben, so EU-Parlamentarier Rasmus Andresen (Grüne) in einer ersten Reaktion auf das Dokument.
Zurückhaltung auf deutscher Seite
Die Bundesrepublik zeigt sich im Vorfeld des Energieministertreffens eher vorsichtig, was eine Marktregulierung angeht. Die Nachteile von Preisobergrenzen seien nicht zu unterschätzen. Gas zur Stromerzeugung solle etwa nicht weiter gefördert werden. Immerhin ist Berlin mittlerweile für ein "behutsames Eingreifen in den Markt" offen.
Das jetzt geleakte Dokument gibt einen Denkanstoß, um die explodierenden Energiepreise in den Griff zu kriegen. Es ist noch kein formeller Gesetzesvorschlag. Der Druck ist allerdings groß, schnell eine europäische Lösung zu finden. Denn die Energiepreise gehen gerade überall durch die Decke.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte Anfang der Woche bereits zugegeben, dass der Energiemarkt nicht für die aktuelle Krise ausgelegt ist und hat nun eine strukturelle Reform in den Raum gestellt. Das sei aber "sehr komplex", so die CDU-Politikerin bei einer Klausur der Unionsspitze am Freitag. Oder um es in den Worten von Belgiens Premier de Croo zu formulieren: Es gebe zwar keine Patentlösung für Europas Energiekrise. Trotzdem müssten nun alle Register gezogen werden, um sie zu überwinden.
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