Elektroauto-Modelle Der Hang zum Großen
E-Autos werden effizienter, aber zum Teil auch größer. Während nach günstigen kleinen Modellen gerufen wird, zeigt die Palette bei vielen deutschen Autobauern in die entgegengesetzte Richtung.
Premiere im thüringischen Eisenach: Dort wird künftig der Elektro-SUV Grandland von Opel vom Band gehen. Mit neuer Technik und bis zu 700 Kilometer Reichweite. Für den Rüsselsheimer Autobauer ist es nach eigener Ansicht ein Meilenstein.
Bislang wurde der Grandland in diesem Werk ausschließlich als Verbrenner und Plug-in-Hybrid produziert. Erstmals wird der SUV nun also auch mit batterieelektrischem Antrieb angeboten. Heute sind in Eisenach erste Vorserien-Modelle zur Probe vom Band gerollt, ab Mitte dieses Jahres sollen dort die ersten Autos gefertigt werden, die an Kundinnen und Kunden verkauft werden.
"Kostenherausforderungen" bei Fertigung in Deutschland
Mit Preisen für den neuen Grandland hält sich Opel bis jetzt noch zurück. Die Version mit Plug-in-Hybrid steht aktuell mit 47.800 Euro in der Preisliste. Größentechnisch am anderen Ende steht der Elektro-Corsa, den gibt es ab 34.650 Euro aufwärts. Zum Vergleich in der Kleinwagenklasse: Der Fiat 500 Elektro kostet in der günstigsten Variante 29.990 Euro, der elektrische Renault Zoe 36.840 Euro.
Die Fertigung eines Autos in Deutschland sei mit Kostenherausforderungen verbunden, sagte Opel-Chef Florian Huettl heute. "Es ist natürlich leichter, in einem höhersegmentigen Auto wie dem Grandland die Kosten zu verkraften." Die Produktion eines Kleinwagens wie dem Corsa in Deutschland sei heute nicht denkbar, so Huettl.
Ein Signal für den Standort
Es gab immer wieder Sorgen mit Blick auf das ostdeutsche Opel-Werk. Vergangenes Jahr machte der Mutterkonzenzern Stellantis dann aber große Zusagen: 130 Millionen Euro an Investitionen und grünes Licht für das vollelektrische Modell aus Eisenach. Branchenexperten sind sich sicher: Damit ist die Zukunft des Werks für die kommenden zehn Jahre in trockenen Tüchern.
Es ist also auch ein starkes wirtschaftliches Signal für den Standort. Und für den Autobauer aus dem hessischen Rüsselsheim, der früher in den Wirtschaftswunderzeiten Mercedes und BMW mit großen Modellen Konkurrenz gemacht, dann aber eine schwere Zeit hinter sich gebracht hatte - das Auf und Ab mit dem US-Eigentümer General Motors, bis Stellantis das Ruder übernahm.
Ein Blick auf die aktuellen Neuzulassungen zeigt: Neben VW schneidet auch Opel stark ab, vor allem mit dem Corsa, der im vergangenen Jahr der meistverkaufte Kleinwagen in Deutschland war - optisch und technisch gab es zuletzt ein Update.
SUVs sind beliebt
Was da heute im Opel-Werk vorgestellt wurde, liefert aber auch ein weiteres Indiz für einen Trend in der Modellpolitik der deutschen Autobauer. Denn der Opel Grandland legt auch an Größe deutlich zu.
Beliebtestes Segment mit über der Hälfte der neuzugelassenen Elektroautos bleiben SUV, so der ADAC; danach folgten mit großem Abstand Autos der Kompaktklasse. Das sei vor allem dem Modellangebot geschuldet. Der ADAC plädiert für mehr Vielfalt im Angebot und attraktivere Preise für kleine E-Autos. Denn es fehlt an günstigen Optionen.
Allerdings entscheiden sich Käuferinnen und Käufer aber auch zunehmend für SUV-Modelle und Geländewagen. Allein hierzulande haben SUV im vergangenen Jahr einen Marktanteil von über 30 Prozent erreicht.
So konzentrieren sich auch viele Autobauer eben auch bei Elektroautos auf große und leistungsstarke Modelle - das erhöht die Preise in allen Kategorien. Laut dem Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach liegt der Durchschnittspreis für ein E-Auto bei 52.700 Euro.
Die Auswahl bei E-Kleinwagen schrumpft
Egal, ob bei BMW, Audi, Mercedes, Porsche, Volkswagen oder Opel: Man setzt auch stark auf Elektro-SUV - in dem Bereich wird die Auswahl offenbar immer größer; bei günstigen Kleinwagen schrumpft sie in der Tendenz.
Beim Center for Automotive Research (CAR) erklärt man sich diese Entwicklung so: "Das Fahrzeugsegment der SUV ist in Deutschland das größte Marktsegment, entsprechend können hier am meisten Autos verkauft werden", schreibt Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft und Direktorin bei CAR, tagesschau.de.
Dazu komme, dass Elektroautos nach wie vor deutlich teurer in der Herstellung als vergleichbare Verbrennerfahrzeuge seinen und sich der Kostenblock der Batterie einfacher in einen größeren und teureren SUV integrieren lasse als in einen Kleinwagen. CAR kommt zum Schluss: Kleine Elektroautos hätten ein Profitabilitätsproblem.
Keine großen Gewinnsprünge bei Kleinwagen
Da Kunden besonders im Kleinwagensegment sehr auf den Preis achten, sind hier also keine großen Gewinnspannen möglich. Zur Modellpolitik haben sich auf Anfrage auch verschiedene Autobauer gemeldet.
Dass Premium-Hersteller auf große, leistungsstarke Autos setzen, folgt einer gewissen Logik. "Preisparität mit 'Massensegment'-Marken ist nicht unser Ziel", schreibt ein BMW-Sprecher auf Anfrage. Gleichzeitig will man auch bei Mercedes-Benz dem Einstiegssegment grundsätzlich treu bleiben.
Volkswagen etwa verweist vor allem auf das Thema Komfort - SUV seien bei den Kunden weltweit beliebt, vor allem wegen ihrer hohen Sitzposition. Bei Preisfragen zu Elektroautos ist man überzeugt, Volkswagen sei mehr als wettbewerbsfähig unterwegs.
Günstige, deutsche E-Autos - aber wann?
Was günstigere Modelle angeht, verweisen Volkswagen und Opel auf später. "In nicht allzu ferner Zukunft" will Opel ein vollwertiges E-Auto ab 25.000 Euro anbieten. "Damit haben wir eine weitere Möglichkeit, große Kundengruppen anzusprechen", schreibt ein Sprecher auf Anfrage.
Auch Volkswagen arbeitet an günstigeren Elektroautos für rund 20.000 Euro, aktuell sei aber noch keine Entscheidung über die Umsetzung getroffen, schreibt ein Sprecher tagesschau.de. Citroën und Renault wollen in diesem Jahr Elektromodelle für unter 25.000 Euro auf den Markt bringen.
"Die Modellpolitik der deutschen Hersteller war lange Zeit von kurzfristigen Profiten statt langfristiger Strategie geprägt. Zu lange", sagt Sebastian Bock, Deutschlandchef der Umweltschutzorganisation Transport & Environment (T&E).
Gerade die deutschen Premiumhersteller hätten in den letzten Jahren hauptsächlich ihre Profite maximiert und ihre Produktpalette an Gewinnen und nicht an ihrer Zukunftsfähigkeit ausgerichtet, so Bock gegenüber tagesschau.de. Bei T&E sei man überzeugt, dass man in Europa günstige Elektroautos für die breite Masse bauen könne.
Autohersteller geizen mit Rabatten
Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr zuerst die Kaufprämie für gewerbliche Elektroautos gestrichen und danach überraschend auch die für private Käufer. Die Nachfrage nach Elektroautos brach daraufhin ein. Und eine Analyse zeigte zuletzt, dass einige Autohersteller ihre Rabatte für Elektrofahrzeuge im April zurückgefahren haben.
Im Schnitt wurden auf dem deutschen Markt bei Internetvermittlern nur noch gut zwölf Prozent Nachlass gewährt, so das CAR. Bei vergleichbaren Verbrennermodellen habe es hingegen einen durchschnittlichen Nachlass von fast 17 Prozent gegeben. Im Vormonat hatte es für E-Autos noch deutlich höhere Kaufanreize gegeben, bevor zum Beispiel Volkswagen seine Sonderkonditionen für die ID-Modelle auslaufen ließ. Auch bei Audi und der Stellantis-Marke Opel wurden die E-Rabatte der Untersuchung zufolge gekürzt.
Der internationale Wettbewerb wächst
Doch der globale Wettbewerbsdruck ist groß, nimmt sogar weiter zu. Die chinesischen Hersteller drängen immer stärker auf den Markt. Die Autobauer brauchen schnelle Lösungen. Denn der Markt für Elektroautos steckt weiterhin in der Krise: Zwischen Januar und März 2024 wurden in Deutschland etwa 81.300 E-Autos neu zugelassen. Damit lag die Zahl im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2023 rund 14 Prozent niedriger.
Der Autoabsatz in der EU kommt auch nicht wirklich voran. Im März lag der Marktanteil der reinen Stromer nach Zahlen des Branchenverbands ACEA bei 13 Prozent, etwas niedriger als ein Jahr zuvor. In Deutschland brach der Absatz solcher Autos um fast 29 Prozent ein, vor allem spürbar bei den privaten Zulassungen.