Vorbehalte gegen Elektroautos Was ist dran an der "German E-Angst"?
Erstmals ist laut Marktanalysten ein Elektromodell und kein Verbrenner mehr das meistverkaufte Auto der Welt. In Deutschland ranken sich um den E-Antrieb weiterhin Vorbehalte und Ablehnung. Aus guten Gründen?
Deutschland ist Autoland: Auf der Familienfeier oder in Internetforen lassen sich immer Automobilisten finden, die technische Vorteile oder monetäre Nachteile verschiedener Modelle in persönlich geprägten Erfahrungsberichten referieren können. Aber ist Deutschland auch "E-Autoland"? Oder nährt eine Art "German Angst", jenes Klischee deutscher Zurückhaltung gegenüber neuen Technologien, thematische Unsicherheiten und widerlegbare Tatsachenbehauptungen?
Weit oben steht die Ansage, E-Autos seien gar nicht "emissionsfrei" oder "umweltfreundlich", schließlich setze die Batterieherstellung schon vor der ersten Fahrt viel CO2 frei. Das stimmt. Aber nicht im Vergleich der Ökobilanz von gängigen Antriebsvarianten: "Da zeigt sich dann schnell, dass ein E-Auto trotzdem am Ende 'das Rennen macht'. Mal früher, mal später, je nachdem wie groß die Batterie ist", erklärt Till Gnann, der am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung das Thema Elektromobilität koordiniert.
Auf Platz zwei und drei kamen demnach zwei Modelle des japanischen Konzerns Toyota: der Kompakt-SUV RAV4 mit Hybridantrieb (1,07 Millionen) und der Corolla (1,01 Millionen). Der Toyota Corolla war im Vorjahr das meistverkaufte Auto der Welt.
Wie die Ökobilanz ausfällt
Bei Ökobilanz-Betrachtungen werde oft nicht an sogenannte Vor- und Lieferketten von Verbrennern gedacht. Stichworte beispielsweise: Energieaufwand zur Erdöl-Aufbereitung, Transport mit Schiff und Lkw. "Man liest immer wieder in unseren und fremden Studien von der beeindruckenden Zahl, dass 80 Prozent der Emissionen bei Verbrennern im Betrieb entstehen - also durch Herstellung, Transport und Verbrennung der fossilen Kraftstoffe", so Gnann.
Zu einem ähnlichen Schluss kam im Dezember auch die "Ökobilanz-Studie" des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI): "Den besten ökologischen Rucksack haben E-Autos und Plug-in-Hybride." Bedingung: Der Strom ist "grün" - was übrigens auch die Politik für staatliche Förderung von Wallboxen und Ladesäulen voraussetzt.
"Und wenn Öko-Strom fehlt und dafür Kohlestrom aus Polen importiert wird?" Diese Frage hört und liest Gnann immer wieder und beantwortet sie mit Zahlen: "Nach aktuellem Stand importiert Deutschland 69,3 und exportiert 57,6 Terawattstunden. Das ist also fast ausgeglichen. Gegenüber Polen gibt es nur einen geringen Stromaustausch, sogar einen leichten Exportüberschuss von Deutschland."
Auch E-Auto und Wärmepumpen gleichzeitig führten zu keinem Stromausfall: "15 Millionen Elektrofahrzeuge und entsprechend den Zielen der Bundesregierung die Zahl an Wärmepumpen entsprächen 2030 bis zu einem Fünftel der Strommenge, die wir heute in Deutschland produzieren. Das ist bei einem zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien in Europa gut zu decken", sagt Gnann.
Mittlerweile im Duden: die "Reichweitenangst"
Neben der Furcht vor einem generellen Stromausfall ängstigt auch der Blackout des eigenen E-Gefährts. So hat es "Reichweitenangst" als Begriff in den Duden geschafft, die "Angst davor, mit einem elektrisch oder alternativ angetriebenen Fahrzeug aufgrund der begrenzten Reichweite der vorhandenen Akku- bzw. Tankladung das Fahrtziel oder eine Lade- bzw. Tanksäule nicht zu erreichen und auf der Strecke liegen zu bleiben". Dabei ist zu bedenken: In Deutschland liegt die Tagesfahrleistung im Schnitt bei 35 und die Reichweite von E-Autos bei mehr als 200 Kilometer selbst im Winter, wenn Akkus weniger Leistung bringen.
Und die Urlaubsfahrt? "Das Netz an Schnellladestationen ist gerade an den Autobahnen weit entwickelt und reicht auch in das benachbarte Ausland", konstatiert beispielweise der TÜV Nord. Gen Süden werde das Ladesäulen-Netz allerdings dünner: "Hier sollten sich Urlauber mit Elektroautos vorab genauer über die Lademöglichkeiten informieren."
Akkus können schnell altern - oder langsam
Reichweiten-Angst gibt es auch auf der Zeitachse: Akkus alterten schnell und ein Austausch sei unwirtschaftlich, unken E-Auto-Skeptiker. Böse gesagt verdient Marcus Berger an dieser "Akku-Angst": Er verkauft mit seiner Batteriediagnostik-Firma Aviloo Gesundheitschecks für E-Auto-Akkus, die Ergebnisse laufen bei ihm auf, mittlerweile 50.000 über alle Fabrikate und Modelljahre hinweg. "Akkus können schnell altern, aber auch langsam." Das liege weniger am Fahrzeug, erklärt Berger, als am Fahrer: "Natürlich gibt es die kalendarische Alterung, aber die ist im Vergleich zur Batteriedegradation, die vom Fahrzeugeigentümer 'verursacht' werden kann, eher von untergeordneter Bedeutung."
Beispiel: Der "Wohlfühlbereich einer Batterie" liege rund um den halbvollen Ladezustand. "Sehr oft werden jedoch Fahrzeuge auf 80 Prozent oder gar vollgeladen über viele Stunden geparkt. Dieses Nutzerverhalten beschleunigt die Batteriedegradation deutlich", schildert Berger. Im Schadensfall müsse nur selten das ganze teure Akkupack getauscht werden, oft reichten betroffene Module. Aber: "Auch diese Kosten liegen bei mehreren Tausend Euro", stellt Berger klar.
Lange Garantiezeiten
Das schreckt ab. Deshalb geben die meisten Hersteller eine Garantie darauf, dass nach acht Jahren und 160.000 Kilometer der Akku noch mindestens zwei Drittel der ursprünglichen Kapazität abrufen kann. Das ist zwar entfernt von der erwartbaren Gesamtlaufleistung von 250.000 Kilometer, wie sie der Bundesgerichtshof in einem Urteil nannte, und unter dem Pkw-Durchschnittsalter von zehn Jahren - aber ein Zeichen im Gegensatz zur Garantie auf Verbrenner, die selten mehr als zwei Jahre lang gegeben wird.
In den Akku-Garantie-Genuss kommen somit E-Gebrauchtwagenkäufer. Doch sie zögern laut Händlern wegen zu hoher Preise und Unsicherheit über den Akku-Zustand. Der höhere Preis könnte sich laut ADAC durch niedrigere Kosten im Unterhalt gegenrechnen: "Fahrzeuge mit elektrifiziertem Antrieb schneiden im Kostenvergleich oftmals günstiger ab."
Der Gebrauchte kann immer ein Reinfall sein
Schwerer wiegt die "Akku-Angst": Zwar wird bei einem sogenannten "State-of-Health-Test" die Akku-Gesundheit des Autos ausgelesen. Doch diese Tests sind nicht standardisiert. Mit Folgen, wie Akku-Experte Berger schildert: "Wir können bestätigen, dass es zu massiven Abweichungen kommen kann." Allerdings: Ein Reinfall beim Gebrauchtwagenkauf ist kein Alleinstellungsmerkmal des E-Autos.
Dennoch fühlen sich Gegner des E-Autos bestätigt. Zupass kamen ihnen Meldungen über Autovermieter, die ihre E-Autos ausmusterten. "Wenn schon professionelle Autokenner sich von E-Autos trennen, werden sie gute Gründe haben." In der Tat beklagten Vermieter hohe Reparaturkosten und Ersatzteilengpässe.
"Höhere Brandlast" bei Verbrennern
Doch sie zogen den Elektroautos den Stecker laut Fachleuten vor allem wegen der derzeitigen Rabattschlacht auf dem E-Neuwagenmarkt. Ist der Neue billiger, sinkt auch der Wert des Gebrauchten. Autovermietern, die Fahrzeuge kürzer als ein Jahr halten, drohen so Verluste. Sie wollen diese Phase der Planungsunsicherheit abwarten. Der Autovermieter Sixt beispielsweise will weiterhin bis 2030 "70 bis 90 Prozent unserer Flotte in Europa elektrifizieren".
Und dann führen viele E-Auto-Skeptiker noch die Brandgefahr ins Feld. "Aus unseren Statistiken gibt es keinerlei Hinweise, dass Elektrofahrzeuge häufiger brennen als Autos mit Verbrennungsmotor", sagt Alexander Küsel, Leiter Schadenverhütung der Deutschen Versicherungswirtschaft. Wegen ihres brennbaren Treibstoffs besäßen Verbrenner sogar eine "höhere Brandlast".