Google-Beschäftigte in New York demonstrieren gegen Jobabbau

Entlassungen bei "Big Tech" Der Kahlschlag trifft auch New York

Stand: 03.02.2023 12:57 Uhr

12.000 Stellen fallen weg bei Google, 10.000 bei Microsoft, 18.000 bei Amazon: Der Jobabbau in der Tech-Branche trifft auch New York. Dabei träumte die Metropole - analog zum Silicon Valley - von der "Silicon Alley".

"Ich bin immer noch schockiert, was Google uns angetan hat", sagt Software-Entwicklerin Kelly. Vor der Google-Zentrale im Stadtteil Chelsea in Manhattan zeigt sie gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Alphabet-Workers-Gewerkschaft ihre Solidarität mit ihren 12.000 entlassenen Kolleginnen und Kollegen. Kelly berichtet von einer Kollegin, die sich gerade einen Kaffee aus der Kantine geholt hatte, als sie per E-Mail von ihrer Entlassung erfuhr.

Jobzahlen runter, Aktienkurse hoch

"Ich durfte noch nicht mal an meinen Arbeitsplatz zurück, um meine Sachen zu holen" - während Kelly das anonyme Statement ihrer zum Schweigen verdonnerten Ex-Kollegin verliest, heizt unweit an der Technologiebörse Nasdaq der Aktienkurs des Facebook-Mutterkonzerns Meta die Erholungsrally der Tech-Werte an.

Die Kündigungswelle habe sich unweigerlich angebahnt, sagt Scott Kessler, Analyst für die Tech-Branche beim Forschungsunternehmen "Third Bridge": Zinssteigerung, Inflation, Rezession. "Big Tech" sei von der Blase auf den Boden der Realität zurückgeworfen worden. "Diese Firmen haben über die vergangenen Jahre hinweg viel zu viele Leute in rasender Geschwindigkeit angeheuert", sagt Kessler.

Alphabet, Meta, Amazon: Im Konkurrenzkampf um Talente hätten die Konzerne ihre Personaldecke in den vergangenen vier Jahren aufgebläht. Fast alle Giganten haben ihre Belegschaft verdoppelt. Dann leiteten Amazon und Microsoft Schrumpfkuren ein - und die ganze Tech-Herde zog nach. Seit Jahresbeginn haben rund 240 Firmen weltweit rund 78.000 Mitarbeiter entlassen.

Große Immobilien-Käufe vor der Pandemie

Der Kahlschlag hat auch Manhattan getroffen, sagt der Ökonom und Tech-Experte Arun Sundararajan von der New York University. "Big Apple" sei schließlich längst zum Zentrum für "Big Tech" geworden. "Vielleicht nicht mit der Dichte der San Francisco Bay", sagt Sundararajan. "Aber gleich dahinter auf Platz zwei."

Vor und in der Pandemie ging die Branche in riesige Immobilien in der Metropole: Facebook mietete fast das ganze frühere Postgebäude in Manhattan. Apple sicherte sich die ehemalige Zentrale vom Kaufhaus Macy's. Und Google kaufte für zweieinhalb Milliarden Dollar gleich einen ganzen Häuserblock. Jetzt gehe es rückwärts, sagt Sundararajan: "Meta schließt ein paar Büros, die es gerade in New York eröffnet hatte, Salesforce.com macht voraussichtlich auch einige dicht."

Doch ganz ausgehen würden die Lichter nie in der "Silicon Alley", der Tech-Gasse, als die sich New York präsentiert. "Hier starten immer noch so viele Firmen. Tech ist eines der größten Geschäfte der Stadt geworden. Die Rückschläge halten die Entwicklung der letzten zehn Jahre nicht auf", so Branchenkenner Sundararajan. Der Wirtschaftsfachmann schätzt, dass die Branche 2024 zurück zum Wachstumskurs finden wird.

Die Machtverhältnisse verschieben sich

Doch eines habe sich seit dem der Pandemie geändert, meint Analyst Kessler: die Machtverhältnisse. "Jetzt schwingt das Pendel zurück von den Arbeitnehmern zu den Arbeitgebern", prognostiziert er. "Sie geben jetzt wieder mehr den Ton an, nachdem sie viele Zugeständnisse machen mussten, um zur Hochkonjunktur ihre Talente bei der Stange zu halten."

"Wie stellen wir sicher, dass sich solche Massenkündigungen nicht wiederholen?", fragt die Gewerkschafterin Alberta bei der Demonstration vor dem Google-Gebäude. Doch Experten sagen: gar nicht. Denn die Investoren der Firmen wollen noch mehr Verschlankung sehen, damit die Aktienkurse weiter steigen.

Antje Passenheim, Antje Passenheim, ARD New York, 03.02.2023 10:51 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 03. Februar 2023 um 11:50 Uhr.