Neugeschäft im Juli Größter Auftragseinbruch in der Industrie seit 2020
Die Auftragslage in der Industrie schwankt weiter heftig. Nachdem die Bestellungen zuletzt noch zugelegt hatten, sanken sie im Juli so stark wie seit drei Jahren nicht mehr - vor allem wegen eines Sondereffekts.
Der deutschen Industrie sind die Aufträge zu Beginn der zweiten Jahreshälfte so stark weggebrochen wie seit mehr als drei Jahren nicht mehr. Das Neugeschäft schrumpfte im Juli um 11,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte. Einen kräftigeren Rückgang hatte es zuletzt zu Beginn der Corona-Krise im April 2020 gegeben. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Minus von 4,0 Prozent gerechnet.
Umfangreicher Großauftrag im Juni verzerrt das Bild
Der starke Rückgang bei den neuen Bestellungen folgt jedoch auf einen kräftigen Anstieg im Juni, der mit 7,6 Prozent etwas deutlicher ausfiel als bisher bekannt. Auch im Mai war es mit einem Plus von 6,2 Prozent noch deutlich nach oben gegangen. Dafür hatten Großaufträge - zuletzt insbesondere aus der Luft- und Raumfahrtbranche - gesorgt, die nun wegfielen.
"Das Bild ist nicht so trüb, wie es auf den ersten Blick aussieht", erklärte der Chefvolkswirt von Union Investment, Jörg Zeuner. "Im Vormonat hatten zahlreiche Großaufträge, darunter einer über rund 900 Flugzeuge für den Hersteller Airbus, das Pendel nach oben ausschwingen lassen." Dadurch brach das Neugeschäft im sogenannten sonstigen Fahrzeugbau diesmal um 54,5 Prozent ein.
Vor allem sorgte ein "sehr umfangreicher Großauftrag" im Juni für Belastung im Folgemonat, hieß es auch von den Statistikern. Ohne Großaufträge sei der Auftragseingang im Juli sogar um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen. Im weniger stark schwankenden Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von Mai bis Juli 2023 den Angaben zufolge um 3,1 Prozent höher als in den drei Monaten zuvor.
"Industrie bleibt Sorgenkind"
"Eine nachhaltige Belebung der Industriekonjunktur lässt sich daraus angesichts des eingetrübten Geschäftsklimas und der schwachen Weltkonjunktur aber nicht ableiten", teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, fügte hinzu: "Die Industrie bleibt Sorgenkind, die Auftragsbücher sind deutlich dünner als vor einem Jahr."
So gaben die Bestellungen aus dem Inland im Juli um 9,7 Prozent zum Vormonat nach. Steigende Zinsen und hohe Energiepreise dämpfen derzeit die Nachfrage der heimischen Wirtschaft. Die Auslandsnachfrage nahm sogar um 12,9 Prozent ab, die aus der Euro-Zone um 4,1 Prozent. "Deutschland hängt am Tropf der Weltwirtschaft", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Um letztere ist es aktuell nicht gut bestellt." Mit China schwächelt derzeit etwa der wichtigste deutsche Handelspartner.
Auftragsrückgänge verzeichneten im Juli insbesondere die Bereiche EDV und optische Geräte (-23,6 Prozent), elektrische Ausrüstungen (-16,7 Prozent) sowie der Maschinenbau (-8,7 Prozent). Dagegen stiegen die Auftragseingänge im Bereich Kfz und Kfz-Teile (+2,7 Prozent), in der Chemiebranche (+0,5 Prozent) und in der Metallerzeugung (+1,0 Prozent) an. Der reale Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe fiel im Juli um 1,0 Prozent niedriger aus als im Vormonat. Im Juni hatte es einen Rückgang von 1,4 Prozent gegeben.