Abschied bei Bayer-Hauptversammlung Der Macher des Monsanto-Deals geht
Nach sieben Jahren als Konzernchef und 35 Jahren bei Bayer tritt Werner Baumann in einem Monat ab. Sein Nachfolger Bill Anderson stellte sich bei der virtuellen Hauptversammlung den Aktionären vor. Die startete mit Kritik.
Vielleicht hätte man ein Lächeln auf seinem Gesicht sehen können, als ihm einige Redner Kränze flochten. Selbst scharfe Kritiker dankten Werner Baumann für sein jahrzehntelanges Schaffen "beim Bayer", wie es umgangssprachlich in Leverkusen heißt. Doch der Vorstandsvorsitzende verzichtete aufs große Publikum: Auch in diesem Jahr nutzt der Leverkusener Chemiekonzern die Möglichkeit, die Aktionäre nur virtuell einzubinden, statt sie zu einer Hauptversammlung in Präsenz einzuladen.
Also keine wütenden Zwischenrufe im Saal, keine Bauern und Imker vor der Tür, die gegen Chemie in der Landwirtschaft und für Artenvielfalt demonstrieren. Stattdessen eine lange Tagesordnung mit vielen Rednern aus dem Kreis der Aktionäre, die dazugeschaltet werden.
Umstrittener Monsanto-Kauf
Gründe, enttäuscht zu sein, haben fast alle. Langjährige Aktionäre haben viel Geld verloren. Der Börsenkurs hatte sich zwischenzeitlich nahezu halbiert, nachdem Baumann die Übernahme des umstrittenen US-Agrarchemie-Konzerns Monsanto durchgesetzt hatte. Bei der letzten Hauptversammlung in Präsenz 2019 verweigerten ihm die Aktionäre daher die Entlastung: ein in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmaliger Vorgang.
Der scheidende Vorstandsvorsitzende kann im Monsanto-Kauf trotzdem immer noch keinen Fehler erkennen. "Produkthaftungsfälle gehören in den USA leider zum wirtschaftlichen Alltag", räumt er zwar in seiner Rede ein. Warum er die Risiken der Glyphosat-Klagewelle, die Bayer als Monsanto-Rechtsnachfolger eine zweistellige Milliardensumme kostet, nicht erkannt hat, sagt er nicht. Im Gegenteil - auch auf Nachfrage bleibt er fast trotzig: Strategisch gesehen sei die Monsanto-Akquisition der richtige Schritt gewesen, die Risiken seien seinerzeit sorgfältig geprüft worden, und dass der umstrittene Unkrautvernichter ungefährlich und nicht krebserregend sei, sieht Baumann in zahlreichen Studien bestätigt.
Baumann: Eine tragische Figur?
Ob die Zeit ihm Recht geben wird, dass Monsanto gut für Bayer ist? Aktionärsschützer Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hält es nicht für ausgeschlossen, dass sich der Konzern in zehn Jahren von den Rückschlägen erholt haben wird und Weltmarktführer werden könnte. Trotzdem bleibt Baumann für ihn eine tragische Figur, immer verbunden mit der beispiellosen Klagewelle in den USA. "Ich hätte Ihnen gegönnt, dass Sie heute den Frieden mit uns und wir den Frieden mit Ihnen machen können", sagte er übers Internet - anspielend auf die Klagewelle und auf die nur virtuelle Möglichkeit des Austauschs.
Die Bayer-Regie blieb so Herrin der Bilder, etwa als Baumann seinen Nachfolger Bill Anderson vorstellte. Der frühere Pharmachef des Schweizer Konzerns Roche wird ab 1. Juni an der Spitze stehen. "Meine Vorfreude steigt, je mehr ich über die Innovationen und die Menschen bei Bayer erfahre", las er auf Deutsch vom Teleprompter ab, bevor er ins Englische wechselte. Denn noch kann er die bei seinem Arbeitgeber vorherrschende Sprache nicht, will sie aber lernen, versprach er Journalisten vor einigen Wochen bei einem Kennenlerngespräch.
Auf Anderson kommt die Aufgabe zu, den Konzern wieder profitabel zu machen. Sympathie für die von einigen Investoren geforderte Aufspaltung in ein Pharma- und ein Agrarchemieunternehmen konnte man ihm nicht anmerken. Aber er hält sich noch mit Zukunftsaussagen zurück.
Wann steigt der Aktienkurs wieder?
So ging der Blick heute vor allem zurück. Mit dem aktuellen Aktienkurs sei er überhaupt nicht zufrieden, räumte Baumann ein: "Zwar hat sich die Bayer-Aktie im schwierigen Börsenumfeld des vergangenen Jahres vergleichsweise gut geschlagen. Aber der Börsenwert liegt aus unserer Sicht noch immer deutlich unter dem tatsächlichen Wert unseres Unternehmens." Hauptverantwortlich dafür sind die Klagen in den USA. Wenn man die Rückstellungen für Rechtsrisiken und Vergleiche heraus rechnet, sind die Geschäftszahlen des Konzern sehr gut.
Baumann verlässt den Konzern nach 35 Jahren. "Für mich war Bayer immer mehr als nur ein Arbeitgeber - Bayer ist für mich eine Herzensangelegenheit", so der scheidende Vorstandschef. Es sei ihm "stets eine Freude und auch eine Ehre" gewesen, "Teil von Team Bayer zu sein und gemeinsam an einer Vision zu arbeiten, wie sie größer und inspirierender kaum sein könnte: Health for all, hunger for none". Der Bäckerssohn aus Krefeld wurde für seine Verhältnisse fast schon emotional.
Ob man ihn in irgendeiner Funktion in der Wirtschaft wiedersehen wird? Das einzige, was man über seine Zukunft hört, ist, dass der 60-Jährige seinen Hobbys - Autos reparieren und Handwerksarbeiten - frönen möchte. Und im kommenden Jahr wird er vom heimischen Computer verfolgen können, wie sich sein Nachfolger den Aktionären stellen wird - wahrscheinlich wieder nur virtuell.