"Open Hiring" in den USA Bäckerei-Job ganz ohne Bewerbung
Um in der Greyston Bakery zu arbeiten, muss man keine Ausbildung vorweisen und kein Vorstellungsgespräch führen. "Open Hiring" nennt sich das Konzept der US-Bäckerei. Macht es bald Schule?
Eine Bewerbung bei der Greyston Bakery ist schnell gemacht. Man schreibt seinen Namen und eine Telefonnummer auf eine Liste und wartet - im Schnitt ein halbes Jahr - auf den Rückruf. "Sie beurteilen Dich nicht. Es gibt keine Hintergrundprüfungen, was Du vorher gemacht hast oder ob Du eine Ausbildung hast", erzählt der 32 Jahre alte Davone. "Sie rufen an, und dann kommt man hierher und fängt an zu arbeiten. Erst wirst Du angelernt, und dann kannst Du nach einer Zeit aufsteigen - so wie ich. Ich habe 2015 angefangen und habe dann meine Möglichkeiten genutzt. Und jetzt bin ich hier."
Vom Rand der Gesellschaft zurück in den Job
Davone ist inzwischen Supervisor in der Produktion. In jedem anderen Unternehmen wäre er wohl nicht mal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, denn er ist vorbestraft: ein Ausschlusskriterium für so ziemlich jede US-Firma.
Aber nicht für die Greyston Bakery, sagt Geschäftsführer Joseph Kenner. "Wir konzentrieren uns auf Menschen mit Beschäftigungshindernissen: ehemalig Inhaftierte, Alleinerziehende, Obdachlose, Menschen mit psychischen Problemen oder die kein Englisch können. 43 Prozent unserer Arbeiter sprechen Spanisch. Unser Leitbild ist: Entfesselt die Kraft des menschlichen Potenzials durch integrative Beschäftigung - Person für Person."
Joseph Kenner ist Geschäftsführer der Greyston Bakery. Die Probleme, die es in der Belegschaft der Bäckerei gibt, gebe es überall, sagt er.
Vom Café zur Großbäckerei
Ganz im Sinne des Gründers der Greyston Bakery, Bernie Glassmann, einem Zen-Buddhisten aus Brooklyn. 1982 kam er nach Yonkers, der Stadt mit der damals höchsten Obdachlosenrate in den USA, und eröffnete hier - wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze von New York City - ein kleines Café mit Bäckerei. 40 Jahre später ist daraus ein industrieller Großbetrieb mit 120 Mitarbeitern geworden.
"Das ist Teil unserer großen Bäckerei, wie wir es nennen. Hier werden die Brownies gebacken, die dann in 'Ben & Jerry's'-Eiscreme kommen", so Geschäftsführer Kenner. "Die Zutaten werden gemischt und der Teig dann auf Tabletts gepumpt, die dann in einen langen Tunnelofen gehen. Anschließend kommen sie in einen Kühlturm - und dann werden die Brownies in kleine Stücke zerhackt." Die Kekskrümel aus Yonkers werden verpackt und nach ganz Nordamerika und Europa geliefert, wo sie dann in der Eiscreme landen.
"Dieselben Probleme wie andere Firmen auch"
Außerdem produziert die Greyston Bakery Brownies unterschiedlicher Geschmacksrichtungen für US-Supermarktketten. Und verdient damit Geld - trotz der "Open Hiring" genannten Art der Mitarbeiter-Rekrutierung. "Viele Leute denken, wenn wir 'Open Hiring' machen und keine Fragen stellen, dann muss doch Chaos in der Firma ausbrechen", sagt Kenner.
"Aber wir haben dieselben Probleme wie andere Unternehmen auch: Leute kommen nicht zur Arbeit, es gibt Probleme mit der Disziplin. Aber Firmen, die nach einen herkömmlichen Konzept einstellen, haben auch Probleme mit Drogenmissbrauch und mangelnder Leistung in der Belegschaft. Wir stehen vor den gleichen Herausforderungen wie andere Firmen." Mit dem Unterschied, dass bei Greyston versucht wird, solche Probleme zu lösen, ohne die Mitarbeiter gleich auf die Straße zu setzen.
Mehr als ein Job: Die Brownies, die bei der Greyston Bakery gebacken werden, gibt es mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen in vielen US-Supermärkten zu kaufen.
Hilfe für Mitarbeitende in Not
Dazu arbeitet das Unternehmen seit einiger Zeit mit dem größten gemeinnützigen Träger für soziale Dienstleistungen im Westchester County zusammen: "Das hat so vor sechs, sieben Jahren angefangen, als plötzlich viele Mitarbeiter nicht mehr zur Arbeit gekommen sind", erinnert sich Kenner. "Wir haben gefragt warum. Manchmal hatten sie Probleme mit ihren Kindern oder selbst Suchtprobleme. Oder sie hatten ihre Wohnung verloren und mussten im Auto schlafen. Wir versuchen dann, zu unterstützen und zu helfen. Es ist eine Win-Win-Situation: Den Menschen geht es besser, und wir haben gute Mitarbeiter."
Stiftung wirbt für neue Herangehensweise
So wie den 50-jährigen John, der seit fünf Jahren in der Greyston Bakery arbeitet: "In der Zeit davor hatte ich keine eigene Wohnung. Ich habe bei meiner Mutter auf der Couch geschlafen. Ich hatte lange Zeit keine Arbeit, schlimme Depressionen, habe den ganzen Tag nichts gemacht. Jetzt habe ich eine Wohnung und seit kurzer Zeit auch ein Auto. Ich habe jetzt meine eigene Unabhängigkeit." Undenkbar ohne das "Open-Hiring"-System, das die inzwischen gegründete Greyston-Stiftung auch anderen Unternehmen schmackhaft zu machen versucht.