Erstmals seit 2002 Euro-Kurs kurzzeitig unter einem Dollar
Die Talfahrt des Euro geht weiter: Nachdem die europäische Gemeinschaftswährung zuletzt mit der US-Währung im Gleichstand lag, fiel der Kurs nun kurzzeitig unter einen Dollar. Auslöser waren US-Inflationsdaten.
Der Kurs des Euro ist nach Erreichen der Parität mit dem Dollar weiter gefallen. Am Nachmittag notierte die europäische Gemeinschaftswährung im Handel in London kurzfristig bei 0,9998 Dollar. Damit war ein Euro erstmals seit Dezember 2002 wieder weniger wert als ein Dollar. Wegen einer drohenden Rezession, wegen des Ukraine-Krieges und des im Vergleich zu den USA niedrigeren Zinsniveaus in der Euro-Zone steht die Gemeinschaftswährung seit Wochen unter Druck. Insbesondere die jüngsten Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed und deren Ankündigung weiterer, möglicherweise kräftiger Zinsschritte machen den Dollar auf dem Devisenmarkt attraktiver als den Euro. Für die europäische Gemeinschaftswährung wird erst in der kommenden Woche eine Stärkung durch die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank erwartet.
Inflation in den USA auf hohem Stand
Aktueller Auslöser des weiteren Euro-Verfalls gegenüber dem US-Dollar war die Veröffentlichung der neuesten US-Inflationsdaten. Danach kletterte die Teuerungsrate in den USA auf den höchsten Stand seit November 1981. Weil die US-Notenbank derzeit mit deutlichen Zinserhöhungen gegen die hohe Inflation vorgeht, macht die hohere Teuerungsrate im Juni einen abermals großen Zinsschritt bei der nächsten Fed-Sitzung Ende des Monats wahrscheinlicher. Dadurch könnte sich der Abstand zwischen den Leitzinsen in den USA und in der Eurozone weiter vergrößern. Tatsächlich ist die Euro-Schwäche auch Zeichen einer Dollar-Stärke. Denn nicht nur zum Euro, sondern auch zu anderen wichtigen Währungen hatte der "Greenback" zuletzt deutliche Gewinne einfahren können.
Gaskrise lastet auf dem Euro
Allerdings wäre es verkürzt, die Euro-Schwäche allein auf die Dollar-Stärke zurückzuführen, denn sie ist zu einem großen Teil auch hausgemacht. Es ist die Angst vor einer Rezession in Europa, ausgelöst durch die Gaskrise, welche die Anleger vor Investments in den Euro zurückschrecken lässt. Speziell über der deutschen Volkswirtschaft schwebt die mögliche Ausrufung einer Gasmangellage durch die Bundesnetzagentur wie ein Damoklesschwert.
Am Montag begann die wartungsbedingte Abschaltung der Gas-Pipeline Nord Stream 1. "Erst nach Ende der planmäßigen Wartungsarbeiten am 21. Juli könnte etwas klarer sein, ob sich Menschen und Wirtschaft in Deutschland auf einen harten Winter einstellen müssen", betont Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege bei RoboMarkets.
Wie sehr kann die EZB gegensteuern?
Die Unsicherheit darüber lastet auf dem Euro. "Mit Gaspreisen in schwindelerregender Höhe wächst die Gefahr, dass zum bisherigen Inflationsschock ein weiterer hinzukommt", warnt Ulrich Leuchtmann, Devisen-Experte der Commerzbank. Solange eine Gaskrise droht, vermag der Devisenexperte kaum Argumente für eine deutliche Euro-Erholung auszumachen.
"Die EZB könnte in einer Gaskrise nur das nötigste an Inflationsbekämpfung durchführen. Gerade so viel, um eine Spirale aus Euro-Abwertung und Inflationsbeschleunigung zu verhindern. Manche mögen sogar befürchten, dass ihr selbst das nicht gelingt."