Geschäftsklima in Deutschland Die Rezessionssorgen wachsen
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Juni unerwartet stark verschlechtert. Laut ifo-Chef Fuest liegt es vor allem an der schwachen Industrie, dass der Pessimismus in den Chefetagen zunimmt.
Die Stimmung der deutschen Wirtschaft hat sich in der momentanen Rezession weiter deutlich verschlechtert. Das ifo-Geschäftsklima sank im Juni überraschend kräftig auf 88,5 Punkte von 91,5 Zählern im Vormonat. wie das Münchner Wirtschaftsforschungs-Institut heute zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Es ist bereits der zweite Rückgang in Folge.
"Vor allem die Schwäche der Industrie bringt die deutsche Konjunktur in schwieriges Fahrwasser", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Managerinnen und Manager bewerteten ihr aktuelles Geschäft skeptischer und ihre Aussichten wesentlich ungünstiger als zuletzt.
"Kaum Lichtblicke"
Im Verarbeitenden Gewerbe habe sich das Geschäftsklima erheblich eingetrübt, so ifo-Chef Fuest. Die Erwartungen seien auf den niedrigsten Stand seit November 2022 gefallen. "Kaum eine Branche konnte sich dieser Entwicklung entziehen." Auch die aktuelle Lage werde weniger gut bewertet. "Mittlerweile beurteilen viele Unternehmen ihren Auftragsbestand als zu niedrig."
Es gebe kaum Lichtblicke, sagte der ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. "Die weltweiten Zinserhöhungen dämpfen die Nachfrage nach Waren 'Made in Germany'." Auch im Dienstleistungssektor, im Handel und am Bau sank der Geschäftsklimaindex.
Stagnation oder Rezession?
Die deutsche Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 jeweils zum Vorquartal geschrumpft. Zum Jahresende 2022 sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland um 0,5 Prozent, in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres um 0,3 Prozent. Von einer Rezession sprechen Fachleute, wenn die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft. Auch die Eurozone befindet sich dieser Definition zufolge in der Rezession.
Die Chefin der "Wirtschaftsweisen", Monika Schnitzer, geht für das laufende Jahr in Deutschland weitgehend von einer Stagnation aus. "Das Wachstum wird bei plus/minus Null sein", sagte die Regierungsberaterin und Vorsitzende des Sachverständigenrats jüngst. Ab der zweiten Jahreshälfte werde es wohl eine Erholung geben. "Das hängt von China ab." Allerdings komme der Zinserhöhungskurs der Europäischen Zentralbank zunehmend in der Wirtschaft an und bremse die Konjunktur.
Noch zu viel Optimismus?
Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank ist hingegen skeptischer. "Wir fühlen uns bestätigt in der Prognose, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte erneut schrumpfen wird. Viele Volkswirte haben noch immer zu optimistische Konjunkturprognosen. Sie dürften sie weiter senken."
Ebenso pessimistisch klingt die Einschätzung von Alexander Krüger, Chefökonom bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank: "Die trübe Lageeinschätzung zeigt, dass wachstumsseitig vorerst nichts zu erwarten ist. Der Erwartungsrückgang vermittelt das Gefühl von Endzeitstimmung. Die Befragung steigert die Konjunkturskepsis nochmals", so der Fachmann. Das liege auch daran, dass die schwache Weltwirtschaft der Konjunktur nicht in die Karten spielt.
Da die Belastungen einer restriktiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank erst noch kommen, stehe neues Ungemach bevor, so Krüger. "Für eine Stimmungswende bedarf es dringend politischer Impulse, gerade auch in der Energiefrage." Analyst Jens-Oliver Niklasch von der LBBW stellt fest: "Wir stecken mitten in einer Rezession."