Wirtschaftsentwicklung Was kann der Konjunktur einen Schub geben?
Die Industrie in Deutschland schwächelt. Die Inflation sorgt für Zurückhaltung beim privaten Konsum. Experten mahnen, die Politik müssen sich wieder verstärkt um den Standort Deutschland kümmern - und Bürokratie abbauen.
Die Industrie in Deutschland schwächelt, und die Inflation führt dazu, dass sich viele Menschen beim Einkaufen zurückhalten. Real, also bereinigt um Preiserhöhungen, sank der Umsatz im ersten Halbjahr um 4,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Hohe Zinsen bremsen die Wirtschaft aus. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt stagniert im zweiten Quartal. Was einst die Konjunktur stützte, war der Bauboom - doch der ist vorerst auch zu Ende. Dazu kommt: Es wird weniger exportiert. "Die Weltwirtschaft präsentiert sich schwach", so der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Und darunter leidet die deutsche Wirtschaft mit ihrer exportstarken Industrie."
Zu wenig getan für die Standortqualität?
Laut dem Internationalem Währungsfond wird sich die Weltwirtschaft vermutlich etwas erholen. Aber ist Deutschland wirklich der "kranke Mann Europas" - wie im Moment in vielen Schlagzeilen gefragt wird?
Chris-Oliver Schickentanz von Capitell sagt: "Ehrlicherweise haben wir die letzten Jahre nichts dafür getan, die Standortqualität in Deutschland zu verbessern. Und das merkt man mittlerweile. Das heißt, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im internationalen Kontext hat deutlich nachgelassen."
Klagen über Bürokratie und hohe Steuern
Deutsche Unternehmen - vor allem die energieintensiven Industriefirmen - klagen über hohe Energiepreise, aber auch über andere Hürden hierzulande: Bürokratie, hohe Steuern und fehlende Fachkräfte. Produktionen werden verlagert, Unternehmen wandern ab.
"Das ist ein Prozess, den wir jetzt seit zehn, fünfzehn Jahren beobachten", so Schickentanz. "Und lange Zeit haben uns eben die niedrigen Energiepreise, etwa der Energieimport aus Russland, über diese strukturellen Faktoren hinweg geholfen. Das darf man nicht vergessen. Gerade bei den großen DAX-Konzernen spielt Deutschland nur noch eine untergeordnete Rolle."
Rufe nach der Politik
Der Ausblick bleibt negativ. Laut Internationalem Währungsfonds ist die deutsche Volkswirtschaft unter den 22 untersuchten Staaten und Regionen die einzige, in der das Bruttoinlandsprodukt 2023 sinken soll.
Kann der private Konsum etwas Hoffnung für die deutsche Konjunktur bringen? Schickentanz sagt: "Wir haben immer noch eine 'Corona-Extra-Ersparnis'. Die kann jetzt natürlich dann sukzessive aufgebraucht und in den privaten Konsum fließen. Aber diese Ersparnis ist endlich. Das heißt, das ist eben auch nicht der Bereich, der uns über Jahre hinweg retten könnte. Sondern das hilft jetzt vielleicht mal für ein oder zwei Quartale." Die Politik sei gefordert, die Standortqualität zu verbessern, so Schickentanz.
Gitzel: Gas geben bei Erneuerbaren
Auch für Volkswirt Thomas Gitzel geht es um die strukturellen Probleme in Deutschland - dort müsse man ansetzen, um wirklich etwas zu verändern: "Das ist ein Auftrag, auch an die Politik, hier vorwärts zu machen. Wir haben im internationalen Vergleich sicherlich eine überbordende Bürokratie. Da kann man was tun. Wir können Gas geben beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Wenn wir diese Dinge anpacken, dann wird es auch wieder was mit dem Industriestandort Deutschland."
Einen Abgesang auf "Made in Germany" will offenbar niemand halten - die Innovationskraft sei in Deutschland da, so die Experten. Ein Berg an Hausaufgaben aber auch.