Alfred Gusenbauer, Rene Benko und Sebastian Kurz (Archivbild: 2014)
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Teure Signa-Pleite für Steuerzahler Wie konnte Benko die Politik so hinters Licht führen?

Stand: 10.02.2024 09:28 Uhr

Vertrauliche Dokumente belegen, wie 680 Millionen Euro Staatshilfe ohne ausreichende Absicherung an Galeria flossen. Eine mögliche Insolvenz von René Benkos gesamter Signa-Gruppe wurde offenbar nicht geregelt.

Von Ingolf Gritschneder, WDR

René Benko soll möglicherweise noch kurz vor der Pleite seines Signa-Konzerns Millionensummen verschoben haben. Nach diesen jüngsten Meldungen haben Investoren Strafanzeige gegen den Österreicher gestellt. Die juristische Aufarbeitung der Signa-Pleite ist das eine - doch wie sieht es mit der politischen Verantwortung für die Milliardenschäden aus?

Hier stehen die 680 Millionen Euro Coronahilfen für den insolventen Konzern Galeria Karstadt Kaufhof an erster Stelle; die hatte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) dem Kaufhauskonzern gezahlt, offenbar ohne ausreichende Absicherung und ohne verlässliche Recherchen über die finanziellen Hintergründe des Signa/Benko-Imperiums.

Dem WDR vorliegende vertrauliche Dokumente zeigen, dass die Verantwortlichen im WSF offenbar mit einer erneuten Pleite von Galeria rechneten. In diesem Fall sollten ihre noch offenen Forderungen gegen Galeria Karstadt Kaufhof an die Signa verkauft werden.

Geheimer Vertrag offenbart dramatische Lücke

Am 27. März 2023 wurde zwischen dem WSF, Signa und Galeria eine geheime sogenannte Put-Options-Vereinbarung geschlossen; danach sollte im Insolvenzfall von Galeria Karstadt Kaufhof der Mutterkonzern Signa in die Bresche springen und für die Forderungen des WSF gegenüber Galeria eintreten - allerdings mit einem gehörigen Abschlag.

Zu diesem Zeitpunkt waren überhaupt nur noch 88 Millionen Euro besichert und dies lediglich unter anderem mit Warenbeständen, Namens- und Markenrechten. Und für diese Restforderung sollte die Signa Holding lediglich 27 Millionen Euro bezahlen müssen. Im Klartext: Der Steuerzahler würde auf über 60 Millionen Euro verzichten. Im Vertrag fehlt allerdings jede Regelung für den Fall, dass die Signa Holding selber in Insolvenz geht. Und dieser Fall trat dann tatsächlich Ende 2023 ein.

Dass mit einer dritten Insolvenz von Galeria zu rechnen war, hätte den Verantwortlichen bereits ein kurzer Blick in den Jahresabschluss der Schweizer Muttergesellschaft von Galeria gezeigt. Die Signa Retail Selection AG wies zum 30. September 2022 einen Verlust von 1,394 Milliarden Euro aus, Abschreibungen und Wertminderungen summieren sich auf 857 Millionen Euro.

Und warum nahm eigentlich niemand René Benko selbst in Mithaftung, den Milliardär und die Hauptfigur des gesamten Signa-Imperiums? Nicht nur dies wurde unterlassen; Benko profitierte sogar noch selbst von den Staatshilfen der deutschen Steuerzahler. Über die Mieten, die Galeria an die Signa zahlen musste, flossen Millionensummen zurück in Benkos Reich der tausend Firmen, Beteiligungen und Familienstiftungen.

Fehlende Bilanzen hätten Verdacht erregen müssen

Wie bei einem Dominoeffekt brachen dann nach und nach alle relevanten Signa-Töchter zusammen, am Ende die Holding selbst. Auf welch tönernen Füßen Benkos Milliardenimperium tatsächlich stand, wollte oder konnte offenbar niemand im Wirtschafts- oder Finanzministerium sehen. Dabei hätte schon der Umstand Verdacht erregen müssen, dass der Signa-Konzern über Jahre keine Konzernbilanzen vorlegte.

Hier hätten bei den Verantwortlichen sämtliche Alarmglocken schrillen müssen, denn Signa setzte ja nach eigenen Angaben Milliarden um, verfügte über Milliardenwerte an Immobilien und arbeitete vorgeblich auch hochprofitabel.

Die Staatshilfen an die marode Galeria waren aber nicht nur hochriskant, sondern der WSF setzte sich dabei zudem über geltendes EU-Recht hinweg. Danach durften sogenannte "Unternehmen in Schwierigkeiten" nur unterstützt werden, wenn sie zum 31. Dezember 2019 noch über die Hälfte an Eigenkapital verfügten; das aber war bei Galeria bereits seit dem 30. September 2019 komplett verbrannt.

Beste Verbindungen zu Politik-Prominenz

Doch wie konnte es zu diesem Desaster kommen, war es nur Inkompetenz oder Ignoranz der Verantwortlichen oder hatte Benko im Hintergrund gute Arbeit geleistet? Zum Beispiel, indem er seinen alten Vertrauten Alfred Gusenbauer in Sachen Corona-Hilfen rechtzeitig in Stellung brachte?

Der ehemalige österreichische Bundeskanzler verfügte seinerseits über erstklassige Beziehungen zu Olaf Scholz (SPD), der als Finanzminister auch mit den Staatshilfen im Zuge der Corona-Pandemie befasst war. Beide kennen sich seit Jahrzehnten unter anderem aus den Jugendorganisationen der Sozialistischen Internationalen.

Während Olaf Scholz Kanzler in Deutschland wurde, heuerte der ehemalige österreichische Bundeskanzler Gusenbauer nach seinem Ausscheiden aus dem Amt bei Benko an. Und für den war er bis zur Pleite der Signa tätig - auch um die Millionenhilfe für Galeria zu sichern? Das jedenfalls legen zwei Rechnungen nahe, mit denen Gusenbauer Benkos Signa in zwei Tranchen insgesamt sechs Millionen Euro in Rechnung stellt: unter anderem für Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Gewährung der Staatshilfe.

"Es ist ja sicherlich kein Zufall, dass immer ehemalige Politiker auf der Gehaltsliste von Herrn Benko stehen oder der Signa und dort auch Geld bekommen", so Fabio De Masi, der als Bundestagsabgeordneter mehrere Anfragen zu den Kontakten von Benko unter anderem zu Olaf Scholz an die Bundesregierung stellte. Immer deutlicher wird im Zuge der Mega-Pleite, über welch gutes Netzwerk der "Immobilien-Zocker" Benko nicht nur in Österreich verfügte.

Große Namen für teure Immobilien-Projekte

War ihm jenseits der Alpen nahezu die gesamte Polit-Prominenz gewogen, nahm er in Deutschland ganz gezielt einflussreiche Lobbyisten zu einzelnen Projekten unter Vertrag. Große Namen bevorzugt; wie der ehemalige erste Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der sich um das Milliarden-Objekt Elbtower kümmern sollte.

Vieles an dem Vergabeverfahren war den Beteiligten damals schon suspekt: Nachträglich genehmigte man Benkos Signa-Gruppe eine um 18 Prozent größere Bruttogeschossfläche, ohne dass sich der Kaufpreis erhöhte. Daraus ergebe sich kein wirtschaftlicher Vorteil, heißt es lapidar von der Stadt Hamburg, obwohl Benkos Signa aufgrund dieses kostenlosen Zugeständnisses allein rund 9.000 Quadratmeter mehr Büroflächen bekam als die ursprüngliche Planung vorsah.

"Geschenk für unseriösen Investor"

Jörg Hamann, früherer Bürgerschaftsabgeordneter der CDU, vermutet dahinter Absprachen: "Jenseits aller üblichen Verfahren ist hier ein Geschenk verteilt worden für diesen unseriösen Investor." Seinerzeit war Hamann Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses.

In Berlin war es der bei Bürgern und Politikern umstrittene Umbau des traditionellen Karstadt-Hauses am Herrmannplatz - ein Projekt, das ebenfalls im Hintergrund Anschub durch Lobbyisten benötigte; hier trat die Agentur des ehemaligen Außenministers Joschka Fischer auf den Plan, die passgenau zu dessen früherem Umfeld die alternative Szene im Neuköllner Kiez gewogen machen sollte.

Ironie der Geschichte: Auch viele von Benkos Lobbyisten und sonstige dienstbaren Geistern haben ihr Geld noch nicht bekommen. Einige finden sich auf den Gläubigerlisten, bis hin zu Deutschlands prominentestem Medienanwalt, der Benko gerne vor unliebsamer Berichterstattung schützte - für schlappe 38.000 Euro im Monat.

Norbert Kuntze, HR, tagesschau, 10.02.2024 09:48 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 08. Februar 2024 um 22:56 Uhr.