Topmanager Bill Anderson Wie der künftige Bayer-Chef tickt
Beim Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer steht ein Führungswechsel bevor: Der frühere Roche-Manager Bill Anderson soll im Juni Konzernchef Werner Baumann ersetzen. Was ist von ihm zu erwarten?
Die Neugier auf den künftigen Bayer-Chef ist groß: Aus Berlin und München sind Journalistinnen und Journalisten zum abendlichen Kennenlernen nach Leverkusen angereist. Und während sie noch an Stehtischen plaudern, kommt Bill Anderson fast unbemerkt hinzu: das blaue Sakko über einem dezent gemusterten T-Shirt, schwarze Sneaker und dicke Hornbrille, in der Hand eine leicht abgewetzte Ledertasche. So stellt man sich eher den nerdigen Professor einer amerikanischen Elite-Uni vor. Jedem Gast schüttelt er die Hand, erzählt stolz von seinem zweiten Arbeitstag bei "Be-jer", wie er mit amerikanischem Akzent seine neue Company ausspricht.
Kein Wort zur Zukunft des Konzerns
Die Erwartungshaltung an den Austausch waren schon vorher etwas heruntergeschraubt worden: Anderson werde nichts zur künftigen Ausrichtung des Konzerns sagen können, man solle keine neuen Strategien erwarten. Es würde einfach nur ums Kennenlernen gehen.
Und so legt der 56-Jährige los, erzählt von seiner Familie: verheiratet mit Cathy, drei erwachsene Kinder, von den zwei in den USA und eins in Singapur leben. Von seinen Eltern, die beide noch die "Great Depression", die Zeit der großen Wirtschaftskrise in den 1920er- und 1930er-Jahren erlebt hatten. Von seiner Jugend in Texas, wo er als Kind mit dem Verkauf selbstgezüchteter Tomaten und Gurken sein Taschengeld aufgebessert hat.
Chance auf einen Neuanfang?
Und mit solchen Anekdoten versucht Anderson den Bogen zu schlagen zu seiner Mission bei Bayer: Man müsse große Ziele haben, jeder müsse sich dafür mitverantwortlich fühlen und versuchen, die Dinge besser zu machen. Bayer hat schon lange ähnliche Slogans: "Science for a better life" oder "Health for all, hunger for none". Nur jetzt werden sie nicht mehr mit dem stark niederrheinisch eingefärbten Englisch-Akzent von Noch-Bayer-Chef Werner Baumann deklamiert, sondern muttersprachlich und im Duktus eines Erfolgscoaches.
Anderson wird sich die nächsten beiden Monate das Großraum-Büro mit Baumann teilen - wenn er denn überhaupt in Leverkusen ist und nicht auf Reisen. Die Pharma-Zentrale in Berlin steht ganz oben auf seiner Route, nächste Woche geht es in die USA nach New Jersey und vor allem nach Missouri, wo er das frühere Monsanto-Hauptquartier in St. Louis besuchen will.
Kein Kommentar zum Glyphosat-Debakel
Fragen nach dem Monsanto-Deal, der Baumanns gesamte Amtszeit überschattet hat, weicht Anderson charmant und eloquent aus. Er sieht einen strategischen Sinn darin, "wenn der größte Saatgut-Hersteller und der größte Pflanzenschutz-Produzent zusammengehen". Aber über die Wege heraus aus der milliardenteuren Klagewelle will er nicht spekulieren, erbittet sich stattdessen eine Einarbeitungszeit.
Auch auf die Frage, ob Bayer weiterhin mit seinen Geschäftsbereichen Pharma, Landwirtschaft und den freiverkäuflichen Gesundheitsprodukten eine Einheit bleiben soll oder doch besser aufgespalten wird, weicht er aus: Er nehme die widersprüchlichen Wünsche der Investoren als "Input", um sich später eine Meinung zu bilden.
Bekenntnis zum Standort Deutschland
Bemerkenswert ist sein Bekenntnis zum Standort Deutschland: Den Verlockungen hoher staatlicher Subventionen für industrielle Neuansiedlungen in den USA stehe das Reservoir an gutausgebildeten Fachkräften in Deutschland gegenüber: "Wir haben tolle Arbeitnehmer hier."
Einige dieser Fachkräfte will er sich am kommenden Wochenende anschauen, wenn die Bayer-Werkself in der Fußball-Bundesliga gegen Eintracht Frankfurt spielt. Er fiebere diesem Spiel entgegen - obwohl er später einräumt, dass seine Leidenschaft den San Francisco 49ers gilt, die beim American Football nicht dem runden, sondern dem ovalen Leder nachrennen.